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Arena / XX – DVD-Review

Was macht man so, wenn man eine Band ist und XX Jahre alt wird? Arena so: 'Wir machen eine Live-DVD und nennen sie "XX". 'Nötig' gewesen wäre sie wohl noch nicht. Erst 2013 gab es schließlich mit Rapture ein Bild- und Tondokument mit dem seinerzeit aktuellen Album "The Seventh Degree Of Separation" im Gepäck. Und nun verewigt sich die nach dem zweiten Album mit (Nicht-mehr-ganz-)Neu-Sänger Paul Manzi bereits zum zweiten Mal auf DVD. Neu-Basser Kylan Amos, den sehen wir allerdings zum ersten Mal. Allein das wäre schon Anlass und Grund für dieses Live-Dokument. Aber es gibt noch mehr.

Mit dem Opener des aktuellen Albums "The Unquiet Sky", "The Demon Strikes" ziehen die Briten den Zuschauer sofort in ihren Bann. Mystisch, dramatisch, theatralisch – das können sie. Dazu ein beschwörendes Mitteltempo und die schummrig-violette Beleuchtung – passt. Es folgt mit "Rapture" ein Stück von "The Seventh Degree Of Separation", ein Orgel-beladener Stampfer mit all seiner bombastischen Schwere und doch so viel kleinteiliger Dynamik, besonders im Zusammenspiel von Marillion-Mitgründer Mick Pointer am Schlagzeug und John Mitchell an der Gitarre.

Selten erlebt man es, dass nicht etwa Band-Klassiker, sondern zwei eröffnende Stücke der aktuellsten beiden Alben derart zünden – bei den Augen- und Ohrenzeugen vor Ort und auch beim zeitversetzten Genuss auf der heimischen Couch. Wer Sänger Paul Manzi noch nicht kannte: Der Mann (zuvor u. a. in der Oliver Wakeman Band) passt. Mit Hut und Brille ist er nicht viel weniger clownig unterwegs als sein Vorgänger Rob Sowden, aber im Endeffekt kann er es sich 'besser leisten'. Denn er ist der wesentlich bessere Sänger. Wenn er bedeutungsschwanger gestikuliert, lebt er das, was er da singt, sehr glaubhaft mit. Gleichzeitig wirkt er nahbar und sympathisch.

Sympathisch ist auch die weitere Songauswahl des Briten-Fünfers. Klassiker wie das hypnotische "Crack In The Ice" und natürlich der Longtrack "Solomon" vom 95er-Debüt "Songs From The Lions Cage" sind Pflicht. Und trotzdem kommen Songs wie "Bedlam Fayre" aus der (nennen wir es mal) 'Threshold-Phase' der Band (Pepper’s Ghost, 2005) oder auch das quicklebendige Instrumentalstück "Riding The Tide" von "Contagion" (2003) nicht weniger gut an. Eine tolle Überraschung ist der 20-Minüter "Moviedrome" ("Immortal?", 2000), der, wie uns erklärt wird, 'eigentlich' nie für eine Live-Performance vorgesehen war und gerade deshalb so schön komplex ist – eine Wundertüte mit allem, was Arena so großartig macht.

Genau dasselbe können auch die insgesamt vier Titel vom aktuellen Album – auch durch die aktuellen Nummern wird "XX" also zu wesentlich mehr als einer bloßen Werksschau zum runden Geburtstag. Über die obligatorische Abschlussparty in Form von "Crying For Help VII" lässt sich natürlich trotzdem nicht streiten. Die Kulisse im "Kinoteatr Rialto" von Katowice ist nicht ganz so verführerisch wie noch bei der Vorgänger-DVD "Rapture", die im Wyspianski-Theater aufgezeichnet wurde; dennoch erschaffen die Verantwortlichen fürs Optische auch dieses Mal mit roten und blauen Farbsphären eine düster-subversive Atmosphäre, die bestens zu Arena passt.

Lediglich das Bonusmaterial ist nur etwas für Hardcore-Fans. Die Interviews mit Mick Pointer und Clive Nolan versprühen doch einen all zu … nennen wir es mal 'authentischen Low-Budget-Charme'. Pointer erzählt ein bisschen vom ersten Treffen mit Nolan; Nolan weiht uns in die literarischen Hintergründe des aktuellen Albums ein, das auf "Casting The Runes" von M.R. James basiert. Unterm Strich bleibt eine DVD, um die Arena-Fans trotz bester medialer Versorgungslage mal wieder kaum drumrumkommen dürften.


Line-up Arena:

Paul Manzi (vocals)
John Mitchell (guitars, backing vocals)
Clive Nolan (keyboards, backing vocals)
Kylan Amos (bass, backing vocals)
Mick Pointer (drums)

Tracklist "XX":

  1. The Demon Strikes
  2. Rapture
  3. Double Vision
  4. Crack In The Ice
  5. Moviedrome
  6. How Did It Come To This?
  7. Butterfly Man
  8. Bedlam Fayre
  9. Serenity
  10. The Unquiet Sky
  11. Traveller Beware
  12. The City Of Lanterns
  13. Riding The Tide
  14. Hanging Tree
  15. The Tinder Box
  16. Solomon
  17. Don’t Forget To Breathe
  18. Crying For Help VII

Gesamtspielzeit: 115:28, Bonusmaterial: 26:52
Erscheinungsjahr: 2016

 

Über den Autor

Boris Theobald

Prog Metal, Melodic Rock, Klingonische Oper
Meine Beiträge im RockTimes-Archiv

Mail: boris(at)rocktimes.de

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