Wenn jemand aus einer langwierigen Erkrankung kommt, kann man sehr gut nachvollziehen, dass ein tiefer Wunsch besteht, sich nachhaltig in der Welt zurückzumelden. Da darf es mächtig krachen um zu zeigen: Hey Leute, ich bin wieder da! Deep Purple waren damals nicht mit Krankheit gestraft, wurden aber für ihr (eigentlich epochal vorausschauendes) "Concerto …" von den Puristen mächtig abgestraft. Man sei vom Pfad abgekommen, habe nicht mehr die Härte früher Tage. Die Jungs beflügelte dieser blödsinnige Vorwurf damals zu ihrem härtesten Meisterwerk "In Rock". Es gibt viele Motivationsmodelle, aus denen sich Energie und Power ableiten lassen.
Wie das World Wide Web weiß, hat Frontmann Tobi Glanzmann von der Schweizer Formation King Legba & The Loas eine harte Zeit hinter sich. Der Album-Titel "Back From The Dead" bekommt so eine ganz besondere Bedeutung und ist sicher als Metapher zu sehen. Und schon wieder sucht uns eine Formation heim, die in Basel ihr Domizil aufgeschlagen hat. Dort scheint eine erstaunliche Szene umtriebig zu sein, immer wieder stoße ich auf faszinierende Eidgenossen aus der Stadt am Rhein. Irgendwann muss ich dort mal hin paddeln.
Ein krachender, fast apokalyptisch einschlagender Tieftöner, pausenlos drauflos marschierendes Getrommel, das sich teilweise in wilden Kulminationspunkten selbst zu überholen trachtet und eine herrlich erdverbundene Gitarre, die auch immer wieder mal eine dreckige Slide-Einlage herausrotzt. Dazu der energetisch raue, kernige Gesang, der den Geist der Musik treffend verkörpert. Von der ersten bis zur letzten der gut 32 Minuten wird der geneigte Zuhörer durch den Raum getrieben, gibt es ein Brett nach dem anderen um die Ohren. Luft holen verboten!
Die Musik wird mit Garagen-Rock sicherlich treffend umschrieben, hat permanent starke Heavy-Ausbrüche, die am Ende aber dem klassischen Rock’n’Roll sehr nahe kommen, wenn auch auf eine äußerst brachiale Weise. Der Querverweis im Begleitmaterial auf die schwedischen Hellacopters ist durchaus begründet, wobei der King noch eine Spur rauer und bluesiger rüber kommt.
Das Album lebt von dem aberwitzigen Drive und der pausenlos vorwärts gerichteten Power, aus der immer wieder großartige sechssaitige Momente aus den Slides und Riffs herauswachsen. Gradlinige Licks voller Energie und quirliger Spielfreude wirbeln über der stampfenden Rhythmusfraktion. Vollgasmusik mit Spaßfaktor, denn die positiv aggressiven Nummern vermitteln genau die wilde und überschäumende Lebensfreude, die man vermutlich dann ganz besonders empfinden kann, wenn man 'Back From The Dead' kommt. Das reißt mit und macht happy. "Moonchild" im Mittelteil des Albums bringt das sehr schön und besonders treffend auf den Punkt und klingt für mich ein ganz klein wenig so, als ob meine alten Freunde aus Rotterdam (The Machine) an der Komposition beteiligt gewesen sein könnten. Hey, und die völlig losgelöste Solo-Nummer in "Resist The Gods" ist Gitarren-Power par excellence; gesegnete Erde, hier fliegst Du aus der Umlaufbahn, möge der heilige Plimoptimök uns gnädig sein.
Der alte Eisenbahner (der Rezensent) findet zusätzlich große Freude im abwechslungsreichen "Ghost Train". Allein die dampfig stampfende Abfahrt des geheimnisvollen Zuges in eine wüst kochende Gespenster-Welt ist eine geile Show, die dreckigen Slide-Riffs und Grooves und das bluesige Break lassen allerlei Geister vergangener Epochen in der vorbeiziehenden Landschaft erscheinen. Der Zug nimmt Fahrt auf und steuert ohne Verzögerungen im Betriebsablauf in den Zielbahnhof ein. »Sie haben Anschluss an…« – eine fetzige Nummer zwischen Boogie und Heavy-Rock namens "Voodoo Witch", kurz und knapp und auf die Zwölf.
An dieser Stelle möchte ich gerne einen Hinweis meiner Kollegin Andrea aufgreifen, der auch mit dem letztgenannten Titel in Verbindung steht, nämlich der Erforschung des für mich zunächst nicht deutbaren Bandnamens:
»Bei dem Bandnamen King Legba & The Loas musste ich spontan an Papa Legba aus dem karibischen Voodoo-Glauben denken. Dieser auch 'Herr der Wegkreuzungen' genannte Voodoo-Geist ebnet den Sterbenden den Weg ins Geisterreich (Loa) und ist für die Lebenden die Verbindung zum diesem Reich. Darauf bezieht sich wohl der Bandname.«
Andrea verweist auch auf die Fernsehserie "American Horror Story", wo die Figur des Papa Legba auch schon zu sehen war. Ein solch augenzwinkernd gruseliger Hintergrund für energetisch geladene Rockmusik, die im Stande ist, einen hohen Spaßfaktor aus der genüsslich düsteren Mystik zu ziehen, gibt auch dem Albumtitel eine zusätzliche Berechtigung und diverse Totenschädel ziehen sich wie ein roter Faden durch die bildlichen Darstellungen sowohl auf dem Plattencover als auch den Internet-Auftritt der Band.
Es wäre schade gewesen, wenn dieser Aspekt hier gefehlt hätte. Vielen Dank Andrea für den spannenden Tipp.
Live kann man nur hoffen, dass die Jungs auf der Bühne ihr Zeitmanagement im Griff haben. Ich habe beispielsweise die Truckfighters erleben dürfen, wie die nach einer knappen Stunde ungezügelten Wahnsinns aussehen und wie das Publikum zwischen Ekstase und Koma wankte. Diese Dynamik kann man in der Aufnahme trefflich kanalisieren und produzieren, während eines Konzerts sollte man allen Beteiligten ein bisschen Luft gönnen oder pünktlich zum Punkt kommen, ewig hält man dieses Tempo ganz sicher nicht durch. Selbst der (von mir) geliebte FC Liverpool wird nicht über neunzig Minuten den Gegner berennen können.
"Back From The Dead" ist ein starkes Statement einer Band, die ehrlich gradlinigen und wild ungestümen Rock aus klassischen Wurzeln mit der tiefen Würze des Stoner und den abgefahrenen Exkursen des Psychedelik-Rock zu einer wohlschmeckenden Garage-Suppe kocht. Heiß und scharf und fettig. Ein Power-Trio lässt es krachen und die weit entfernten Berge der Schweizer Alpen werfen ein schallendes Echo in alle besseren Himmelsrichtungen. Hey, wir sind »back from the dead!«
Line-up King Legba & The Loas:
Tobi Glanzmann (guitar, vocals)
Marco Grementieri (bass, vocals)
Silvio Spadino (drums)
Tracklist "Back From The Dead"
- Black From The Dead
- Ghost Train
- Voodoo Witch
- Moonchild
- Resist The Gods
- A Little Pity
- No Surprise
- Home
Gesamtspielzeit: 32:44, Erscheinungsjahr: 2019
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