
Klasse Sache! Da kommt ’ne Scheibe mit Matt Barlow. Der war doch so richtig, richtig gut bei Iced Earth oder Pyramaze und wird das Singen schon nicht verlernt haben. Und Jonah Weingarten, der hat sich ebenfalls bei Pyramaze verdungen und dort ordentlich in die Tasten gehauen. Seinerzeit war deren Scheibe der RockTimes-Redaktion, namentlich Verfasser Boris Theobald, sogar eines der raren 'Tipp'-Prädikate wert. Können wir also nichts falsch machen, wenn sich die beiden gestandenen Musiker zu We Are Sentinels zusammenschließen und ein gleichnamiges Album herausbringen. Oder können wir?
Ja, wir können und da soll auch nicht groß um den Brei herumgeredet werden. Ich habe mehrere Versuche unternommen, mit dieser Scheibe warm zu werden und darf vorab feststellen, dass ich musikalisch breit gefächert bin und alles an mich ranlasse, was sich zwischen Blues und Metal abspielt. Auch gegen gute Klassik habe ich nichts und genieße ein großes Orchester unter fachkundiger Leitung durchaus mal – Berührungsängste kennen wir nicht. Aber, sämtliche Musik muss neben der handwerklichen Überzeugungskraft auch Leidenschaft versprühen.
Höre ich mir die salbungsvollen Worte des Waschzettels an, so erwarte ich beim ersten Einlegen direkt Bombast, Epos, Gefühl und Kraft. Fuck no, Barlow kann singen und Weingarten ist zweifelsohne auch ein guter Musiker. Aber hier haben sie ihr Pulver volle Kanne in den Himmel geschossen. Mag sein, dass ich simplen Gemüts bin und mir die Vorstellungskraft fehlt, diese Intonationen in einem epischen Fantasy-Film zu visualisiern. Vielleicht aber habe ich auch keine Ahnung von großen Filmen und weiß nicht, was es dafür an Musik braucht. Wie auch immer, this here boy is not amused!
Tut mir sehr leid, die einzigen wenigen, auch mal pseudo-orchestralen, Passagen, bei denen man so etwas wie Gefühl hineininterpretieren könnte, sind so rar gesät, dass sie die Gesamtheit der zehn eigenen Tracks nicht rausreißen. Ich schreibe 'eigenen Tracks', weil sich am Ende noch eine Cover-Version des von mir sehr geliebten 'Holy Diver' befindet. Dazu aber mehr etwas weiter unten.
Die Stücke vier bis sechs nennen die Macher zusammengefasst "Winter Trilogy". Und wenn man nur die negativen Assoziationen nimmt, die man mit der kalten Jahreszeit verbindet, dann hat unsere Trilogie hier zumindest eines erreicht: Sie sorgt dafür, dass jeder ohnehin schon depressive und zu Suizid neigende Zeitgenosse endlich Nägel mit Köpfen macht. Nahezu jedes Stück, auch außerhalb des winterhaften Dreigestirns, beginnt mit etwas gleichklingenden Pianotönen, manchmal unterlegt von eher seelenloser Orchestrierung, bis dann Meister Barlow – ebenfalls wenig mitreißend – zu singen anfängt. Da fehlen mir irgendwie die Sensoren, etwas Packendes zu entdecken.
"Holy Diver"? Holy shit! Bratsche, Cello, Piano, nordische Träller-Elsen in den Backings – das hat Dio eigentlich nicht verdient. So einen Klassiker in ein gewollt klassisches Korsett zu zwängen und dann noch nicht mal zu überzeugen wissen, da gehört schon eine Menge zu.
Ein Sentinel ist ja ein Wachposten, der darauf aufpasst, dass niemand unbemerkt in etwas hinein oder davon herausgeht. Da erlaube ich mir jetzt mal scherzhaft zu sagen, dass unsere Protagonisten mal schön darauf aufpassen sollen, dass dieses Produkt bloß nicht an die breite Masse kommt. Ich habe fertig!
Line-up We Are Sentinels:
Matt Barlow (vocals)
Jonah Weingarten (keys, piano, percussion)
Tracklist "We Are Sentinels":
- From My Tower
- My Only Sin
- Life, Death, Rebirth
- Kingdom In Winter
- Dreaming In Winter
- Battle In Winter
- In Memoriam
- Sirens Of Odysseus
- Miracle
- Soul On Fire
- Holy Diver
Gesamtspielzeit: 47:43, Erscheinungsjahr: 2018
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