Haben auch ein Großteil autonomer sowie von Gleichstrom-Medien verschmähte Rockproduktionen aus deutschen Landen ungleich dornigere Fehden um Anerkennung innerhalb gewinnorientierter Wertschöpfungsketten auszufechten, so sind diese, dank künstlerischer Fanatismen und Urwut-betriebener Kandidaten, längst nicht verloren.
Und gottlob, scheint gefühlt auch die letzte Bastion Innovationshungriger und den rockistischen Zauber von einst erlegener Hörerkreise sukzessive der ungebrochene Bedarf an handgemachter, nostalgisch beleckter und mit frischen Geist belebter Ware heimischer Tonmanufakturen, nahezu uneinnehmbar.
Umso eifriger beklatschen wir den Willen bisher Fußkettenfreier, insbesondere der Muttersprachen-Dichtkunst mächtigen Musikgruppen, die jenseits bisheriger Instant-Aufmerksamkeit und hinüberdämmernder Dudelfunk-Phlegma nach dem Lorbeerkranze ihrer Langzeit-Mühen greifen.
Gerade deshalb entzücken uns gleichmal derart beharrliche und mit musischen Aktivismus geladene Protagonisten, die bis anhin weiße Flecken auf den Landkarten seelenloser Branchen belegten, mit der weihevollen schier akribischen Vollendung ihres langgereiften Neulings in Peter Gabriels Studio-Grafschaft.
Nun, mittlerweile zehn runde Jahre, musizieren sich die fünf Burschen von Polis durch Sachsens urigsten dazu hügeligsten Landstrich jenseits des vogtländischen Meeres und sorgten darüber hinaus 2019 für das vibrierende Bühnen-Momentum beim international beachteten Reichenbacher Artrock-Happening.
Neben Plauens Gewichtung als Mutter aller Montagsdemos sowie Wirkstätte unserer Helden erschließt sich ein Königreich für Alle, die obgleich dessen rustikalen Charmes ihren Faibles für Mythen menschbezogener Waldgeister, Diät-fremde Speisen und edlen Nadelkünsten folgen.
So dürften womöglich auch anfänglich die Gespenster der nahegelegenen Wiege des zu Unrecht belächelten DDR-Instrumentenbaus durch die höchstpersönlich ausgebauten Räume des bandeigenen Tonstudios gestreift sein, was freilich deren Sammelwahn nach analogen Klangerzeugern und Liebhaberstücken von anno dazumal erklären dürfte.
Wer nun all die guten Utensilien wie eine Hammond B3, vorsintflutliche Synthesizer und Verstärker samt getischlertem Raumambiente in der Vergangenheit verortet, findet angehörst versponnener und nichtsdestoweniger an den Grundfesten des Kraut-und Seventhies-Rocks rüttelnder Kompositionen seinen Frieden.
Der musikalische, aus der Gegenwart gefallene Duktus der Plauener nährt sich gemeinhin von Haschich-Schwaden umnebelter sowie seinerzeit lyrisch-blumigen Lieder-Mugge romantisierender Rock-Teutonen, den Dezibel-gierenden Fingerübungen jener, ein halbes Methusalem-Leben zurückliegender Aufbruch-Bands der Siebziger darüber hinaus vom einstigen Spiritus manch zwischen den Zeilen jonglierender Mauer-Formationen.
Doch obgleich diese einer entschiedenen Reformierung der wohl eher klassischen Ausdrucksform des Rocks frönen, gelingt es ihnen in Kombination mit Christian Roschers sinnierender Daseins-Dramaturgie beinahe eine eigene homöopathische Note zu verleihen.
Polis scheuen sich dabei nicht, reichlich Gefühl plus die geradezu Poeme-ummantelte Stimmaura eines erleuchteten Seelsorgers dem Elementaren aus progressiv-umnebelten wie auch affektegesättigten Rock beizumengen.
"Weltklangs" musikalisch in sämtliche Poren seiner Hörer setzendes fernerhin Sinne stimulierendes Gefühlskino gestaltet mit seinem Reichtum an Kunstrock-Lehren folgender Theatralik, riffintervenierender Effizienz samt am offenen Herzen operierender Metaphernromantik ein Habitat von eigenwilliger Strahlkraft.
Ob sich nun dem Hörer mit "Tropfen" oder "Gedanken" jedwede verkonsumierte Vergleiche, kraft tadelloser Bündelungen aller dazumal erwachsenen Meriten strebsamer Musiker wie charakteristische Orgel-Zeremonien, atmosphärische Starkstromsoli, masterplanmäßige Breaks, mehrstimmige Pointierungen und bewusstseinserweiternde Rock-Expeditionen aufdrängen, sei einmal dahingestellt.
Genauer behört verstehen sich die Jungs als musikalisch vergeistigte Mediatoren zwischen den Zeiten sowie Befruchter eines neuen Schöpfertums, inspiriert von Rockformationen, deren poesietrunkene Sprachreize wie Eigentümlichkeiten, ob diesseits oder jenseits des Eisernen Vorhangs, unter den Nägeln brannten.
Überhaupt beweisen Polis diesmal viel Gespür für die Räume in den gleichermaßen kalkulierten und vollendeten Arrangements, geleiten uns etwa mit der Trilogie "Sehnsucht" unter der Ägide erhebender Sanges-Ornamentik durch die teils zwischen schweren Gitarrenriffs und geschäftiger Rhythmusabteilung versiegten Wechselschauer der Emotionen.
Wenn mittels andächtigem Zeremoniell unsere vogtländischen Helden hiernach mit einem von harmonietrunkener Inbrunst und geistlicher Heilsmetaphorik angefüllten "Steig herab" vor den musikalisch geweihten Altar aller Retroprog-Götter schreiten, dürfte sich auch dem hörpeniblesten Genre-Aficionado letzten Endes sein ureigenes Elysium erschließen.
Sicher ist, die im schalloptimierten Gelass ihres "Weltklang"-Studios gewonnene Essenz aus kehlig bittersüßen Umarmungen sowie von den Musen geküssten Details zeitlos guter bis krautiger Rockmuggen, mit einem Deut verschmitzter 'Ostzonen'-DNA indus, kann sich hören und sehen lassen.
Line-up Polis:
Christian Roscher (vocals)
Christoph Kästner (guitar, Backing-vocals)
Marius Leicht (keyboards, Backing-vocals)
Andreas Sittig (bass, Backing-vocals)
Sascha Bormann (drums)
Guests:
Helena Leicht (vocals – #1)
Rebecca Luise Schöler (vocals – #3)
Weltklang Chor (Jeanette Martin, Kristin Lehmann,
Rebecca Luise Schöler, Melli & Simon Fischer,
Katrin & Sebastian Limmer, Judith Roscher, Polis) (vocals – #6)
Tracklist "Weltklang":
- Tropfen
- Gedanken
- Eine Liebe, Tausend Leben
- Abendlied
- Sehnsucht
I Sehnsucht
II Gebet
III Steig herab - Mantra
Gesamtspielzeit: 39:55 ,Erscheinungsjahr: 2020
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