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Valley Of The Sun / Old Gods – CD-Review

Valley Of The Sun / Old Gods

Ein Stoner-Album auf den Tisch gelegt zu bekommen bedeutet für mich immer eine Reise in die eigene, jüngere Vergangenheit. Diese ist untrennbar verbunden mit einigen hinreißend netten Musikern, vor allem aber den Rockfreaks in Siegen, wo ich mit einem Arbeitskollegen zusammen einst völlig unterbelichtet in dieser Art Musik so etwas wie einen neuen Horizont entdeckte. Dabei waren die Zutaten ja mehr als bekannt, speisen sie sich doch aus all dem, was uns seit unserer Kindheit lieb und teuer ist. Völlig enthusiasmiert, wie Peter Rüchel es gern nannte, sind wir damals in den Verein eingetreten. Während ich später nach dem ersten Festival der schweren Maloche wegen ausstieg und auch, um mich mehr um familiäre Belange kümmern zu können, wurde mein Kollege so etwas wie das Gesicht des Clubs. Ich sage nur recht bärtig »Viel Schpass«, Freak Valley-Besucher wissen, wer gemeint ist.

»Für mich ist "Old Gods" eine Meditation darüber, wer ich einmal war, wer ich jetzt bin und wer ich gerne werden würde«, so Ryan Ferrier, Sänger und Gitarrist von Valley Of The Sun aus Cincinnati, Ohio über die Musik auf dem neuen Album. Nun denn, hören wir rein, was er damit gemeint haben könnte:
Sanft mäandernde Gitarren, leicht hypnotisch und psychedelisch, schweben ein aus einer gleißenden Wüste, deren Hitze in immer wilderem Drumming in Heftige Riff-Gewitter ausbricht. Nun sind wir mitten drin im heftigen Titelsong "Old Gods", gleich zu Beginn dieser Reise durch sonnengebleichte Ebenen und wüste Naturphilosophien und Religionen. Bärenstarker Gesang peitscht uns durch die harten Parts, die sanfte Gitarre zu Beginn und am Ende geben ein herrliches Yin & Yang zum krachenden Mittelteil. Und wenn "All We Are" eine Art Statement der Band sein soll, dann erkennen wir erstmals, aber nicht untypisch, einen gewissen Bezug zu den Neunzigern und dem Grunge – und ja, später noch, bei dem einen oder anderen Song, vermittelt Ryan mit seinem wirklich charismatischen Gesang eine gewisse Nähe zu dem großen Eddie Vedder.

Optisch aufbereitet wird das 'göttliche' Thema durch die Verwendung Sanskrit-ähnlicher Schriftzeichen – My Sleeping Karma-Fans werden sich an diese Schreibweise gewöhnt haben. Abbildungen zeit- und ursprungsloser Gottheiten vor scheinbaren ägyptischen Zeichen, die aber irgendwie auch ein tibetisches Mandala darstellen könnten, lassen uns an Religion denken, ohne dass irgend ein Bezug zu der einen oder anderen hergestellt wird. Ich denke, das ist auch gut so. Man sollte die "Old Gods" nicht überfrachten.

Nach einem meditativem Interlude gibt es mit "Dim Vision" mächtig auf die Fresse. Das ist Heavy Rock at it’s best. Herrlich die griffig-bösen Gitarrenriffs über tiefstem Bass und wüst treibenden Schlägen. Die Abteilung Attacke hat die Band ja auch bei ihren gemeinsamen Touren mit den Truckfighters oder Red Fang das eine oder andere Mal teilen können. Das muss ziemlich laut zugegangen sein.
"Into The Abyss" ist dann wieder so ein geiler Stoner-Song wie aus dem Urschlamm der Kyuss’schen Versteinerungen. Die transzendentalen Meditationen könnten glatt bei Colour Haze entstanden sein. Die knallharten Riffs ebenso. Wer Stoner liebt, den haben sie jetzt echt bei den Eiern. Dazu dieser kernig geile Gesang – die Wüste lebt. Und sie lebt wild.

Das Thema mit den Göttern sollte man hingegen nicht allzu wörtlich sehen, zumindest nicht als ein Statement eigener Spiritualität aus einer bestimmten Richtung oder gar einer Missionierung, wie sie beispielsweise Neal Morse immer im Hinterkopf hat. Ägyptische Zeichen, Buddha und Shiva, da geht es wild durch die überirdischen Chefsessel unterschiedlichster Fraktionen. Immerhin, "Shiva Destroys", auf der Platte doch eher nur eine kürzere Überleitung, trifft den Kern des genannten Gottes, der im Hinduismus für Kraft, Männlichkeit, Potenz und Krieg steht und vor seinen Tempeln immer durch einen rudimentären Phallus dargestellt wird. Insgesamt einem Duktus, dem man heftiger Rockmusik mitunter auch unterzujubeln versucht. Cool, dass meine Nepal-Erfahrungen einmal bei einer Musikbesprechung helfen – hätte ich damals auch nicht gedacht.

"Means The Same" gibt inzwischen die erste Auskoppelung vor der Veröffentlichung ab und lockt den Betrachter eher ein Stück in Richtung Heavy Rock. Die Stärken der Platte liegen aus meiner sehr subjektiven Sicht aber in einer anderen Ausprägung. Immerhin, die Hooks schenken mir freudige Erinnerungen an alte The Machine-Tage.

"Dreams Of Sands", der Rausschmeißer, ist für mich eine der stärksten Nummern, hier greift der Gesang tief in Kisten bester und gefühlvoller Traditionen zwischen bedröhnter Reflektion und ausuferndem Wahnsinn. So wie Eddie eben. Diese Stimme nimmt mich mit, während die Riffs herrlich griffig krachen und die Bässe aus den Kellern Luzifers grummeln – und immer wieder mit diesen eingestreuten meditativen Gitarren, für die ich den Stoner so liebe. Wenn man ihn mit einem Schuss Psychedelik versetzt.

Wer die "Old Gods" aus dem Valley Of The Sun live und in Farbe erleben möchte, kann das beim diesjährigen Freak Valley-Festival in die Tat umsetzen und damit schließt sich der Kreis nach Siegen bzw. Netphen – vorausgesetzt natürlich, man hat sich rechtzeitig um ein Ticket bemüht. Die Veranstaltung ist nämlich seit Monaten ausverkauft. Schade, denn in diesem Jahr bringen sie dort auch Arc Of Ascent. Die hatte ich mir damals gewünscht, als ich nach der ersten Ausgabe der Veranstaltung 2012 noch zur Staff gehörte und jeder Mitarbeiter einen Wunschzettel abgeben durfte. The Machine und Monkey 3 waren übrigens meine anderen Nennungen (die schon längst verwirklicht wurden – Monkey 3 sogar mit LP), nostalgische Erinnerungen an eine tolle Zeit, aber auch ganz viel harte Arbeit und zwei verschobene Wirbel von der vielen Schlepperei beim Aufbau.

Und all das ist für Valley Of The Sun nur das Warm-up fürs Hellfest in Clisson, Frankreich; da stehen sie schon einen Tag später mit alten Freunden und Geistesbrüdern wie My Sleeping Karma, Radio Moscow oder All Them Witches auf der Bühne, Bands aus meinem Orbit, die ich liebe und verehre. Die Headliner stammen aus anderen Hemisphären, aber das hat uns Stoner-Freunde noch nie gestört.


Line-up Valley Of The Sun:

Ryan Ferrier (guitar, vocals)
Aaron Boyer (drums)
Chris Sweeney (bass, keys)
Josh Pilot (guitar)

Tracklist "Old Gods":

  1. Old Gods
  2. All We Are
  3. Gaia Creates
  4. Dim Vision
  5. Shiva Destroys
  6. Firewalker
  7. Into The Abyss
  8. Faith Is For Suckers
  9. Buddha Transcends
  10. Means The Same
  11. Dreams Of Sands

Gesamtspielzeit: 41:44, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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