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John Lennon / Imagine – The Ultimate Collection – Doppel-CD-Review

John Lennon - "Imagine - The Ultimate Collection" - 2CD-Review

Wenn man mal von Two Virgins, Life With The Lions und dem "Wedding Album" in experimentierfreudigem Verbund mit Yoko Ono Ende der sechziger Jahre absieht, dann war das im September 1971 in den USA (UK: Oktober 1971) erschienene "Imagine" John Lennons zweites Soloalbum und der größte Erfolg, den er ohne die Beatles zu seinen Lebzeiten erfahren durfte. Kurz vor Beginn der Aufnahmen hatte er mit George Harrison in New York City eine zufällig entstandene Jam Session gespielt und ihn dann spontan für die Aufnahmen zu seinem neuen Album eingeladen. Harrison brachte den Hamburger Beatles-Intimus Klaus Voormann (bass) mit und der Rest der (Haupt-) Band, die die Aufnahmen in Lennons englischen Ascot Studios auf seinem Anwesen Tittenhurst Park bestritt, bestand aus dem Schlagzeuger Alan White sowie dem genialen Pianisten Nicky Hopkins, der sich die Einspielung der Tasteninstrumente mit dem guten John teilte.

Über Songs wie "Jealous Guy" oder den Titeltrack braucht man ganz sicher nicht mehr viel zu schreiben, werden sie doch bis heute noch von den Radiostationen auf der ganzen Welt rauf und runter gespielt. Mit "How Do You Sleep?" fuhr der Protagonist damals textlich eine heftige Breitseite gegen seinen ehemaligen Partner Paul McCartney auf, den er nicht nur für das Ende der Pilzköpfe verantwortlich machte, sondern auch deshalb auf ihn sauer war, weil sich McCartney öffentlich nicht besonders nett über Yoko Ono geäußert hatte. Da war schon eine Menge Bitterkeit im Spiel, wenn man sich Zeilen wie »…those freaks were right when they said you was dead…« oder »…the sound you make is muzak to my ears, you must have learned something in all those years…« ansieht bzw. -hört. Lennon war immer schon jemand, der auch in seinen Texten nur sehr ungern ein Blatt vor den Mund nahm, was sich neben dem Titelsong auch in den politischen Nummern "I Don’t Wanna Be A Soldier, Mama, I Don’t Wanna Die" sowie "Gimme Some Truth" widerspiegelt.

In der erstgenannten (Nummer) passiert zwar nicht allzu viel und auch der Text ist sehr schlicht und plakativ gehalten, was aber ganz genau der Absicht des Engländers entsprach. "Gimme Some Truth" ist sowohl musikalisch, als auch in der gesanglichen Umsetzung deutlich interessanter ausgefallen und ein klares Highlight dieser Scheibe, das obendrein von Harrisons Slide-Solo veredelt wird. Lennon ist sauer und das hört man seinem Gesang hinsichtlich dieser bis heute utopischen Aufforderung an Politiker und andere Gestalten auch deutlich an. Die restlichen Stücke befassen sich entweder mit seiner Liebe zu Yoko Ono ("Oh My Love" oder das flotte "Oh Yoko!") oder in Form von "It’s So Hard", dem sehr starken "Crippled Inside" und vor allem "How?" mit seiner eigenen Zerbrechlichkeit, seiner inneren Unsicherheit sowie seiner überraschend offen dargelegten Orientierungslosigkeit. Nachdem die Aufnahmen in den Ascot Studios abgeschlossen waren, zogen Lennon und Ono nach etwa fünf Wochen Pause weiter nach New York City in die Record Plant Studios, wo weitere Overdubs (mit unter anderem King Curtis am Saxofon und vielen anderen) in den Kasten gebracht wurden. Speziell an den Tracks "I Don’t Wanna Be A Soldier, Mama, I Don’t Wanna Die", "It’s So Hard" sowie "How Do You Sleep?" wurde in New York noch einmal kräftig herumgeschraubt.

Diese Neuauflage von "Imagine" ist auch in einer 'Deluxe Box' mit sechs Scheiben und insgesamt 140 Songs erschienen, während dem Verfasser dieser Zeilen die 'Deluxe 2-CD'-Version vorliegt. Der Rest der Spielzeit auf dem ersten Silberling wird mit den beiden Single-A-Seiten "Power To The People" sowie "Happy Xmas (War Is Over)" (beide sind auf keinem regulären Studioalbum enthalten) und vier Outtakes gefüllt, die es nicht auf das Original-Album schafften. Die zweite CD startet mit vier instrumentalen Stücken (außer "Oh My Love", bei dem lediglich Lennons Gesang ohne alles andere zu hören ist), die noch einmal einzelne Instrumente (vor allem die Streicher) besonders hervorheben. Außerdem gibt es einiges an 'work in progress' auf die Ohren, also Einspielungen, mit denen man aus unterschiedlichen Gründen nicht zufrieden war. Dass solch ein Unterfangen im Studio auch verdammt harte Arbeit sein kann, verdeutlicht unter anderem, dass hier auch der 31. Versuch für das Stück "How?" enthalten ist. Und das war noch nicht die finale Version. Vielleicht nur für Fans wirklich interessant, für die dann allerdings sogar sehr.

Und als Highlight des zweiten Rundlings darf wohl die erste Demo-Version des Titelsongs gewertet werden, die für alle Beteiligten sehr überraschend bei der Sichtung und Restaurierung des Gesamt-Materials für dieses Album gefunden wurde. Ich kann zwar nur über die Doppel-CD-Version urteilen, aber die ist sehr interessant ausgefallen und geht mit wehenden Fahnen als Gewinner durchs Ziel.

Die Aufnahmen wurden übrigens auch filmisch festgehalten, was zu den beiden Streifen "Imagine" und "Gimme Some Truth" führte. Aber das ist wieder eine andere Geschichte, über die bei RockTimes in Kürze zu lesen sein wird.


Line-up John Lennon ("Imagine" album):

John Lennon (acoustic & electric guitars, piano, harmonica, whistling, lead & background vocals)
George Harrison (Dobro, electric & electric slide guitar)
Ted Turner (acoustic guitars)
Rob Lynton (acoustic guitars)
Joey Molland (acoustic guitars)
Tommy Evans (acoustic guitars)
Andy Davis (acoustic guitars)
Mike Pinder (tambourine)
Nicky Hopkins (piano, E-piano)
Klaus Voormann (bass)
John Barham (harmonium, piano)
King Curtis (saxophones)
Steve Brendell (upright bass)
Alan White (drums, Tibetan cymbals)
Jim Keltner (drums)
Jim Gordon (drums, tambourine)
The Flux Fiddlers (strings)
Phil Spector (background vocals – CD 1 – #10)

Tracklist "Imagine":

CD 1:

  1. Imagine
  2. Crippled Inside
  3. Jealous Guy
  4. It’s So Hard
  5. I Don’t Wanna Be A Soldier, Mama, I Don’t Wanna Die
  6. Gimme Some Truth
  7. Oh My Love
  8. How Do You Sleep?
  9. How?
  10. Oh Yoko!
  11. Power To The People (single-A-side)
  12. Well… [Baby Please Don’t Go] (outtake)
  13. God Save Us (outtake)
  14. Do The Oz (outtake)
  15. God Save Oz (outtake)
  16. Happy Xmas [War Is Over] (single-A-side)

CD 2:

  1. Imagine (elements mix)
  2. Jealous Guy (elements mix)
  3. Oh My Love (elements mix)
  4. How? (elements mix)
  5. Imagine (demo)
  6. Imagine (take 1)
  7. Crippled Inside (take 3)
  8. Crippled Inside (take 6, alternative guitar solo)
  9. Jealous Guy (take 9)
  10. It’s So Hard (take 6)
  11. I Don’t Wanna Be A Sodier, Mama, I Don’t Wanna Die (take 11)
  12. Gimme Some Truth (take 4)
  13. Oh My Love (take 6)
  14. How Do You Sleep? (takes 1 & 2)
  15. How? (take 31)
  16. Oh Yoko! (Bahamas 1969)
  17. Power To The People (take 7)
  18. God Save Us (demo)
  19. Do The Oz (take 3)
  20. Happy Xmas [War Is Over] (alternative mix)

Gesamtspielzeit: 60:50 (CD 1), 73:36 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2018 (1971)

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
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Mail: markus(at)rocktimes.de

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