"Wer probt, hat’s nötig", alleine schon der Titel weckt Interesse und lässt an eine Zeit denken, in der wir alle in einer positiv-arroganten Art noch die Welt – wenn schon nicht retten, dann – zumindest aus den Angeln heben wollten. Der Autor Jonas Philipps lässt mit seinem zweiten Buch die Jahre Revue passieren, als er mit seiner Band (mit dem hinsichtlich eines großen Durchbruchs eher suboptimalen Namen) Biersaufesel für ein paar Jahre durch die bayrische (ähem, fränkische, sorry) Diasporra zog, um mit Songs wie "Durchfall ohne Papier" oder "The Story Of BSE" die Herzen der Metal-Fans zu gewinnen. Die Idee zur Bandgründung kam einem Schlagzeuger (der bis dahin noch nie Schlagzeug gespielt hatte) und einem Sänger (der bis dahin noch nie gesungen hatte) selbstverständlich nach einer durchzechten Nacht im nur noch halbwachen Zustand, war aber auch in den nächsten Tagen noch in Erinnerung. Ein Gitarrist war schnell gefunden und nicht sehr viel später dann auch ein Trompeter aus der Nachbarschaft, der kurzer Hand zum Bassisten umgemodelt wurde.
Kurz gesagt: Alle vier der jugendlichen Musiker sind so gut wie talentfrei. Martin (der Macher, der Organisierte, der Mann, der die Peitsche schwingt, wenn die anderen mal wieder keinen Bock zu proben haben) hat sich zwar ein Schlagzeug besorgt, kann aber – selbst wenn sein Leben davon abhängen würde – den Takt nicht halten. Paul, anfangs Abiturient und später Student, träumt von seiner eigenen Brauerei, während er in seiner Freizeit einen Sport daraus macht, mindestens ein Bier von so ziemlich jeder fränkischen Brauerei (und da gibt es viiiiieeele!) zu testen. Innerhalb der Band hat er die Aufgabe zu singen, was ihn meistens nach relativ kurzer Zeit so heiser zurücklässt, dass er kein Wort mehr herausbekommt. Manuel ist der Bassist, der zwar ziemlich antriebs- sowie orientierungslos ist, aber immerhin spielt, wenn er spielen soll. Außerdem entdeckt er irgendwann sein Talent, völlig durchgeknallte Songtexte schreiben zu können. Und schließlich ist da noch der Gitarrist Leo, der die Riffs und Licks von Metallica-Songs irgendwie nicht so richtig hinbekommt und der obendrein ein notorisch an Einsamkeit und Unglück bei den Frauen leidender Schwerenöter ist, der die Hoffnung aber noch lange nicht aufgegeben hat. Ein ganz normal aus dem normalen Leben zusammen gewürfelter Haufen also, der die Normalität austricksen und so normal wie möglich eine Heavy Metal-Ikone werden will.
Das Buch führt also durch die Geschichte der Band sowie das Leben der vier Mitglieder während dieser Zeit und diese Lektüre hat mir doch tatsächlich oft ein breites Grinsen ins Gesicht gezaubert. Denn gewisse Dinge im Dasein einer Anfänger-Band (und ja, ich weiß wovon ich rede) scheinen so offensichtlich wie gnadenlos sehr ähnlich zu verlaufen. Da hängt im Proberaum beispielsweise immer ein weiterer Typ rum, dem ganz offensichtlich richtig gut gefällt, was da abläuft, ohne jemals Einfluss darauf zu haben. Es gibt die verpatzten Auftritte (inklusive all der möglichen und unmöglichen Dinge, die so schief laufen können), die alkoholgeschwängerten Rituale nach (und oft auch vor) einem Konzert, die großen Missverständnisse und enttäuschten Hoffnungen, aber auch die kleinen Triumphe die sich in diesem Moment als ganz große anfühlen.
Keine Frage, "Wer probt hat’s nötig" ist ein ausgesprochen kurzweiliges Buch, das beim Lesen einen Riesenspaß bereitet. Wenn es einen Kritikpunkt gibt, dann den, dass die Dialoge zwischen den Bandmitgliedern von der Wortwahl und dem Umgangston oft ziemlich hölzern und steif wirken. Vielleicht hätte diesbezüglich ein bisschen eingebrachter Dialekt oder mehr Authentizität geholfen. Auf der anderen Seite stamme ich nicht aus Franken und wenn die Menschen dort so reden, dann sei es so und dann ist auch alles in Ordnung.
Davon abgesehen gehen meine Daumen nach oben! Wer müde davon ist, ständig Rockstar-Biografien zu lesen und sich über die großen Erfolge sowie Skandalgeschichten zu informieren, der bekommt hier das Gegenstück geboten. Eine Dorf-Band ohne Talent, die einfach nur Spaß haben will und sich selbst nicht zu ernst nimmt. Eine Kaufempfehlung kann ohne den Anflug eines Zweifels ausgesprochen werden.
Seitenzahl: 296
Taschenbuch
Verlag: Books On Demand, 2018
ISBN: 978-3-75-285429-9
Preis: € 11,99
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