Kann schon sein, dass ich mich bei Robert Jon & The Wreck im vollkommen falschen Film bewege, aber nach ca. zehn vergnügten und verzückten Durchläufen des neuen Albums "Good Life Pie" hatte ich – trotz einiger deutlicher Querverweise – nie speziell an das Genre Southern Rock gedacht. Wie ich drauf komme? Im Nachgang habe ich mir das Review meines Ex-Kollegen Steve zu dem Vorgänger-Album Glory Bound (dort deutlich als Southern Rock definiert) durchgelesen und dann auch mal in den Promozettel reingeschaut, in dem auch ständig auf diesen Stil verwiesen wird.
Robert Jon & The Wreck stammen aus Südkalifornien und das mag diesbezüglich einiges Licht ins Dunkel bringen. Die Band klingt nämlich tatsächlich nicht wirklich nach Alabama, Florida oder den Carolinas. Dazu mag kommen, dass die aktuelle Scheibe sich eventuell wieder anders als die vorherige (mir nicht bekannte) anhört. Für meine Ohren ist das Material auf "Good Life Pie" klassischer amerikanischer Rock der obersten Qualitätsstufe mit sehr starkem Songwriting, klasse Gitarrenarbeit, ganz feiner Tastenzauberei und einem sehr effektiven Sänger. Und diese Melange führt dann zu einer großen Scheibe.
Ganz sicher sind die Southern-Einflüsse – wie etwa ein deutliches Kopfnicken an die Black Crowes oder das sehr stark an die Allman Brothers Band erinnernde Instrumental "Tightrope" – nicht von der Hand zu weisen, ansonsten regieren jedoch Good Time Rock’n’Roll sowie erstklassige… Balladen, wenn man so will. Die mitreißendste Nummer der Scheibe und mein absoluter Favorit ist der Titelsong, der durch klasse Melodien, jede Menge Power und unwiderstehliche Party-Laune verzückt. Gefeiert werden die kleinen Sünden sowie die unumstößliche Einstellung, sich auf die schönen Stunden im Leben zu konzentrieren und den Rest lediglich als notwendiges Übel zu betrachten. Denn wie wir wahrscheinlich alle mittlerweile wissen, haben Hürden, Fallen und weitere Probleme die unangenehme Eigenschaft, sich sowieso erschreckend hartnäckig einzuschleichen.
Bereits direkt im Anschluss folgt mit "The Death Of Me" ein wunderschöner (fast-) Akustiksong, der die melancholischeren Stunden, Selbstzweifel und auch die Nachwehen so einiger wild durchgefeierter Nächte thematisiert. Ebenfalls ganz groß, denn Robert Jon & The Wreck wissen eben, wie man coole und effektive Tracks schreibt. Nochmal so richtig fett gerockt wird bei "What Do You Say" (mit groß auffahrendem Refrain und fetten Background Vocals) sowie dem Opener "Rollin'", der durch ein feines Gitarrenriff und anschließend einsetzendem Honky Tonk-Piano stante pede den richtigen Ton für die Scheibe setzt.
Rockig-stampfend scheint "Bad For You" diese Schiene genau so weiter zu fahren, entpuppt sich aber als etwas langsamerer Groover, der immer neugieriger auf die Band macht. In dieses Bild fügt sich auch "Hey Hey Mama" (und hier scheinen die Black Crowes am meisten durch) ein. Irgendwo im Midtempo-Bereich angesiedelt, gesegnet mit einer perfekten Bridge und nicht ganz leugnen kann man auch noch ein paar Led Zeppelin– bzw. Robert Plant-Einflüsse (nicht die Stimme, eher bzgl. der Stilistik) ausmachen. Aber selbst wenn einige Inspirationsquellen der Kalifornier offensichtlich sind, wirkt sich dies aufgrund ihrer Klasse niemals negativ auf den Gesamteindruck aus. Denn der bleibt durchgängig im grünen Bereich.
Rocker und etwas langsamere Stücke halten sich also insgesamt in etwa die Waage. Vielleicht etwas vorhersehbar, wird "Good Life Pie" nach dem sehr starken "Tightrope" (immerhin 7:46 Minuten lang) von der Akustiknummer "Sweet Angeline" beschlossen. Und auch hier nochmal ein Kompliment an die Amerikaner, die es immer wieder bewerkstelligen, Akustik-Balladen frei von schwülstigen, mindestens anderthalbtausend Mal gehörten Herzschmerz-Ditties zu präsentieren. Sehr schön an dieser Stelle auch die Einlagen von Steve Maggiora am Piano sowie Kristopher Butcher an der Slide. Anspieltipps? "Good Life Pie" (Killersong!), "The Death Of Me", "Rollin'" sowie auch "Hey Hey Mama".
Letzten Endes egal, ob nun Southern Rock oder nicht: Ein sehr starkes Album der Südkalifornier und eine meiner bisherigen Lieblings-Rockscheiben des Jahres 2016. Ganz knapp am Tipp vorbei geschrammt!
Line-up Robert Jon & The Wreck:
Robert Jon Burrison (rhythm guitars, lead vocals)
Kristopher Butcher (lead guitars, background vocals)
Steve Maggiora (keyboards, background vocals)
Dave Pelusi (bass, background vocals)
Andrew Espantman (drums & percussion)
Tracklist "Good Life Pie":
- Rollin'
- Bad For You
- Good Lovin'
- Good Life Pie
- The Death Of Me
- Hit Me Like You Mean It
- Home
- What Do You Say
- Hey Hey Mama
- Tightrope
- Sweet Angeline
Gesamtspielzeit: 52:01, Erscheinungsjahr: 2016
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