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Monkey 3 / Astra Symmetry – CD-Review

Eine der schwierigsten Reviews meiner jüngeren Vergangenheit könnte diese werden. Monkey 3 haben bei mir einst einen mystisch religiösen Rang eingenommen, hat doch ihr unvergleichlicher Song "Icarus" mich damals in der dunkelsten Phase meines Leben wie eine Hymne zurück ins Licht geführt. Das mag bescheuert und pathetisch klingen, doch wer mit einem Schlag beinahe seine gesamte Familie verliert, vor einem vorher unvorstellbaren Abgrund steht und dann mit einem mal zurück findet, begleitet von eben diesem einzigartigen Stückchen Musik, der wird fortan alles Mögliche sein. Nur nicht wirklich objektiv, wenn es um die Helden der eigenen Erlösung geht.

Doch auch ich bin ein Mensch mit Träumen, Vorlieben, Erfahrungen und Erwartungshaltungen. Und von Monkey 3 habe ich wohl ein ewig währendes Wiederkehren von "Icarus" und "Jack" erhofft.

Davon musste ich mich lösen. Doch nicht so weit, wie ich dachte …

Der Stilwechsel vom Schwerpunkt Stoner Rock hinüber in ein ambitioniertes Ambient mit allerlei progressiven Experimenten ist gleich zu Beginn unverkennbar, wenn ein orientalisch verfremdet anmutender Klangteppich ganz allmählich in den Sphären erwächst. Und Boris' Stimme erklingt. Ja, Monkey 3, die klassische Instrumental-Band bedient sich diesmal einiger Gesänge.

Die immer bedeutsamer werdende Rolle von Guillaume, genannt DB, an den Keyboards führt zwangsläufig zu einer veränderten Ausprägung der Kompositionen, einem veränderten Klangbild. Aber in Zeiten, wo so vieles nicht mehr planbar und vorhersehbar ist, da gibt es zum Glück für uns Gewohnheitsmenschen noch Konstanten, an denen wir uns orientieren und festhalten können. Und, was für ein fantastisches Glück, im Fall von Monkey 3 ist das die unvergleichliche Monster-Gitarre von Boris, einem unglaublichen Instinkt-Musiker zwischen melodiöser Phrasierung, alternativ hypnotischen Akkorden und einer Bauch gesteuerten, intuitiven Improvisation. Sein geslidetes Solo am Ende von "Abyss" erinnert übrigens stark an Ritchie Blackmore, wenn er in "Stargazer" den Turbo zündete.

Nach meinem ersten Kontakt zum neuen Werk sah ich meine Idole zunächst schwinden, spürte ich doch einen Drift in Richtungen, die ich nicht verstand. Wo waren diese aberwitzigen Steigerungsläufe, die ich von den alten Platten kannte und liebte? Diese hypnotischen Rhythmus-Monster, die uns in den Wahnsinn treiben konnten?

Inzwischen habe ich das Album ein paarmal komplett gehört und mir ist endlich ein Licht aufgegangen, was meine alten Freunde da getan haben. Gar so weit, wie ich zunächst dachte, haben sie dabei den Pfad des dritten Affen gar nicht verlassen. Darum bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass die kommende Live-Tour eine unverzichtbare Gelegenheit sein wird, den unverkennbaren Schritt in ihrer musikalischen Entwicklung nachzuvollziehen. Eben dann, wenn sie die neuen Kompositionen neben die großen Klassiker stellen. Dem Herrn des Rock’n’Roll sei gedankt, dass ich irgendwann den Kompass zu "Astra Symmetry" gefunden habe.

Das Konzept des Albums erinnert vom Titel an eine Scheibe der alten Krautrocker von Jane namens "Fire, Water, Earth And Air". Weitere Gemeinsamkeiten gibt es nicht, aber der progressive Charakter, den ich bei Monkey 3 schon immer so sehr geliebt habe, bekommt durch dieses gesamthafte Konzept neue Nahrung. Kurz gesagt geht die Band mit der 'Astralen Symmetrie' den Konstellationen der Sterne und der Tierkreiszeichen nach und widmet den Elementen Wasser, Luft, Erde und Feuer jeweils einen Zyklus, bestehend aus drei Songs.

So wechseln sich ambiente Klangmalereien mit Riff getränkten Exkursen regelmäßig ab und legen das Fundament für die herrlichen Improvisationen auf der Gitarre. Boris in Höchstform, wenn er Dir die Licks am Ende des "Endless Ocean" um die Ohren haut. Und auch später immer wieder. So wurde er einst zu einem meiner Lieblings-Musiker.

Damals, im Rockhouse Salzburg, unterhielten wir uns nach dem Gig über die irre Version meines seinerzeitigen Lieblingssongs "Jack". »Ach Michael«, sagte Boris damals lachend, »beim Picasso (damaliger Bass-Mann) ist auf einmal der Bass ausgefallen, da hab ich einfach ein bisschen improvisiert«. Was er da ein bisschen improvisiert hat, kann man bei Youtube nachhören, ein Stück Musikgeschichte, bei dem mir heute noch die Gänsehaut den Rücken runter läuft. Und morgens um fünf gab es dann Suppe mit Kaspressknödel, ein schräges Ritual, welches ich gern mal im Zusammenhang mit dem Salzburger Tempel der gesitteten Rockmusik an anderer Stelle zum Besten geben werde.

Zu Beginn des "Air"-Zyklus kommt dann in "The Water Bearer" eine hinreißende Reminiszenz an die früheren Songstrukturen mit einer psychedelisch geladenen Gitarre, die fesselnd mit ihrer eigenen Intensität spielt. Fast so wie früher.

Wenn dann wieder in die sphärischen Sternenerkundungen abgedriftet wird, kommen in mir Erinnerungen an Eloys "Ocean" auf. Tatsächlich, hier ist eine Art Seelenverwandtschaft zu den alten Krautrockern durchaus festzustellen, ein schöner Zug für eine ansonsten sehr Zeit gemäß wirkende Musik. »Was in den Tiefen des Ozeans beginnt, steigt irgendwann auf in dünne Luft, erlangt irdisches Bewusstsein, um im heiligen Feuer zu verbrennen«. Das klingt fast wirklich wie ein alter Eloy-Text zu "Atlantis Agony", ist dabei aber nichts anderes als Monkey 3s Statement zum Konzept von "Astra Symmetry".

Für "Dead Planets Eyes" im "Earth"-Teil hat man einen Gast-Sänger verpflichtet, was mich daran erinnert, dass mein alter Spezi Diego Bizarro von Ivy Garden Of The Desert tatsächlich einst bei Monkey 3 vorgesungen hat. Diego ist ein genialer Sänger für Stoner und Doom (und auch ein toller Gitarrist), für die progressiv psychedelische Ausprägung der Jungs aus Lausanne wäre es vermutlich keine so gute Idee gewesen.

Und wenn ich nun im dritten oder vierten Durchlauf mit "Arch" in den letzten, feurigen Themenkreis der 'astralen Symmetrie' eintrete, dann finde ich auch meine heiß geliebten, alten Strukturen vor: Einkreisen, einnehmen, steigern bis der Arzt kommt – so einfach war das Programm einst gestrickt und ab und an schenkt uns die Band solche 'Deja Vu’s'.

Die Welt steht im Wandel und jeder muss sich gelegentlich selbst auch in Frage stellen können. Was die Musik anbetrifft, dachte ich eigentlich, dass Monkey 3 in diesem Kontext mir wohl eine schwierige Aufgabe stellen würde.

Schlussendlich haben sie das nicht, sie überzeugen mich stattdessen mit einer wunderbaren Parabel auf die Freude an Vergangenem und die spannende Erwartung für die Zukunft. Sie verbinden Innovation auf dem Boden großartiger Tradition, weniger Stoner, aber immer noch jede Menge Riffs. Dafür ein Stück weit mehr psychedelischer Prog und spaciges Ambient.

Mit jedem Durchgang durch ihr neues Album begreife ich mehr und mehr, wie glücklich ich mich schätzen darf, ihre Karriere nun schon seit vielen Jahren hautnah begleiten zu dürfen. Monkey 3 sind wohl immer noch eine Band des Undergrounds, aber die, die sie kennen, sprechen von ihnen wie von ganz Großen.

Ich weiß, warum.

Und der "Icarus" wird fliegen bis zum Ende meiner Tage – Absturz ausgeschlossen.


Line-up Monkey 3:

Walter (drums)
Kevin (bass)
Boris (guitars, vocals)
DB (keyboards, guitars)
Tony Jelenovich (vocals – #7)

Tracklist "Astra Symmetry":

  1. Abyss
  2. Moon
  3. Endless Ocean
  4. The Water Bearer
  5. Crossroad
  6. Mirrors
  7. Dead Planets Eyes
  8. Seeds
  9. Astraea
  10. Arch
  11. The Guardian
  12. Realms Of Lights

Gesamtspielzeit: 68:33, Erscheinungsjahr: 2016

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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