Der Strom und die Pink Fairies gehen seltsame Wege. So oder so ähnlich könnte ein geflügeltes Wort um die in den frühen siebziger Jahren aus den Ruinen der Band The Deviants entstandene Underground-Band lauten. Letztgenannte Combo hatte sich nach dem Rauswurf ihres Frontmanns Mick Farren neu orientiert und wagte in Person von Paul Rudolph (guitars, vocals) Duncan Sanderson (bass), Russell Hunter (drums) sowie dem zusätzlichen Schlagzeuger Twink (der auch sang) einen neuen Start. Nach drei guten, leider jedoch mit miesen Verkaufszahlen 'gesegneten', Studioalben sowie "Live At The Roundhouse" (1975) war dann allerdings schon wieder Ende Gelände. In den Achtzigern und Neunzigern kam es immer mal wieder zu sporadischen Reunions, die jedoch jedes Mal ebenso schnell auch wieder im Sand zu verliefen schienen. Für die Fans gab es mit "Previously Unreleased" (1982), "Kill 'em And Eat 'em" (1987), "Pleasure Island" (1996) sowie "No Picture" aus dem Jahr 1997 wenigstens noch ein bisschen Output für die heimische Stereoanlage.
Wie dem auch sei, die Überraschung meinerseits war groß, als vor etwas mehr als anderthalb Jahren in Form von Naked Radio ein brandneues Studioalbum der alten Recken angekündigt wurde. Von der Originalbesetzung waren hier immerhin noch Sanderson und Hunter dabei, die sich mit neuen (in der Szene zumindest teilweise durchaus bekannten) Mitmusikern umgeben hatten. Und im vergangenen Herbst kam nicht nur ein weiteres neues Album, nein, geboten bekommen wir hier gleich auch noch ein zu 100 % ausgewechseltes Line-up der Bandmitglieder. Wie so etwas genau möglich ist, entzieht sich zwar unserer Kenntnis, aber immerhin ist hier mit Paul Rudolph ein weiteres Gründungsmitglied am Start. Und der hat sich absolut interessante Unterstützung an Bord geholt. Zum einen bedient mit Alan Davey (Ex-Hawkwind) ein Verfechter des Lemmy-Handlings den Bass und zum zweiten sitzt kein Geringerer als Lucas Fox hinter der Schießbude. Dieser Mann gehörte doch tatsächlich zum Original-Line-up von Motörhead, selbst wenn er dort gerade mal ein knappes Jahr die Felle bediente.
Wer sich nun das Line-up von "Resident Reptiles" so betrachtet wird wahrscheinlich bereits relativ schnell auf die Idee kommen, dass hier so ziemlich geradeaus auf die Zwölf gerockt wird. Und das kommt in dieser Ausrichtung – also auch ohne Keyboards – deutlich knackiger und sogar frischer rüber, als das bei "Naked Radio" der Fall war. Lucas Fox peitscht grundsolide den Beat voran, der Lemmy-/Hawkwind-Bass von Davey knarzt und (im positiven Sinne) rumpelt ganz herrlich dazu und gemeinsam legen die beiden die Spielwiese für Rudolphs Gitarren-Riffs sowie relativ sporadische Soloausflüge. Das kommt unheimlich kompakt und 'in your face', ohne dabei chaotisch, punkig oder unkoordiniert wirken. Paul Rudolph ist zwar ebenfalls kein Ausnahmesänger, kommt insgesamt gesehen allerdings wesentlich überzeugender rüber, als seine Kollegen auf "Naked Radio". Alleine deshalb schon kann "Resident Reptiles" ein klarer Vorteil attestiert werden.
Die Songs gehen sehr gut ins Ohr, wobei speziell der Titeltrack und "Your Cover Is Blown" überzeugen können. Der ehemalige Pink Fairies-Gitarrist Larry Wallis (u. a. auch Ex-UFO sowie Ex-Motörhead) wäre ein gern gesehener Mitmusiker im Studio gewesen, musste allerdings aus gesundheitlichen Gründen passen. Ihm zu Ehren wurde jedoch sein großartiger Song "Old Enuff To Know Better" in die Tracklist aufgenommen, der auch in dieser Version den restlichen Nummern fast die Show stiehlt. Die acht hier gebrachten Stücke verkörpern exakt den rauen Charme, den man sich unter dem Namen Pink Fairies erwartet. Klasse übrigens auch in Szene gesetzt von Produzent Jürgen Engler, der musikalisch und gesanglich noch für die ein oder andere Feinabstimmung verantwortlich zeichnet. Nun sind die drei Herren dieses Line-ups der Pink Fairies ja nicht unbedingt mehr die jüngsten, aber in der hier vorgestellten Form kann man sich nur wünschen, dass da vielleicht noch mehr kommt. Dass die Engländer es nicht lediglich noch können, sondern sogar auch über eine gehörige Dosis Spielfreude verfügen, machen die hier reviewten fast vierzig Minuten auf jeden Fall mehr als deutlich.
Definitiv ein Geheimtipp für alle Rocker unter uns, die ihre Beschallung etwas rauer und dreckiger, authentischer sowie herzhafter mögen!
Line-up Pink Fairies:
Paul Rudolph (guitars, lead & background vocals)
Alan 'Boomer' Davey (bass, background vocals)
Lucas Fox (drums & percussion, background vocals)
With:
Jürgen Engler (additional guitars – 2,4#, additional drums – #8, background vocals – #3,6)
Tracklist "Resident Reptiles":
- Resident Reptile
- Old Enuff To Know Better
- Your Cover Is Blown
- Mirage
- Lone Wolf
- Whipping Boy
- Monkey Chatter
- Apologize
Gesamtspielzeit: 39:51, Erscheinungsjahr: 2018
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