Normalerweise gibt es an dieser Stelle und zu dieser Zeit einen kurzen österlichen Gruß an unsere Leserschaft.
Dieses Ostern ist das alles etwas anders.
Wer hätte denn vor ein paar Wochen gedacht, dass es keine Konzertberichte mehr zu schreiben gibt? Wer hätte sich vorstellen können, dass die Musikclubs – groß oder klein – geschlossen sind, dass die Musiker nicht mehr auftreten dürfen.
Wer hätte gedacht, dass man sich maximal zu zweit im öffentlichen Raum bewegen darf, dass man seine nicht im gleichen Hause lebenden Familienmitglieder nicht besuchen darf, dass man in manchen Städten nur mit Mundschutz das Haus verlassen darf.
Unvorstellbar wäre es wohl auch gewesen, dass nicht etwa das feine Angus-Steak, der Lieblingswein oder die frischen (eingeflogenen) Erdbeeren in den Geschäften ausverkauft sind, sondern so profane Artikel wie Toilettenpapier, Zucker, Hefe und Mehl.
Mehl! Sind denn alle Menschen plötzlich zu Bäckern geworden? Bäcker mit Diarrhoe?
Warum ganz normale Menschen plötzlich zu Jägern und Sammlern werden und wieso z. B. Toilettenpapier ganz oben auf der Begehrlichkeitsliste steht, ist wissenschaftlichen Artikeln zu entnehmen, die zurzeit bis hinunter in die lokale Tageszeitung veröffentlicht werden. Echte Prepper haben dieses scheinbar kostbare Papiergut übrigens nicht auf dem Schirm, für sie ist es verzichtbarer und unnötiger Luxus.
Uns alle treffen die momentanen Restriktionen sowie das gesundheitliche Risiko unterschiedlich. Auf dem Land im Eigenheim mit Garten kann es jetzt schön ruhig und halbwegs normal zugehen. Die Familie mit Kindern in einer kleinen Wohnung im Mehrfamilienblock trifft es da ganz anders.
Finanziell ist das auch unterschiedlich: Gehalt läuft weiter, Arbeiten von zu Hause aus, Kurzarbeit mit weniger Lohn, gar keine Einnahmen mehr und dann gibt es noch die Menschen, die momentan – zu Recht – von allen Seiten gelobt werden und die unter teils extremen Bedingungen dafür sorgen, dass jeder seine Papierrollen bekommt und dass jeder, der medizinische Hilfe benötigt auch weiterhin vom Personal in Weiß und Grün nicht im Stich gelassen wird.
Wer wie ich auf viele Jahrzehnte zurückblicken kann, wird sich wundern, wie so ein kleiner Virus in Nanometergröße quasi die Welt aus den Fugen hebt. Die Börsen gehen in die Knie, die Wirtschaft auch, das normale öffentliche Leben findet im Prinzip nicht mehr statt. Dem Optimismus, was den Fortbestand der menschlichen Spezies betrifft, habe ich persönlich schon seit geraumer Zeit abgeschworen; unmöglich, dass die Menschen noch ein paar hundert Jahre so weitermachen können.
Aber ein klein wenig Optimismus habe ich in diesen Tagen doch zurückbekommen. Da bilden sich plötzlich Nachbarschaftshilfen, die für andere einkaufen gehen, Firmen spenden ihre mangels Arbeit nicht benötigten Atemschutzmasken, andere Firmen ändern ihre Produktionslinien und fabrizieren Schutzausrüstung, Privatpersonen nähen Masken aus Stoffresten, Musikbegeisterte kaufen ungeplant CDs, um den Musikern, die nicht auftreten dürfen, Einnahmen zu generieren.
Die Musiker Ihrerseits stellen Wohnzimmerkonzerte ins Netz, es gibt jede Menge verschiedener Aktionen, um Musiker und Clubs zu unterstützen. So haben Stammgäste einer Musikkneipe in meiner Heimatstadt eine Spendenaktion gestartet, um den Clubbesitzer zu unterstützen. Und die Aktion scheint gut zu laufen.
Auch ich nutze mittlerweile den Abholservice einiger für das Publikum geschlossener Lokale in meiner Nähe und verzichte so ab und an auf meine geliebte Hobbykocherei. Es scheint also wirklich so zu sein, dass die Menschen in schwierigen Zeiten doch zusammenrücken und sich unterstützen. Natürlich wäre es schöner, wir alle täten das auch sonst, fernab einer Krisensituation. Ich bin mir jedoch ziemlich sicher, dass viele einiges aus diesen Wochen mitnehmen und so manches Verhalten auch in Zukunft Bestand haben wird.
Das Friseurhandwerk möge mir verzeihen, aber die geschlossenen Salons lassen nun vielleicht endlich mal wieder ein paar Langhaarige mehr durch die Straßen ziehen. Langhaarig – Stichwort: Der wohl berühmteste Langhaarige (nein, ich rede jetzt nicht von Lemmy) ist der Grund, dass wir alle jetzt einmal ein paar Feiertage ruhig zu Hause verbringen dürfen. Ja, ja, ich weiß …
In diesem Sinne wünscht euch die RockTimes-Redaktion ein frohes Osterfest.
Bleibt gesund und helft in eurem Umfeld dort, wo es möglich ist. Es wird vorüber gehen. Es muss, denn unsere Konzertgänger bekommen langsam Entzugserscheinungen.
2 Kommentare
Steffen Nitzsche
13. April 2020 um 20:48 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Danke….Corona verändert die Welt, oder doch nicht. Der Mensch hat sie verändert. Nicht Corona…..es gibt viele Schattenseiten und als Live-Musikliebhaber und auch mal Kneipengänger trifft es einen schon sehr. Man wünscht sich vieles zurück und schwelgt in alten Zeiten, ist sehr besorgt um kleine Bands und Veranstalter….und fragt sich so manche Frage…!
Aber was mir große Sorgen zunehmend macht…..der Unterschied zwischen Realität, das Leben, Naturgesetze und das was Medien in jeglicher Form verbreiten. Diese Schere klafft immer weiter auseinander ! Mehr als traurig.
Rock muss weiterleben…
Wolfgang Giese
13. April 2020 um 17:38 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Sehr gut geschrieben, Ulli!
ja, mit einigen Musikern habe ich diesbezüglich auch Kontakt. Für sie ist das auch nicht einfach, mitunter gar die Existenz bedrohend. Und – richtig, es wird viel ins Netz gestellt. Der bei RockTimes bekannte C. Daniel Boling hat mir hierzu auch den ersten Teil seines Heimkonzerts für Alle geschickt, hier der Link zu YouTube:
https://www.youtube.com/watch?v=1VmTONT9zAU&feature=youtu.be
Gruß,
Wolfgang