Big Joe Turner / The Complete Boss Of The Blues – CD-Review

Big Joe Turner ist Musikgeschichte.
Big Joe Turners "Boss Of The Blues" ist Musikgeschichte.
Diese Scheibe, 1956 erschienen, »[…] war eins der ersten Blues-Konzeptalben (fast alle anderen LPs jener Tage waren Zusammenstellungen zuvor veröffentlichter Singles). […]«

Bear Family Records legte diese Musikgeschichte Anfang 2020 als "The Complete Boss Of The Blues" wieder auf.
Die Mitte der Fünfzigerjahre erschienene Mono-LP wurde 1960 in einer Stereo-Version auf den Markt gebracht.
Die Bear Family-Veröffentlichung enthält beide Ausgaben und mehr.
»[…] Für diese besondere Edition konnten wir Colin Escott für die Zusammenstellung und die Linernotes verpflichten. Erstmals werden auf dieser Doppel-CD von Bear Family sowohl die Mono- als auch die Stereoaufnahmen und alle alternativen Versionen zusammengestellt. […]«
Als »[…] 6-seitiges Digisleeve […] mit 24-seitigem Booklet […]« ist die Verpackung für die beiden CDs prächtig und das Heftchen bietet bei seinem Umfang natürlich viele Informationen zu Big Joe Turner, den Musikern auf den vorliegenden Platten und der Musik selbst.

Big Joe Turner wird von Künstlern »[…] aus dem Count Basie-Umfeld […]« begleitet.
Selbstredend wird hier nicht nur den Blues gespielt. Sehr deutlich kommt auch der Jazz zu Wort, erst recht, was die faszinierende Fülle an Soli der Bläser, ganz gleich, ob Trompete, Saxofon oder Posaune, angeht.

Der "Wee Baby Blues" ist eine sehr cool swingende Nummer, in der uns Pianist Pete Johnson durch das Stück führt. Die Horn-Section kreiert eine fantastische Atmosphäre inklusive Posaunen-/Saxofon-Soli. So wird dieses Lied aus meiner persönlichen Sicht zu einem der Lieblinge auf "The Complete Boss Of The Blues".
Dieser Track ist auch ein Beispiel dafür, dass man sich von der damaligen Single-Spielzeit löste und so kommt "Wee Baby Blues" auf über sieben Minuten Genuss.

Die Original-Ausgaben wurden von Nesuhi Ertegun sowie Jerry Wexler produziert.
»[…] Reissue produced […] by Colin Escott. […]« Ein Lob geht an Marlon Klein für »[…] Disc transfer and mastering […]«.

Es groovt an allen Ecken.
Die Rhythmus-Fraktion aus Bassist Walter Page und Cliff Leeman (Schlagzeug) verfügt über ein ungemeines Einfühlungsvermögen. Alle Musiker trugen den Sanges-Protagonisten sozusagen auf Händen. Wunderschön, dieser "How Long Blues"-Slow Blues. Man spürt förmlich die Studio-Atmosphäre und erfreut sich an der fantasievollen Tasten-Fahrt eines Pete Johnson. Super!
Auf keinen Fall darf der "St. Louis Blues" unerwähnt bleiben. Die W.C. Handy-Komposition ist ein weiterer Hinhörer unter vielen anderen. Big Joe Turner hat den St. Louis Blues, wie er singt. Nicht nur er, sondern alle. Achtung! Joe Newmans Solo ist furios. Diesen "Piney Brown Blues" auf fast ständig kleiner Flamme köchelnde Groove zu halten, ist spannend. Klar, auch in diesem Track kommen die Bläser  – herrlich im Big Band-Sound – zu Wort.
Mit "Pennies From Heaven" beginnen die Bonus Tracks der ersten CD, ab "Roll 'em Pete" in Mono. Sehr interessant, diese Song-Zugaben, besonders, wenn es quasi zwei Takes in einem Track gibt. Über beide CDs verteilt, ist es dreimal der Fall.
Damit sollen die anderen Bonus Tracks allerdings nicht in den Schatten gestellt werden.

Big Joe Turner in Topform mit Musikern, die auf ihren Instrumenten nicht nur Kompetenz zeigen, sondern es sich sozusagen auch noch auf den vielen Stil-Stühlen bequem machen können. Entsprechend ist die Musik.
Bei Big Joe Turners "The Complete Boss Of The Blues"-Ausgabe aus dem Jahr 2020 gibt es keine Einschränkungen, kein wenn und aber oder hätte.
Beide Daumen hoch!

Line-up Big Joe Turner:

Big Joe Turner (vocals)
Freddie Green (guitar)
Pete Johnson (piano)
Joe Newman (trumpet)
Jimmy Nottingham (trumpet)
Lawrence Brown (trombone)
Seldon Powell (tenor saxophone)
Frank Wess (tenor saxophone)
Pete Brown (alto saxophone)
Walter Page (bass)
Cliff Leeman (drums)

Tracklist "The Complete Boss Of The Blues":

Gesamtspielzeit: 71:11 (CD 1), 62:47 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2020 (1956/1960)