Es gibt viele Gründe, eine Platte zu besprechen. In diesem Falle liegt der Bekanntschaft zur Band wieder einmal ein Tipp eines geschätzten Kollegen zugrunde, der momentan ganz andere Probleme zu bekämpfen hat. Von dieser Stelle gute Genesung und danke gleichzeitig für die Empfehlung! Neben diesen sehr persönlichen Verbindungen zum vorliegenden Album haben sich bereits bei den ersten Tönen desselben, "Different Layers Of Fear", vorübergehende Backflashs an eine sehr verehrte Truppe eingestellt, die schon eine Weile nicht mehr aktiv ist, aber aus dem gleichen geografischen Dunstkreis stammt und deren Jungs offensichtlich mit den Musikern von Methadone Skies gut bekannt sind – das hab ich im vorausgehenden Schriftverkehr bereits erfahren können.The Egocentrics, alte Freunde und Wegbegleiter kommen aus Timisoara, Rumänien. Genau wie Methadone Skies. In diesem Moment wusste ich, dass ich mich mit dieser Musik näher auseinander setzen mag.
Wer seine Band nach einer Substitutions-Droge benennt, der wird in Sphären eintauchen wollen, wo der Verstand sich den instinktiven und bewusst manipulierten Sinnes-Erfahrungen ergibt – das Kerngeschäft engagierter Psychedeliker. Dass die Jungs im Opener "Where Were You When We Were Into The Void?" eine Art Zitat auf das egocentrische The Egocentrics-Zweitlings-Werk, "Center Of The Cyclone", verwenden, zieht mich sofort auf ihre Spur, aber es ist ein tückisches Angebot, hinter dem sehr viel mehr steckt als nur Erinnerung an altbekannte Freunde. Schnell wird klar, dass der musikalische Ansatz von Methadone Skies starke Bezüge zum Post Rock bzw. -Metal pflegt und seine psychedelischen Exkurse auf einer sehr kompakten Soundlandschaft aufbauen. Im ersten Song kommt das alles noch sehr gemächlich und durch den verschleppten Rhythmus und die mitunter filigranen Seitenklänge im Hintergrund ausgesprochen stoned rüber. Der Charakter der Kompositionen nimmt aber schon in "God Help Us All" einen deutlich härten Kurs. Jetzt regieren endlos aneinander gereihte Riffs und Akkorde.
Eine doomige Stimmung liegt über dem gesamten Album, die Gitarren kreieren verstörende, melancholisch düster aggressive Felder, die sich geradezu dreidimensional überlagern und in endlosen Schleifen geheimnisvoller Hooks aufbauen. Dabei entsteht ein wirklich organisch fassbarer Raum aufsteigender, aber seltsam gefangener Energie, komprimiert und fast bewegungslos. Ein Raum, der durch die repetitiven Elemente immer mehr unter Strom gesetzt wird. Das erzeugt Spannung bis in die Haarspitzen. Stoisch und unerbittlich hält die Band dieses Level, bis hin in die durch fast archaisch choral eingebrachten Tasten-Gastbeiträge, die den Song in eine höhere Sphäre der Erlösung und Befreiung führen und zu einem orchestral aufschäumenden und tief emotionalen Höhepunkt auftürmen. Stimmungsmäßig erinnert mich das an den Höhenflug in Monkey 3s "Icarus". Alles aus einem kompakten und stets bei sich bleibenden Harmonie-Gebräu bestehend, das sich stetig höher und höher empor schwingt. Eine seltsame Berührtheit erfasst mich bei dieser Intensität, die ein Merkmal des gesamten Konzepts ist.
"Focus" mit seinen klaren und irgendwie aus den Achtzigern befruchteten Gitarren schenkt uns ein wenig Gnade nach dem wilden Parforce-Ritt zuvor. Hier begegnen wir ausgeprägten postrockigen Merkmalen, wir sind in einem lässigen Flow, der uns treiben lässt. Doch schon die nächste Nummer, "Contra", scheint ihren Titel deutlich machen zu wollen, nämlich einen klaren Kontrapunkt zum vorangegangenen Song. Düster doomige Stoner-Riffs kreiseln bedrohlich um eine Bass-geprägte Grundstimmung, die von tief gestimmten Sechsaitern gnadenlos reflektiert werden. Wir befinden uns in einem dunklen Kreislauf schwerer Riffs und werden hineingezogen in eine unausweichliche Welt, die kein Erbarmen kennt. Scheinbar unendliche Akkorde und dann plötzlich herausbrechende Licks, die für einen Moment wie Blitze am Firmament erscheinen.
Dann plötzlich ein Stimmungsbreak. "Ol' Painless" mit seinem fast jazzig anmutenden Groove bringt uns auf eine beschwingte Spur und heraus aus den doomigen Keller-Szenarien. Die Lead-Guitar bricht aus dem rhythmischen Konglomerat heraus und erfindet eine stimmungs- und sehr viel hoffnungsvollere Hookline, die wieder und wieder bedient wird. Dann verdichtet sich der Song zu vorwärts treibenden Riffs voller Energie und psychedelischer Kraft. Auch hier kreuzen wir unzweifelhaft wieder die Pfade des Stoner.
Bis dahin kam Methadone Skies der Band entsprechend ohne Gesang aus, in "A Glitch Of The Sun" bemühen sie den kernig düsteren Gesang von Davide Straccione, der mich ein wenig an meinen alten Freund Diego Bizarro von Ivy Garden Of The Desert erinnert. Hier und da erfährt die Nummer dadurch einen Touch Grunge und Davides markante Stimme passt perfekt in die Grundstimmung des Songs. Die elementaren Lines entwickeln aus der Power der Gitarren und dem geilen Gesang einen ungeheuren Flow. Der verstärkt sich nur noch mehr, wenn das Stück in einem Break das Tempo markant zurücknimmt und die intensiven, aber nun dezenten Saitenklänge mit einer gebremsten, doch tief emotionalen Stimme in ein reflektierendes Zwiegespräch eingeht. Der Power-Booster wird alsbald wieder aufgedreht und die kompakte Soundwand kommt über mich wie ein Tsunami. Dann verliert sich das Tempo und der Song nimmt einen herrlich ausdriftenden Ausklang. Eine geile Nummer.
Letztlich werde ich wieder an meine ursprüngliche Bezugsquelle zurückgeführt. Wie auch auf dem Album "The Center Of the Cyclone" von The Egocentrics bildeten das erste und letzte Stück für mein Empfinden eine Art sinnige Klammer, wenn mit "Manos" zunächst das meditative Thema aus dem Opener aufgenommen wird, um es über mehr als eine Viertelstunde durch eine wilde Achterbahnfahrt der Riffs zu treiben. Im Hintergrund werden vermehrt Keyboardklänge des Gastmusikers Marius Muntean eingeflochten. Wieder sind es scheinbar endlose Postrock-artige Kreise, die die Atmosphäre anheizen, bis wüste Riffs in die Sphalanx einbrechen und abermals Bezüge zum Stoner zulassen. Die Band zelebriert zurückgenommene Momente und wilde Freak Outs und erzeugt damit eine spürbare Hochspannung.
Das geschickte Spiel mit energetischer Intensität zwischen sich immer und immer wieder wiederholenden Klangkreisen, den aufgeschichteten Soundtürmen, stets gebremst durch faszinierend psychedelische Breaks und das Spannungsfeld zwischen einer Art Post Metal und düsterem psychedelischen Stoner verschaffen dem Zuhörer tatsächlich einen bewusstseinserweiternden Trip, der allein und ganz ohne weitere Zufuhr sonstiger Substanzen wie eine substituierte Droge wirken kann.
Ich erinnere mich an Brenn, denn Gitarristen der Egos, der mir mal nach einem Konzert einen Joint angeboten hat. »Nein mein Freund, den brauch ich nicht. Meine Droge wart Ihr eben auf der Bühne« hab ich damals gesagt.
Methadone Skies rocken das Kleinhirn, sie dringen bis tief in die letzten Hirnwindungen ein und kapern den Verstand der willigen Opfer für eine gute Stunde. Aber von diesem Trip erwacht man befriedigt und entspannt und ohne Nebenwirkungen. Musik, die den Geist freilegen und die verschiedenen 'Schichten der Angst', wie das Album auf Deutsch heißt, kanalisieren und damit besiegen kann. Ziemlich geil für eine kleine Kombo aus Timisoara.
Line-up Methadone Skies:
Wehry (guitar)
Mihal (bass)
Retea (drums)
Casian (guitar)
Guests:
Marius Muntean (additional keyboards, synthesizer)
Davide Straccione (vocals – #6)
Tracklist "Different Layers Of Fear":
- Where Were You When We Were Into The Void?
- God Help Us All
- Focus
- Contra
- Ol' Painless
- A Glitch In The Sun
- Manos
Gesamtspielzeit: 71:41, Erscheinungsjahr: 2019
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