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Relinquished / Addictivities (Part 1) – CD-Review

Relinquished - Addictivities (Part 1)

Na, das hat aber gedauert – oder 'Gut Ding will Weile haben'. Damit ist gemeint, dass die Vorabsingle "Sinister Dreams" zum Album "Addictivities (Part 1)" bereits am 9. Dezember 2016 erschien. Die eigentliche Scheibe folgt nun erst im März 2019. Besser spät als nie und wenn das Ergebnis überzeugt, lohnt sich das Warten.

Doch fangen wir erst einmal von Anfang an. Relinquished wurden 2005 in Tirol gegründet. Nach einer Proberaum-EP erschien das Debüt "Susanna Lies In Ashes", gefolgt von "Onward Anguishes". Der nächste Schritt war die oben erwähnte Single "Sinister Dreams", die musikalisch ungewöhnlich ruhig war, inhaltlich jedoch "Susanna Lies In Ashes" mit "Addictivities (Part 1)" verbindet. Die Nummer deutet es schon an, es handelt sich um den ersten Teil einer zusammenhängenden Story (die drei Teile umfassen soll). Diese wird die Geschichte von dem drogensüchtigen Daniel erzählen, was wiederum die Vorgeschichte zu "Susanna Lies In Ashes" darstellt. Zum besseren Verständnis für die Zusammenhänge empfehle ich an dieser Stelle in der Meldung zu "Sinister Dreams" die Inhaltsangabe zu lesen und das Video anzusehen.

Relinquished haben sich also einiges vorgenommen – und es gelingt ihnen, das Konzept musikalisch umzusetzen. "Expectations" beginnt mit unheilvoller Flüsterstimme, bevor der Song in fast schon schwarzmetallische Gefilde übergeht. Doch auch dabei bleibt es nicht lange, es wird wieder ruhiger. Schon dieser Opener von "Addictivities (Part 1)" zeigt die Komplexität des Materials, die Emotionalität und Unberechenbarkeit. Letztere erschwert die Zuordnung zu einem Genre, die Umschreibung 'Progressive Melodic Death Metal' mag sich etwas merkwürdig anhören, trifft es aber ganz gut. Auch wenn es andere Bands gibt, die ähnlich eingeordnet werden, sind Relinquished eigenständig.

Death-Metaller, die nur Geknüppel mögen und Progger, die etwas gegen (teilweise eingesetzte) Growls haben, werden die Mischung vielleicht ablehnen, wer offen ist kann hier einiges entdecken. Manches ist aggressiv, manches finster, dann fast schon verträumt/verspielt – insgesamt wird hier das Seelenleben des Protagonisten in Musik umgesetzt; seine Zerrissenheit, seine Ängste, sein Zorn, aber auch Momente der Hoffnung. Es gibt wunderschöne, harmonische Stellen auf der CD, beispielsweise der Anfang von "Avalanche Of Impressions". Doch das ist nicht von Dauer…

"Addictivities (Part 1)" ist kein Werk, bei dem einzelne Songs herausragen oder hervorgehoben werden sollen (daher werde ich keinen weiteren erwähnen), sondern wirkt in seiner Gesamtheit. Und zwar sehr intensiv und eindrucksvoll, dabei jedoch keineswegs verkopft oder unnahbar, sondern lässt die Hörer miterleben und mitleiden. Die Reise führt nicht in eine ferne Welt oder in eine abstrakte ironisch übersteigerte Horrorstory (wie es beim Death Metal ganz gerne mal gemacht wird), sondern mitten in die Abgründe der Realität. Das Geschehen könnte quasi nebenan sein und irgendwie ist es nicht möglich, wegzuschauen bzw. wegzuhören.

'Eine Lawine von Eindrücken' ("Avalanche Of Impressions") – das trifft auf die Scheibe zu und ich hätte sie so genannt. Manche mögen sich davon erschlagen fühlen – ich bin beeindruckt.
Natürlich ist das weder eingängig noch Easy Listening, es wird eben keine Wohlfühl-Story erzählt, sondern ein komplexer Einblick in das Gemüt eines Menschen. Dieser wird schonungslos und facettenreich gezeigt, auch nach mehreren Durchläufen faszinieren mich immer noch manche Details.
'To relinquish' bedeutet so viel wie: aufgeben, verlieren, loslassen – und Relinquished ist es gelungen, den Begriff in Musik umzusetzen, dabei ein in sich stimmiges Konzept zu schaffen, in das sich auch das Artwork einfügt.


Line-up Relinquished:

Sebastian Bramböck (vocals)
Anton Keuschnick (guitars)
Simon Dettendorfer (guitars, vocals)
Dominik Steffan (bass)
Richard Marx (drums)

Tracklist "Addictivities (Part 1)":

  1. Expectations (7:54)
  2. Bundle Of Nerves (5:12)
  3. Avalanche Of Impressions (8:49)
  4. Pulse (2:15)
  5. Damaged For Good (5:18)
  6. Syringe (4:59)
  7. Zero (4:17)
  8. Into The Black (4:49)
  9. Void Of My Ashen Soul (5:05)

Gesamtspielzeit: 48:48, Erscheinungsjahr 2019

Über den Autor

Andrea Groh

Hauptgenres: Doom/Death/Black Metal, auch Post/Progressive/Pagan Metal u.a.
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