
Na, das ist ja einmal etwas ganz Ungewöhnliches. Zwei Italiener liefern ein Album ab, das laut Pressetext ein »Free-Form Improvisation Album« ist. Es ist das gemeinsame Debüt-Album von Emiliano Deferrari und Marco Machera. Beide sind Gitarristen und nutzen eine große Bandbreite ihrer Instrumente zu dieser Kollektiv-Improvisation.
Diese Musik mit vier langen Songs ist gewöhnungsbedürftig. Für mich nicht unbedingt. Denn hier geht es durchaus in eine Richtung von freiem Jazz, mithin noch kein spezieller Free Jazz, dann schon eher Avantgarde als kleine Schublade. Und schon purzeln bei mir die Assoziationen. Vergleichen kann ich mit Arto Lindsay, Hans Reichel, Achim Knispel, Fred Frith oder Derek Bailey, die ihre Instrumente ähnlich traktierten.
Arto Lindsay ist zum Teil sehr radikal. wie auch Fred Frith, Hans Reichel spielte sehr erfindungsreich, Derek Bailey orientierte sich am Jazz und durchbrach dessen Strukturen und Achim Knispel war wohl am ehesten zugänglich, und wo stehen die beiden Italiener im Vergleich? Grundsätzlich waren/sind die Musiker in anderen Musikgenres verortet, bisherige Fans der Beiden könnten nun ein wenig geschockt sein.
Mit gut sechzehn Minuten ist "Quattro" das längste Stück und läuft völlig improvisiert ohne jegliche Struktur. Hier entsteht Inspiration offensichtlich aus dem Augenblick, neben den verwendeten Gitarren rasselt und scheppert es und böse Zungen könnten nun behaupten, da seien Nichtskönner am Werk, so etwas könnte eigentlich Jeder spielen. Nun, das glaube ich eher nicht, denn man bemerkt durchaus die professionelle Nutzung der Gitarren, die ein Laie so wohl nicht bewerkstelligen könnte. Selbst, wenn es manchmal ungestimmt klingt, mag das daran liegen, dass möglicherweise Akkorde gegriffen werden, die es vielleicht gar nicht gibt….
Kurzum, diese Musik muss man mögen, selbst Freunde von Gitarrenmusik dürften sich damit nicht erwärmen können, denn es gehört schon eine große Portion Offenheit dazu, sich fallen zu lassen und ganz einfach vorurteilsfrei zu lauschen und das, sofern man es mag, auch zu genießen. Kratzende Geräusche auf Saiten, unvorhergesehene Klopfgeräusche und Ähnliches könnten dem eindeutig im Wege stehen.
Insofern mag man mutmaßen, dass die beiden Protagonisten ganz allein für sich und aus Spaß daran improvisiert haben, und – gemessen an oben genannten Musikern einer ähnlichen Sparte – kann ich persönlich Derek Bailey am meisten abgewinnen, weil der mich ganz einfach mehr packt, auch aufgrund dessen, dass er mehr harmonische Elemente in seinen Improvisationen verarbeitete.
Bei Emiliano Deferrari und Marco Machera wirkt der Sound auf mich meist nüchterner und sachlicher, bis auf einige Ausnahmen bei einigen Passagen.
Line-up Emiliano Deferrari, Marco Machera:
Emiliano Deferrari (guitars, percussion, baglama, violin and objects found in the studio)
Marco Machera (guitars, percussion, baglama, violin and objects found in the studio)
Tracklist "Same":
- Quattro
- Sei
- Sette
- Tre
Gesamtspielzeit: 34:40, Erscheinungsjahr: 2019
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