«

»

Der C.A.S.S.R.O.L.L. / Erkenntnis – CD-Review

Der C.A.S.S.R.O.L.L. / Erkenntnis – CD-Review

Da kann man alt werden wie der Trifels und trotzdem immer wieder Neues kennenlernen. In vorliegendem Fall ist das der Musiker Reinhard Markowsy. Selbiger spielte 1966 in Nürnberg in einer Krautrockband namens Cabana, die sich zwei Jahre später in C.A.S.S.R.O.L.L. umbenannte. Wenn ihr jetzt auch in den Hirnwindungen nach Erinnerungen kramt, wird es euch gehen wie mir: Nie von der Band gehört.

Das ist aber ok, denn den Infos des Promoters nach, war die Band zwar mit »legendären Auftritten« gesegnet, aber wohl nur lokal in Nürnberg. Alles endete dann 1979, nachdem die Band ihr Album "Wie der Wind" eingespielt hatte. Es mangelte an Erfolg. Auf vorliegendem Album des 'Überlebenden Cabaners' finden sich bis auf "Atomroulett" alle Stücke der damaligen Vinylscheibe. Mit "Frieden" ist außerdem eine Nummer dabei, die nicht auf "Wie der Wind" ist.

Auch sind keine ehemaligen Bandmitglieder im Boot des neuen Werkes; Reinhard hat dafür auf Studiomusiker zurückgegriffen. Damals als Sänger in der Band, bedient er nun auch die Gitarre und er scheint sich sehr zu freuen, an die alten Zeiten anzuknüpfen. So schreibt er etwa auf seiner Website, dass er »die vergessene Legende aus Nürnberg Langwasser« sei und sein Sound ist: »echter Krautrock! 99,9% Deutsch und 100% kein Schlager«. Das mit dem Deutsch und Schlager, stimmt. Was Krautrock betrifft, ist das so eine Sache. Das ist generell so eine Sache, da das die einen an der Herkunft der Musik ausmachen, andere dagegen rein am Stil. Zumindest grob gesagt, ist das so. Ich selbst mische das gerne und zähle auch Gruppen wie Birth Control oder Epitaph zum Genre Krautrock. Andere sehen diese Musik in der härteren Rock-Ecke. Und für mich zählt auch Nektar zur Garde der Krautrocker. Nicht weil die Briten aus Deutschland heraus agierten, sondern des Stiles wegen. Schwieriges Terrain und am besten macht das jeder mit sich selbst aus. Hierzu gibt es auch einen alten Artikel aus dem Jahr 2007 vom geschätzen, ehemaligen Kollegen Norbert in unserem Archiv.

C.A.S.S.R.O.L.L. sehe ich in der Deutschrock-Schublade, allerdings durchaus mit den gewissen krautigen Zutaten an manchen Stellen. Hinzu kommt, dass das Gitarrenspiel vom Feinsten ist. Ob der Protagonist das alles selbst spielt, geht aus dem Booklet nicht hervor. Auf jeden Fall reminisziert da ein Saitenhexer bei "Frieden" stark in Richtung Stones. Auch sonst darf man "Erkenntnis" eine saubere und hervorragende Arbeit attestieren. So ist " Hexe" ein Stück, das das Etikett Krautrock zu Recht trägt, mit sehr stimmungsvoller Gitarre im ruhigen Teil.

"Wie der Wind" geizt nicht mit brachialem Deutschrock, sauberen Harmonien und hier und da gar southern angehauchten Saiten. Den Southern-Touch hören wir ebenso bei der flotten "Lady Biene", bei der auch (ja, ich lege den Fünfer ins Phrasenschwein) die Backings von 'flotten Bienen' ins Mikro gehaucht werden. Mit Purple-Drive startet der Rocker "Alkohol". Das zeigt die Klasse der Studiomusiker auf eindrucksvolle Art und Weise. Urplötzlich wechselt das Riffing in Richtung Australien, um schließlich einen Status Quo-Boogie zu zelebrieren. Das ist genial. Wenn die Musik auch gerade Lust auf ein frisch Gezapftes macht, so zielt der Text eher darauf ab, dem Stoff abzuschwören.

Die Texte … ja, da erzählt jemand aus seinem Leben. Vom Saufen, von falschen Frauen und vielen Fehlern. Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern mit der Weisheit von einem, der das anscheinend alles selbst erlebt hat. Allerdings mussten die Weichen dazu schon früh gelegt worden sein, denn die Band trat früher außer in Kneipen auch in kirchlichen Einrichtungen auf. Daher taucht schon mal der Name Jesus Christus auf. Und zwar im äußerst melodischen "Zeig uns". Dieses Stück kann ich ohne Zweifel auch dem Kraut zuordnen. Gerade (wieder) die saustarke Gitarrenarbeit begeistert ohne Ende.

Das Album macht von vorne bis hinten Spaß. Musikalisch überzeugt da alles und wenn dann textlich noch aus dem wahren Leben erzählt wird, wenn neben Jesus Christus auch vom Sauf- und Hurenbock gesungen wird, dann passt auch das.

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass Der C.A.S.S.R.O.L.L. vor zwei Jahren beim 'Deutschen Rock & Pop Preis" den 1. Platz in der Kategorie 'Bester Hard Rock-Song' gewonnen hat. Offen ist jetzt lediglich wofür die Buchstaben des Bandnames stehen. Es sollen die Anfangsbuchstaben von Personen und Orten sein, die zusammen die Lösung eines Rätsels ergeben. Mal sehen, ob sich das Geheimnis lüftet …


Tracklist "Erkenntnis":

  1. Zeig uns
  2. Frieden
  3. Hexe
  4. Wie der Wind
  5. Lady Biene
  6. Alkohol

Gesamtspielzeit: 35:13, Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
Über mich
Meine Seite im Archiv
News
Mail: ulli(at)rocktimes.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>