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The Pool / Smokescreen – CD-Review

The Pool / Smokescreen – CD-Review

Das ist wieder eine der Platten, die man erst mal argwöhnisch anschaut und überlegt, wieso man so etwas zur Rezension geschickt bekommt. Aber die furchtlose Promoterin weiß, dass die Acts im Portfolio durchaus Chancen haben, in einem Magazin besprochen zu werden, das zwar RockTimes heißt, ansonsten aber das Motto »Nimm dir Zeit für gute Musik« auf den Fahnen stehen hat.

Und gute Musik gibt es selbstverständlich auch in allen Genres, die je erfunden wurden. Na gut, so ein paar wenige Sparten will ich dann doch ausklammern, aber The Pool gehören definitiv nicht in die Klammer. Dabei sind die Infos des Waschzettels allerdings erst mal geeignet, den oben erwähnten, argwöhnischen Blick im Gesicht zu installieren.

»Pop Adult-Drum’n' Bass-Afrobeat-Space-Cumbia-Dub-Ambient-Disco Fox-Industrial« ist als Rezeptur angegeben. Cumbia musste ich übrigens ergoogeln. Das muss man dann einfach erst mal so stehen lassen. Das zweite, was mich an meiner Eignung als Rezensent zweifeln ließ, war der Satz, dass die Band Teil der Berliner Clubszene sei und diese nun in der Tat nicht meins ist.

Aber nach den ersten Takten bewahrheitet sich die alte Weisheit, dass man ein book nicht nach dem cover judgen soll. Man könnte nicht zu Unrecht den Leuchtturm aller Psychedelica zu der Musik auf "Smokescreen" anzünden: die Lavalampe. Allerdings ist das meilenweit von dem üblichen Psychedelic Rock entfernt. Wenn auch Gitarre und Schlagzeug als Instrumente im Line-up auftauchen, sollte man keine ausgewiesenen Einsätze erwarten. Vielmehr tauchen sie als begleitendes bzw. rhythmusgebendes Beiwerk neben allerlei Elektronik auf.

Stilistisch atmet das alles erst mal jede Menge Indie-Luft sowie Trance-Jam-Ingredienzen. Den relativ kurzen Nummern (die komplette Album-Spielzeit ist gerade mal eine gute halbe Stunde lang) merkt man an, dass da live viel mehr herauszuholen ist. Und das scheint auch so zu sein, wenn man liest, dass die Band live »eine Urgewalt der sanften und kraftvollen Energie« ist. In der erwähnten Berliner Clubszene eröffnen sie normalerweise die Nächte und sorgen so dafür, dass die Clubbesucher auch mal sehen, dass Musik nicht unbedingt vom Plattenteller kommen muss. Die Mischung der Kompositionen ist derlei, dass man Soundtrack-geeignetes (z. B. "Krystalite") zum dystopischen Filmgenre beisteuern kann und solche Stücke auch problemlos zum in-Trance-versetzen der Tanzbodenbesucher taugt. Letzteres kann – etwas flotter –  "Awake Awake" besonders gut. Hypnotisch brummt und drumt das Stück in einer Art Space-Trance durch leider viel zu wenige Minuten. Im Verbreiten dieser Stimmungen und Soundcollagen sehe ich die Stärke von The Pool. Das muss die heilige Messe in den Berliner Szenekellern sein.

"Talk About Whatever" ist für die Lavalampe etwas zu hektisch und zu Indie, zeigt aber, wie verzweigt The Pool unterwegs ist. Unterschwellig kommen mir da Prodigy in den Sinn. "Anemoi" dagegen glänzt in feinstem Ambient und verbreitet wohlige Stimmung. Dezente Elektronik zu fast gehauchten Vocals, damit kann man Punkte sammeln. In diesem Wechsel geht es durch die 35 Minuten, die trotz einiger Aussetzer im Stromnetz die Lavalampe gut am Leuchten halten. Die Mischung aus Ambient, dystopischem Indie Rock sowie tranceartigen Elektro-Jams kommt gut, kann die volle Wirkung wegen zu kurzer Tracklängen aber zumindest auf Platte nicht adäquat entfalten.

Leider ist nicht viel über die drei Protagonisten im Netz zu finden. Immerhin sind sie mindestens seit neun Jahren am Werkeln, hatten sie doch 2010 eine EP mit sechs Stücken am Start und 2015 mit "Repetitions" auch ein Full length-Album. Es wird auch eine Tour durch Skandinavien erwähnt, was daran liegen mag, dass Martin Bernt Däne ist. Das erklärt darüber hinaus, wieso trotz Mitwirken in der Berliner Clubszene das Label der Band in Kopenhagen angesiedelt ist.


Line-up The Pool:

Martin Bernt (Gesang, Effekte)
Tim Clark (Gitarre)
Josh Snow (Elektronik, Schlagzeug)

Tracklist "Smokescreen":

  1. Woow
  2. Krystalite
  3. Awake Awake
  4. Talk About Whatever
  5. Anemoia
  6. Make No Mistake
  7. Ghosts
  8. Smokescreen
  9. Office Thirtynine
  10. Mock Up

Gesamtspielzeit: 34:45 , Erscheinungsjahr: 2019

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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