
»Explosiver Art Pop« lese ich. Und ja, das kann man stehen lassen. Wobei mir Underground Pop deutlich besser gefällt, denn die drei Jungs bewegen sich absolut gekonnt in zwar mehr oder weniger poppigem Umfeld, das aber auf eine Art und Weise, dass Normal-Popper Schnappatmung bekommen. Sprich: Im Radio wird man Soybomb wohl eher nicht zu hören bekommen. Aber auch in spezialisierten, bzw. in Grenzen denkenden Rockhaushalten werden es die Schweizer nicht einfach haben. Dabei sind die Zutaten ihrer Musik von der Art, dass an jeder Ecke schelmische Freude beim Hören aufkommt …
… Wenn, ja wenn man den ersten Schritt schafft und die Scheibe einfach mal laufen lässt. Wenn man als Rezensent weiß, dass der Promoter zu der Spezies gehört, die keine Allerweltsmusik betreut, wenn man die Erfahrung gemacht hat, dass der erste Schluck Wein nicht die finale Einschätzung über das Handwerk des Winzers erlauben muss und wenn man Lust darauf hat, musikalische mal die Pfade abseits des gewohnten Weges zu gehen.
Abseits der gewohnten Wege sind die drei Schweizer, die seit 2014 zusammen musizieren, selbst auch unterwegs. Sie haben die schöne Schweiz nämlich verlassen und wohnen stattdessen nun in einer WG in Berlin. Kennengelernt hatten sie sich in der Züricher Hochschule der Künste und veröffentlichten 2017 ihre EP "Plastic Festival". Danach ging es für ein paar Wochen auf Russland-Tour und dann wurde die Schweiz erobert. Wenn das Trio nun auch in Berlin wohnt, wollte man vorliegendes full-length Album doch lieber in der Schweiz aufnehmen. Man zog sich für zwei Wintermonate in ein altes Zementwerk zurück und schrieb die Songs. Im Alleingang wurden auch Produktion, Aufnahme sowie das Mixing angegangen. Alle Nummern wurden live eingespielt und ohne jeglichen Korrekturen übernommen.
Die größte Hürde in den Musik-Kosmos von Soybomb taucht gleich nach Drücken des Playbuttons auf. Irgendwie klingt das etwas muffig und leiernd. Allerdings wird diese Hürde schnell zum Türöffner, da sich die Ohren ratzfatz einjustieren, den Harmonium-Sound goutieren und sich über den Gesang freuen. Der ist nämlich, wie auch das technische Handwerk, vom Allerfeinsten. Meistens wird man an die Beatles mit einem McCartney am Micro oder an die Bee Gees denken. An die Letztgenannten besonders dann, wenn alle drei ihre Stimmbänder einsetzen. Soybomb sind falsettmäßig allerdings eine Spur tiefer angesiedelt.
An den Instrumenten leisten sie unaufgeregt Großes. Rhythmisch wird geklotzt und nicht gekleckert. Besonders den Offbeat haben sie voll im Griff und spielen ihn kompositorisch perfekt aus. Das Sammelsurium an Tasteninstrumenten sorgt für Wohlbefinden und transportiert einen, auch des Gesangs wegen, mal zurück in die Sechziger des vergangenen Jahrhunderts, um per Break im Affenzahn wieder ins Jetzt und Hier zu gelangen. Die drei Schweizer sind jung und von daher verwundert es umso mehr, mit welcher Abgebrühtheit und mit welchem musikalischen Verstand sie musizieren. Sie nutzen aber auch wirklich alle Fertigkeiten, um nicht die Spur von Langeweile aufkommen zu lassen. Harmonien, Melodien, Breaks, Bridges, Sprünge von harter zu weicher Tonart, hier schrammelige Tastenarbeit wie in alten schwarz-weiß Science Fiction-Filmen, dort Funkiges mit genau der richtigen Dosis Zappa ("Soy Bob Omb" ist da eine ganz herrliches Beispiel).
Ein besonderes Schmankerl ist der Ländler "Gruess As Läbe", vorgetragen in Schwyzer Dialekt. Und wenn ich jetzt, nach tagelangem Hören der Scheibe, an die eingangs erwähnte Hürde denke, dann klingen die Tunes nun wie ein alter Freund.
Ich komme nicht umhin, eine dicke Empfehlung auszusprechen, auch wenn ich weiß, dass es das Album schwer hat, in Rockers Ohren Gehör zu finden. Ist es dort aber einmal drin, will es nicht mehr heraus. Ich jedenfalls, stelle "Jonglage" nicht weit weg.
Line-up Soybomb:
Beda Mächler (lead vocals, guitars, lap steel guitar, percussion, backing vocals)
Andreas Achermann (synthesizers, organ, pump organ, percussion, whistling, samples, backing vocals)
Linus Gmünder (drums, percussion, backing vocals)
Tracklist "Jonglage:
- Someone’s Got The Best Of Me
- Cold Light
- Soy Bob Omb
- Loner
- Soy El Bombo Del Alma
- Sad Ice Cream
- Derelict Swing
- Headlong
- Star
- On Your Pony
- Gruess As Läbe
- Tongue-Tied
- Soy El Bombo Del Alma (Reprise)
Gesamtspielzeit: 48:36, Erscheinungsjahr: 2019
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