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Sula Bassana / Shipwrecked – CD-Review

Sula Bassana / Shipwrecked

Zum zweiten Mal packt Sula Bassana fast das gesamte konventionelle Instrumentarium in den Schuppen und stöpselt stattdessen allerlei elektronisches Equipment ein. Das hat er bereits 2010 auf "Kosmonauts" in tranciger Weise getan. Der Vorteil ist, dass man das gesamte elektronische Sammelsurium alleine bedienen kann und auf keinen Mitmusiker eingehen muss.
Ein (vermeintlicher) Nachteil kann sein, dass Vielen elektronische Musik zu kalt, zu eintönig, zu technisch, zu emotionslos ist.

Nun ja, wenn dem so wäre, hätten z. B. die (eher dem Pop) zugeneigten Kraftwerk, die 'Berliner Schüler' Tangerine Dream oder Klaus Schulze wohl niemals Erfolg gehabt. Man muss aber unbedingt Präferenzen setzten, wann, wo und wie man diese Art der Musik hört. Wie ein frisch gezapftes Weizenbier am frühen Morgen genau so fehl am Platze ist, wie eine Tasse Kakao beim Grillen, so sollte man elektronische Musik immer dann einsetzen, wenn Ruhe, Entspannung und Meditation auf der To-do-Liste stehen. Auf keinen Fall dann, wenn Stress und Ärger nach lautem Metal-Geknüppel schreien oder sentimentale Grauhaarige zu White Horses mit Bierflasche in der Hand vergangenen Zeiten mitsingend Referenz erweisen wollen.

Als »kosmische Musik« sieht Dave das Album. Und auch thematisch passt das, wenn man mal einen Blick auf die Tracklist wirft. Eher lustig (ein Smiley beendet den Satz) umschreibt er mit folgendem Text die Story:

Das Raumschiff strandet auf einem fernen Planeten und zurück bleibt ein einsamer Astronaut, der zum Glück einen Discman dabei hat, um immer und immer wieder dieses Album zu hören!

Dave schafft es, diese Story stimmungsmäßig darzustellen. Auf der "Moonbase Alpha Alpha" scheint noch alles in Ordnung, die Zeiger zeigen, die Leuchten leuchten, die Pumpen pumpen und alles geht seinen Gang. Der ist rhythmisch, ungebremst und in monotoner Regelmäßigkeit.  Anscheinend war sich die Crew einig, dass das Astronautendasein durchaus kulinarische Veränderung braucht und man sandte einen Astronauten ins ferne Nichts, um mit dem "Shushi Express"  Abwechslung auf die Teller zu bringen. Die Reise scheint nicht unbedenklich, was sich musikalisch durch einen bedrohlich wirkenden Unterton manifestiert.  Synthi-Sequenzen machen sich über der brabbelnden, tieffrequenten Gemengelage immer mehr breit und dissonanten Tönen lassen den Hörer spüren, dass sich etwas ankündigt.

Das Schiff scheint zu stehen oder zu schweben. "No Time : No Eternity" hat komplett die Fahrt rausgenommen. Schwere Tastenklänge oszillieren, eine Geige wird zu einsamen Klängen herangebeamt und nun mutiert die Nummer zu einem psychedelischen und krautproggigen Kleinod. Gerade noch geschafft, möchte man meinen, "Planeta Blur" ist erreicht und an den nun exotisch klingenden Modalitäten erkennt man, dass man ganz woanders ist. Wären wir auf der Erde, könnte man sagen, der Nord- oder Mitteleuropäer hat den tiefen Orient erreicht. Irgendetwas, das wie ein Bass klingt, scheint zu versuchen, irgendwas wieder anzuwerfen. Den Schiffsantrieb vielleicht? Da ist was im Busch, es mischt sich ab und an Hektik in den ansonsten karawanenartigen Rhythmus.

Jesses, nun ist es Fakt: "Shipwrecked". Die Musik tönt absolut traurig, verloren und hoffnungslos aus den Lautsprechern. Das allerdings in hervorragender Qualität, denn der Master-Meister Eroc zeichnet für den Klang verantwortlich. Ja, so und nicht anders muss Musik sein, die jemand hört, der einsam auf verlorenem Posten, ohne Aussicht auf Hilfe, steht. Die knapp fünf Minuten sind im wahrsten Sinne des Wortes knapp.  Da hätte ich mir gerne weiter fünf Minuten des Sinnierens, z. B. aus der "Moonbase Alpha Alpha", gewünscht.

"No Way" wird sich der Weltraumabenteurer nun sagen. Das Schiff liegt fest auf dem fernen Planeten, die schwebenden Tastenklänge entfernen sich, Vögel zwitschern aufgeregt, so als wollten sie dem Gestrandeten sagen, dass er nun dazugehört. Zu den Bewohnern dieses Planeten.

Dem ist aber die Fantasie durchgegangen, mag nun sicher mancher denken, und ja, so ist es. Diese Art Musik kann sein wie ein Buch in das man eintaucht. Ein Buch gibt in der Regel die Geschichte vor, alles andere kann sich jeder Leser nach seinem Gusto dekorieren. Und genau das Gleiche passiert bei Alben wie "Shipwrecked". Man bastelt sich die Story, ganz individuell und wenn man Lust hat, sie zu hören, dann legt man sich die Platte auf. Wie gesagt, nicht unbedingt am frühen Morgen und auch nicht beim Grillen. Wobei, Fantasie hat keine Grenzen, also tretet die Reise an, wann immer ihr wollt.

Dabei sollte man ab und an einen Blick auf das tolle, vom Nürnberger Maler Frank Lewecke stammende Coverbild werfen. Der Inspiration wegen.


Line-up Sula Bassana:

Sula Bassana/Dave Schmidt (all)

Tracklist "Shipwrecked":

  1. Moonbase Alpha Alpha (09:28)
  2. Shushi Express (10:47)
  3. No Time : No Eternity (06:19)
  4. Planeta Bur (09:14)
  5. Shipwrecked (04:43)
  6. No Way (02:57)

Gesamtspielzeit: 43:46, Erscheinungsjahr: 2016

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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