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Benny Andersson / Piano – CD-Review

Benny Andersson / Piano

Benny Andersson, wer war das denn noch? Ach ja, ABBA! Dadurch dürfte der am 16.Dezember 1946 in Vällingby, Stockholm, geborene Musiker bekannt sein, war er doch einer ihrer Hauptsongwriter und verantwortlich für viele Nummer-Eins-Hits. Nun präsentiert sich der Musiker von einer ganz anderen Seite, ganz puristisch, nur am Piano begleitet, führt er uns durch einen Reigen von Songs, die mit seiner Karriere unmittelbar zusammenhängen. Und das ist nicht nur die Musik von ABBA, sondern das sind auch Solostücke und solche aus dem Musical "Chess". »Eine Biografie meines Lebens«, so nannte Andersson selbst die Songauswahl.

Somit werden auch ganz verschiedene Einflüsse deutlich, die nicht nur aus Popmusik, sondern auch aus Musical, Kabarett und schwedischer Volksmusik stammen. Ehrlich gesagt, ich bin mit großen Erwartungshaltungen an die Musik dieser Platte herangegangen. Wenn man zum Beispiel bestimmte Projekte von Bands zum Vergleich heranzieht, wo man – und am besten gelingt das im Bereich Singer/Songwriter, ganz reduzierte Versionen, nur von Gitarre oder Piano begleitet – bekannte Songs neu interpretiert, dann ist es meistens erfreulich, den Kern dieser neu zu entdecken. Leider ist es mir bei Anderssons Bearbeitungen nicht so ergangen.

So dümpelt die Musik zusehends, im Verlauf der Spielzeit, zu sehr vor sich hin, ohne dass ich irgendeine Leidenschaft, ein Feuer oder Bewegung spüren würde. Spätestens, wenn man das Thema des jeweiligen Tracks sogleich erkannt hat, dann kann sich das Interesse am Spiel des Schweden schnell verlieren. Denn die Stimmung, so erscheint es zumindest oberflächlich, bleibt bei jedem Stück gleich. So stelle ich mir eine verlassene Bar auf einem Kreuzfahrtschiff vor. Der Pianist spielt gedankenverloren in Erinnerung an seine vergangene Kindheit oder versucht, sonstiges, was im Leben schief gegangen ist, mit der Musik und entsprechenden Getränken zu ertränken. Insofern strahlen die Nummern eine ganz gehörige Bandbreite von Introvertiertheit aus, als wäre der Mann mit sich selbst beschäftigt.

Dabei hatte Andersson Erfolg, viel Erfolg. Deshalb sollte er sich mit Freude und Leidenschaft an all' die hervorragenden Popsongs, die er schuf, erinnern und dieses dann bitte auch auf seinem Piano zum Ausdruck bringen. Allerdings passt die Musik dann zu dem, was er selbst zum Entstehen dieser Platte geäußert haben soll: »Ich habe es nur für mich gemacht«. Ich lasse das unkommentiert so stehen, und wer dann mit Benny eins ist, wird auf diesem Zug mitfahren können. Für mich rollt er jedoch zu langsam und zu eintönig, das ist eigentlich schade. Aber ich denke, ABBA-Fans werden die Scheibe besitzen müssen…

Ob mich die auf der neuen Ausgabe vorgestellten Bonus-Tracks umschwenken lassen? "Money, Money, Money" und "Jag Hör" stellen sich also meiner Kritik: Während der erste Titel gut zur Untermalung eines Stummfilms, der sich im Varieté-Milieu abspielt, dienen könnte, besitzt "Jag Hör" sehr romantische Züge, kommt aber ebenfalls sehr verhalten und verträumt, schööööön wie alle ähnlichen Songs. Aber vielleicht wäre das zu Hochzeiten des Labels Windham Hill mit seinen ruhigen New Age-Klängen eine gute Ergänzung des dortigen Outputs gewesen.

Im Übrigen empfehle ich, wer ein Gegenbeispiel hören möchte, von dem, was ich erwartet hätte, einmal in das Album "The Melody At Night With You" von Keith Jarrett hineinzuhören, ähnliche Stimmung, mehr Biss, mehr Feuer und Leidenschaft…


Line-up Benny Andersson:

Benny Andersson (piano)

Tracklist "Piano":

  1. I Let The Music Speak (3:33)
  2. You And I (6:43)
  3. Aldrig (4:03)
  4. Thank You For The Music (3:43)
  5. Stockholm By Night (3:14)
  6. Chess (3:56)
  7. The Day Before You Came (4:36)
  8. Someone Else’s Story (3:47)
  9. Midnattsdans (3:24)
  10. Målarskolan (2:12)
  11. I Wonder (Departure) (3:42)
  12. Embassy Lament (1:26)
  13. Anthem (3:19)
  14. My Love, My Life (3:45)
  15. Mountain Duet (4:32)
  16. Flickornas Rum (2:13)
  17. Efter Regnet (2:36)
  18. Tröstevisa (3:32)
  19. En Skrift I Snön (5:13)
  20. Happy New Year (3:13)
  21. I Gott Bevar (3:44)
  22. Money, Money, Money (Bonus Track) (2:42)
  23. Jag Hör (Bonus Track) (3:02)

Gesamtspielzeit: 82:39, Erscheinungsjahr: 2018

Über den Autor

Wolfgang Giese

Hauptgenres: Jazz, Blues, Country
Über mich: Althippie, vom Zahn der Zeit geprägt, offen für ALLE Musikstile
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Mail: wolfgang(at)rocktimes.de

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