Auch nach 50 Jahren hat das Woodstock-Festival nichts von seiner Faszination verloren und wird immer noch als 'die Mutter aller Festivals' bezeichnet. Liegt das Augenmerk heutiger, großer Festivals ausschließlich auf den Genuss der Musik, stand Woodstock damals in erster Linie für eine politische Haltung, die sich nicht nur gegen die Zwänge einer restriktiven Gesellschaft, sondern auch gegen den Krieg in Vietnam richtete.
Am 15. August 1969 um 17:05 Uhr betrat Richie Havens die Bühne auf dem Gelände der Farm von Max Yasgur und eröffnete offiziell das Festival. Was dann folgte, waren drei Tage, an denen zahlreiche Rekorde gebrochen werden sollten, es gab sowohl Licht- als auch Schattenseiten: Drei Tage vollgepackt mit Live-Musik aus 33 Konzerten, es gab zwei Geburten – leider aber auch zwei Todesfälle, 500 000 Menschen tummelten sich auf dem Festival-Gelände, 250 000 steckten während der Anfahrt noch im Stau fest.
Lediglich 50 000 hatten die Organisatoren jedoch nur erwartet. Das Tagesticket kostete 7 Dollar, das Drei-Tage-Ticket 18 Dollar – am Ende wurde das Festival auf Grund widriger Umstände zur Gratis-Veranstaltung und für die Veranstalter selbst zum riesigen Verlustgeschäft (Eine Million Dollar). Auch der Wettergott meinte es nicht gut und verwandelte das Gelände in eine gewaltige Schlammwüste. Die Organisation konnte man als solche auch nicht mehr bezeichnen. Es gab Probleme mit der Bühnentechnik, die Verpflegung musste per Hubschrauber eingeflogen werden. Und mitten in all dem Chaos friedliche Menschen: »Eine halbe Million junge Leute können zusammenkommen und drei Tage lang Spaß haben und Musik genießen. Möge Gott euch dafür segnen!« (Max Yasgur)
In seinem Buch zeichnet der Autor Julien Bitoun den genauen Ablauf des Festivals akribisch nach. Nach einem kurzen Vorwort von Michael Lang (der gemeinsam mit Artie Kornfeld die Idee hatte, ein Rock-Festival auf die Beine zu stellen) sowie einem gesellschaftspolitischen Kontext ging Bitoun unter der Überschrift "Yin und Yang" auf zwei Ereignisse ein, die extrem gegensätzlicher wirklich nicht hätten sein können und die Welt bewegten: Am 20. Juli 1969 landete die Apollo auf dem Mond und am 9. August des gleichen Jahres wurde Sharon Tate, Ehefrau des Regisseurs Roman Polanski und im achten Monat schwanger, von der Manson-Bande bestialisch ermordet.
Da sich Michael Lang, um seinen Traum vom Woodstock-Festival erfüllen zu können, maßgeblich am Monterey Jazz Festival orientiert, findet dieses ebenfalls eine kurze Erwähnung. Anschließend gibt es noch einen Blick hinter die Kulissen, wie zum Beispiel zur Entstehung des Plakates oder darüber, wie die Macher gegen so manche Widerstände ankämpfen mussten. Aber auch die beiden Geldgeber – John Roberts (Erbe eines Pharma-Unternehmens) und Joel Rosenman (ließ einen Plattenvertrag bei Columbia sausen, um sich dem Business zu widmen) finden zu Recht Berücksichtigung in diesem Kapitel.
Daran anschließend folgt ein minutiöses Protokoll über jeden einzelnen Gig jeder Band beim Woodstock. Sowohl Tag, Uhrzeit, genaue Spielzeit, die Setlist, die Releases bis zu diesem Tag im August, aber auch die damals aktuelle Bandbesetzung und die beste Performance beim Festival werden dargestellt. Zusätzlich gibt es noch einen kleinen Abriss einer Bandbiografie sowie eine Hintergrundgeschichte und das alles garniert mit wunderschönen Fotos.
Im Epilog werden die Acts erwähnt, die aus verschiedenen Gründen abgesagt haben wie Jeff Beck, Led Zeppelin, Joni Michell, Frank Zappa und viele andere Künstler, die das Festival mit einem Auftritt bereichert hätten. Besonders schmerzlich aber wurde Bob Dylan vermisst, der es bevorzugte, beim zeitgleich stattfindenden Isle Of Wight aufzutreten.
Den Abschluss bilden weitere Informationen, zum Beispiel zur Organisation der Versorgung, oder dem angeblich alles beherrschenden Hippie-Traum von Nacktheit und freier Liebe und es werden die Geburten und Sterbefälle während der drei Tage aufgegriffen.
Sieben Gitarren, die das Woodstock besonders geprägt haben – von der Guild von Richie Havens bis zur Stratocaster von Jimi Hendrix – finden besondere Erwähnung.
Es folgt eine Übersicht über veröffentlichte Alben sowie Erläuterungen zur Entstehung des Musik-Films "Woodstock – The Movie".
Es gibt immer mal wieder Versuche, den Geist von Woodstock aufleben zu lassen. So fand nach 25 Jahren (1994) in Saugerties im Bundesstaat New York das Woodstock II statt. Überraschend hatte Bob Dylan seine Zusage gegeben und legte einen grandiosen Auftritt hin. Und selbst der Wettergott spielte wieder verrückt.
Das fünf Jahre später stattfindende Woodstock III wurde von gewalttätigen Auseinandersetzungen überschattet und der Mythos von freier Liebe endete in Gruppenvergewaltigungen.
Dieses Buch ist ein Leckerbissen. Es ist vollgepackt mit sehr gut recherchierten Informationen, vielen stimmungsvollen Farb- aber auch Schwarz/Weiß-Fotos und eine wahre Fundgrube für Interessierte. Ich hab Mühe gehabt, das Buch mal für eine Pause aus der Hand legen zu müssen. Beim Lesen hat man das Gefühl, dabei zu sein, zurück versetzt zu sein in '3 Days Of Peace & Music'. Dicke Kaufempfehlung!
Fotos mit freundlicher Genehmigung vom Delius Klasing Verlag.
Hardcover, 1. Auflage 2018
240 Seiten, Farb- und S/W-Fotos
ISBN 978-3-667-11411-2
39,90 EURO
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