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Unmittelbar ins Herz – Zum Tod von Peter Rüchel – Nachruf

Peter Yarrow (Peter, Paul & Mary) am 7.01.2025 verstorben

Die Fragen, die man sich im Laufe seines Lebens so stellt, verändern sich mit den Jahren. War es einst beispielsweise die Grübelei über die Herkunft von Babys (»Was?? … Welcher Storch???«), so entwickelten sich mit den Jahren doch immer wieder neue Interessensgebiete. Als junger Musik-Besessener kam ich Anfang der achtziger Jahre natürlich auch unmöglich um den Rockpalast herum. Und selbst wenn ich zum Zeitpunkt der extrem kultigen Klassiker-Auftritte (Rory Gallagher, Patti Smith, Dickey Betts, Mitch Ryder, Johnny Winter, Little Feat, Frankie Miller, Mother’s Finest, Roger McGuinn und viele, viele weitere) leider noch zu jung war, erinnere ich mich noch wie heute an 'meine' erste (halbe) Rockpalast-Nacht mit The Who im Jahr 1981.

Mein Interesse war umgehend geweckt, nicht nur an der Musik und den Konzerten, sondern auch daran, wer zur Hölle es eigentlich überhaupt möglich machen konnte, solch ein starkes Programm in der ansonsten doch eher konservativen und langweiligen deutschen TV-Landschaft an den Start zu bringen. Die Antwort darauf fand ich bereits bald darauf mit dem Namen Peter Rüchel (im Team mit Christian Wagner). Der 1937 in Berlin geborene Musik-Journalist war im Jahr 1974 nach Köln gezogen, um dort den Job als Leiter des Jugendprogramms des Westdeutschen Rundfunks zu übernehmen. Kurze Zeit später traf er Wagner und die beiden entwickelten Ideen für Live-Konzerte im Fernsehen. Zunächst kleiner angelegt, sprich ein kleines Studio mit einer überschaubaren Anzahl von Zuschauern (die zeitweise blindlings von der Straße aufgesammelt wurden und in der Regel keinen Schimmer hatten, wer da gerade vor ihnen auf der Bühne stand) wurde für 1977 der erste große Coup geplant. Eine Konzert-Nacht, die zu einer noch angemessenen Uhrzeit am späteren Abend begann und ein offenes Ende haben sollte. Drei Bands sollten es sein, deren Auftritt nicht nur in Deutschland, sondern sogar weiten Teilen Europas live im TV und Radio (!) übertragen werden sollten.

Die Essener Grugahalle war restlos ausverkauft, als in dieser ersten legendären Nacht Rory Gallagher, Little Feat und schließlich Roger McGuinn’s Thunderbyrd richtig heiße Gigs hinlegten. Der riesengroße Erfolg sprach sich nicht nur in Europa, sondern sogar bis in die USA herum und nach der Premiere fanden die Rockpaläste zweimal pro Jahr statt. Rüchel und Wagner brachten Bands und Künstler erstmalig nach Deutschland, die hier zuvor die wenigsten kannten und ebenfalls achteten sie darauf, immer wieder jungen Nachwuchs-Bands mit viel Herz in den Rockpalast-Sendungen unterzubringen. Beispiele gefällig? U2 spielten im November 1981 noch vor 350 Leuten im Berliner Metropol oder R.E.M. vor 280 Interessierten in der Bochumer Zeche. Die beiden Macher der Sendung hatten also definitiv ein feines Näschen dafür, wen sie für die Konzerte einluden.

Die Ton- und Bilddokumente aus jenen Jahren sind heute ein unermesslicher Schatz und wahre Schmuckstücke im Musikzimmer der Fans. Und wer damals (außer den bereits aufgezählten) alles unbedingt auch dabei sein wollte, veranschaulicht nur mal eine kleine Aufzählung:

Grateful Dead, Tom Petty, Ian Dury & The Blockheads, Thin Lizzy, Meat Loaf, BAP, Michael Schenker, Roger Chapman, Henry McCullough, UFO, Ronnie Lane, Mink DeVille, Joe Cocker, Herman Brood, John Cale, Ian Hunter, Nina Hagen, Dire Straits und, und, und… (und ganz sicher hab' ich auch noch einige wichtige Namen vergessen).

Und selbst wenn der Rockpalast 1985 eingestellt wurde, bevor er erst zehn Jahre später wieder langsam Fahrt aufnahm und sich Rüchel 2003 aus dem aktiven Bereich des Rockpalast zurückzog, so blieb er dennoch weiterhin beratend und als Editor für die Rockpalast-DVD-Serie tätig. Im Alter von 82 Jahren ist er nun nach schwerer Krankheit verstorben. Letzten Endes kann man nur ein herzhaftes 'Danke schön' anstimmen und zu einem Lebenswerk gratulieren, das unzählige Musik-Fans sowohl inspiriert als auch begeistert hat und ganz sicher noch einige weitere Jahrzehnte nicht in Vergessenheit geraten wird. Apropos 'herzhaftes Danke schön': Peter Rüchel selbst hatte die Auswahl der Musik-Stile und Bands für die Rockpalast-Sendungen einmal so dargestellt:

»Wir suchten nach dem, was unmittelbar ins Herz traf.«

You hit the spot, Peter, rest in peace!

Über den Autor

Markus Kerren

Hauptgenres: Roots Rock, Classic Rock, Country Rock, Americana, Heavy Rock, Singer/Songwriter
Über mich
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv
News
Meine Konzerberichte im Team mit Sabine
Mail: markus(at)rocktimes.de

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