Eine Nachschau fast ohne Musik
Wenn dieser Tage der Rock-Begeisterte in der Euregio an den vielen Veranstaltungsplakaten vorbeigeht oder die Hinweise in den einschlägigen Zeitschriften und im Internet durchliest, dann wird bei dem einen oder anderen etwas Wehmut aufkommen. Es ist nämlich die Zeit im Jahr, zu der allerorts eine Ankündigung der seit vielen Jahren etablierten Schlüsselloch Rocknacht zu erwarten wäre. Diese typischen hochformatigen, schmalen, zweifarbigen Plakate, die sonst überall zu sehen wären. Wäre, wären, denn es gibt sie nicht mehr, die Schlüsselloch Rocknacht – nach der 50. Ausgabe war Schluss.
Schluss mit in die Kappertz-Hölle ziehen, Schluss mit regionalen Bands lauschen, Schluss mit Neues entdecken, Schluss mit Bier trinken und abrocken! Der Schaffer und Macher hinter der Rocknacht, Aachener Szene-Urgestein Herbert Senden, hat den Stecker gezogen. Keine Frage, nach fünfzig Ausgaben der beliebten Veranstaltungsreihe auch durchaus nachvollziehbar. Sein 'partner in crime' der ersten Stunde, Saalbauinhaber und nicht weniger Urgestein, Peter Kappertz, macht den nicht minder beliebten Laden zwar nicht zu, aber eine Schlüsselloch Rocknacht gibt es nur mit Herbert, Punkt.
Und wieder ist mit dem letzten Halali ein Stück Aachener Rock- oder besser einfach Musik-Geschichte gestorben. Senden zeichnete viele Jahre u. a. auch für ein kostenloses aus der eigenen Tasche finanziertes eintägiges Open Air-Festival verantwortlich, das jedes Jahr in einem Park stattfand und das von der verkrampften Aachener Verwaltung mit unerfüllbaren (oder unbezahlbaren) Auflagen buchstäblich vor die Wand gefahren wurde. Man veranstaltet ja schließlich eigene, städtische Musik-Events… honi soit qui mal y pense.
Bevor nun aber der letzte Ton der letzten Band erklang, hatte man sich für das goldene Jubiläum etwas Besonderes ausgedacht: Die Rocknacht fand nämlich ausnahmsweise an zwei Abenden statt. Der Freitagabend war unter dem Motto 'Aus’m Keller' dafür gedacht, lokalen Bands den Zugang zu einer etwas größeren Bühne zu geben. Backline und Drums stehen, die Musiker bringen ihre Gitarren mit, kurzer Line-Check, drei Songs gespielt und Platz machen für die nächste Truppe. Ein toller Gedanke, der genau das widerspiegelt, was Herbert Senden viele Jahre zu seiner Triebfeder gemacht hat, nämlich auch und immer wieder jungen unbekannten Musikern Gehör zu schenken.
Sonnabend dann alles wie gewohnt, oder eher nicht. Die Bude war voll, viele Rocker der ersten Stunde, manch einer, der bei einer der früheren Ausgaben selber schon auf der Bühne gestanden hat oder in Sendens Kultkneipe 'Schlüsselloch' oder beim Open Air oder, oder, oder. Frühere Mitglieder von Sodom, die auf der ganzen Welt getourt sind, waren genauso zu sehen, wie rein regionale Hobby-Mucker und auf dem Parkplatz standen mehr Autos aus anderen Kreisen Deutschlands als solche mit Aachener Kennzeichen. Und drinnen wurde die Musik für mach einen Gast fast schon zur Nebensache. Lange nicht gesehene Freunde und Kollegen galt es zu begrüßen, genauso wie Herbert und Peter den Dank für ein so überaus dankenswertes Engagement auszusprechen.
Natürlich aber ging es auch um die drei Bands, die für den Sonnabend auf dem Zettel standen. Wie schon ein paar Jahre zuvor, hatten sich The Jägs, die Brüder Jägers angekündigt und konnten einmal mehr mit ihrem Hard Rock in einem knackigen Set überzeugen. Sie hatten ihr aktuelles Album mit am Start und davon wurde natürlich auch der eine oder andere Song vorgetragen.
Unmittelbar darauf folgte die ebenfalls aus Aachen stammende Truppe Grey Attack, die gerade ihr neustes, sehr respektables Werk "Grains Of Sand", übrigens auch in Aachen produziert (von Frank Sturmvoll, u. a. And Then She Came), vorstellen konnten. Mit Bonfire, Anvil oder auch Y&T konnte man sie touren sehen und demnächst soll es wieder mit den Japanern von Loudness auf die Bühne gehen. Der aktuelle Terminplan weist neben einigen niederländischen Dates auch eine Schow im belgischen Bilzen aus – nicht weit von der Grenze…
Den musikalischen Abschluss boten dann die Dashboard Angels, deren Sänger/Gitarrist Skoop bereits bei der ersten Rocknacht überhaupt mit von der Partie war und bei nachfolgenden Veranstaltungen auch immer wieder aufgetreten ist. Ein zweiter Gitarrist, der Bassmann sowie zwei Schlagzeuger komplettierten die Runde und sorgten für ein gefälliges Potpourri handgemachten Rocks. Das Publikum dankte es jedenfalls mit mächtig Applaus und den Rufen nach Zugaben.
Wer meinte, mit dem Leerräumen der Bühne sei dann Schluss gewesen, der hat sich mächtig geirrt. Stundenlang wurde in, zugegebenermaßen immer kleiner werdender Runde noch lange mit den beiden eigentlichen Protagonisten des Abends, Herbert Senden und Peter Kappertz, erzählt und getrunken. So manch Anekdote aus den Anfängen der Rocknächte wurde zum Besten gegeben, Stories von Musikern, von Ärger unter Bikern, der auf charmante Aachener Art vor der Tür geregelt wurde und noch viel mehr. Eine 'kleine' Wertschätzung zum Aufhängen gab es dann auch noch aus dem Freundeskreis in Form je einer toll gemachten Plakette mit dem Dank für fünfzig Rocknächte.
Gäbe es einen offiziellen Kulturorden, diese beiden hätten ihn wahrlich verdient – aber wahrscheinlich würde den eh wieder nur irgendein Dezernent aus der Verwaltung bekommen, der einfach nur seinen öffentlichen Auftrag erledigt.
In diesem Sinne tausend Dank für Euer Engagement und Euren Verdienst um die Musik!
Es wird ja immer noch gehofft, dass wir doch eines Tages noch etwas zu sehen oder zu hören bekommen…
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