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Final Conflict / The Rise Of The Artisan – CD-Review

Final Conflict / The Rise Of The Artisan

Final Conflict ist eine Band, die 1985 gegründet wurde.
Verdammt, sagte ich 1985? Eine Band, die als Einfluss zum hier vorliegenden Album "The Rise Of The Artisan" keine Geringeren als Genesis, Marillion und Pink Floyd angibt und nebenbei beim The Classic Rock Society’s Band Of The Year Awards schon 2008 den zweiten Platz belegte – und die mir bis heute noch nicht begegnet ist?
Schicksal eines Menschen, der im Laufe der Jahrzehnte gerne schon mal seine aktuellen Schwerpunkte verschoben hat und damit zwangsläufig in der einen oder anderen Szene vorübergehend viele Entwicklungen nicht mitbekommen hat.
Schande auf mein Haupt.

Symphonische Melodien und harmonische Hooklines, melodisch empathische Gesänge und epische Soli prägen die Musik, die als Alleinstellungsmerkmal erst einmal mit zwei Gitarren ins Gefecht zieht, durchaus ungewöhnlich im progressiven Rock, während sich die Keyboards selten in den Vordergrund drängen und sich vor allem darauf konzentrieren, die mächtig wuchtigen und doch so durchgehend stimmigen Soundteppiche schwelgen zu lassen.Da passt es, dass beide Saiten-Virtuosen auch für den Gesang verantwortlich sind, was viele spannende Möglichkeiten heraufbeschwört.

Gleich im ersten Stück, dem Titelsong "The Rise Of The Artisan" kommen gerade in den Gesangspassagen ein wenig Erinnerungen an ein ebenfalls schon lange existentes, aber nicht so bekanntes Nebenprojekt von Clive Nolan und Karl Groom auf. Ja, die Musik von Shadowland ist unzweifelhaft genetisch verwandt mit Final Conflict. Der elegant harmonische Stil sorgt  für einen hohen Wohlfühlcharakter. Die schönen Breaks sind sanft und ohne Reibungsverluste, stilistisch ein wenig vergleichbar mit Camel, doch hier wird die Melodic noch ein wenig weiter in den Vordergrund gestellt, was unzweifelhafte Parallelen zum Ansatz von Pendragon aufzeigt. Das wird sich in der Folge noch weiter herauskristallisieren. Der Titelsong bringt jedenfalls einen sehr beschwingten Auftakt und nebenbei muss erwähnt werden, dass das Album anschließt an das von 2012, "Return Of The Artisan".

Unverkennbar sind die Wurzeln, die man offensichtlich aus den ganz frühen Marillion bezieht, insbesondere bezogen auf das erste vollständige Album "Script Of A Jester’s Tear". Das gilt ganz besonders für manch eine Keyboard-Passage, wo man unweigerlich an Mark Kelly denkt. Und wenn wir schon bei "Script…" gelandet sind, dann erscheint mir der Geist dieser Musik in "A Clockwork Echo" mit Arenas "The Visitor" zu kollidieren. Ausdrucksstarke Gesänge und klare, mäandernde Gitarren, aber immer alles im Schongang unaufgeregter Spannungsbögen, die dennoch mit ihrer ureigenen Melodic punkten. Und am Ende erklingt eine Spieluhr mit "Guten Abend, gute Nacht".

Eigentlich ein fast schon spektakulärer Übergang zu "Stop And Stare", denn hier geraten wir mitten hinein in eine Hommage an die späten Pink Floyd, das Gitarrensolo zu Beginn könnte wirklich von David stammen. Mir wird klar, dass diese Reise eine Menge Zitate und Nachbarschaften bereithalten wird. Der Song verlässt jedoch rasch die floydschen Spuren und besinnt sich auf seinen eigenen Duktus.

Wer sich an das großartige "Indigo" von Pendragon erinnert, das damals ein Stück weit Neuland für die Band bedeutete, der steckt exakt in den Vibes von "Four Domains" mit seiner herrlich perlenden Gitarre, die beschwingt über den Harmonien tanzt. Ja, dieses Stück wird ganz und gar von den Saiten dominiert, verträumt, aufgeräumt und voller Inbrunst – wohl dem, der doppelt besetzt ist. Eine geile Nummer, die mich richtig packt.

Ui, und dann die Überraschung! "The Pulse" startet mit Gesang und elektrischem Piano fast ein wenig wie einst Van der Graaf Generator, doch dann trennen sich selbstredend die Wege, Peter Hammills Combo war auf ganz anderen, sehr viel schwieriger zugänglichen Pfaden unterwegs. Immerhin hat die Gitarre ein wenig Robert Fripp-Gebaren, Zitate und Anspielungen auf allen Ebenen, die am Ende immer zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfließen.

"Lights" bietet fast so etwas wie eine Twin-Guitar mit schönen marillionistischen Keyboards und entwickelt im zweiten Teil eine starke Dynamik, die uns nach vorn treibt, während "The Door" mit seinem verschleppten Rhythmus und eher tastenlastig eine ganz eigene Mystik aufbaut. Geheimnisvoll und ein wenig reflektierend. Im abschließenden "Breaking The Cycle" mag man fast ein paar Keyboard-Passagen der frühen Eloy zu erkennen, mehr Quellen und Vergleiche in einem Album dürfte ich selten entdeckt haben.

Final Conflict verinnerlichen zahllose Prädikate berühmter Gleichgesinnter, vielleicht ist dies ja der Grund, dass sie in der breiten Masse der progressiven Bands nicht so intensiv wahrgenommen wurden wie manch einer ihrer Verwandten. Es ist halt gefährlich, zu oft und zu sehr wie andere zu klingen.
Dafür ist es ihr unverkennbares Plus, dass die Band es brillant versteht, Stimmungen zu kreieren und den Pegel zu halten, Song für Song. Da wächst alles organisch zusammen und ist stimmig und nachvollziehbar. Darum klingt diese Musik so rund, ohne massentauglich zu werden, denn die progressive Ausrichtung ist allgegenwärtig und mit vielen schönen Wendungen versehen.

Die Musik von Final Conflict geht Ecken und Kanten aus dem Weg, das muss man von vornherein berücksichtigen und das muss man mögen. Die aufgebauten Soundwände kommen jedoch in ihrer ganzen harmonischen Wucht niemals platt oder gewöhnlich rüber. Manchmal liegt eine sanfte Melancholie über einzelnen Passagen, aber gänzlich ohne jede Schwermut, die in vielen Neo Prog-Projekten zelebriert wird. Musik für einen unbeschwerten Tag und die hymnischen Gitarrenläufe verschaffen ein ums andere Mal erhabene Schauer. Wer symphonisch progressive Klänge mag, wird auf "The Rise Of The Artisan" ein Füllhorn epischer Freude finden.

Schönes Album!


Line-up Final Conflict:

Andy Lawton (vocals, guitars, bass)
Brian Donkin (vocals, guitars)
Steve Lipiec (keyboards)
Baz Elwood (bass)

guest:
Eden Longson (drums)

Tracklist "The Rise Of The Artisan":

  1. The Rise Of The Artisan
  2. Life Hashtag 1
  3. A Clockwork Echo
  4. Stop And Stare
  5. Four Domains
  6. River Of Dreams
  7. This Pulse
  8. Lights
  9. The Door
  10. Breaking The Cycle

Gesamtspielzeit: 61:56, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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