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Q-Bizm / Corduroy Shorts – CD-Review

Q-Bizm / Corduroy Shorts

Platten aus Italien landen nicht allzu häufig in meinem Briefkasten, nun erreicht mich bereits die zweite nacheinander. Allerdings stimmt diese Aussage nur bedingt, denn einige Bandmitglieder leben in Wien und den Vereinigten Staaten. Das Herz von Q-Bizm hingegen schlägt in Rom und in der Toskana, dort, wo der Chianti herkommt. Auch wenn Stefano ETN Hunyady, Francesco Corrias und Filippo Gaetani sich bereits seit einer Jazz Rock-Session aus dem Jahr 1996 kannten, dauerte es sieben Jahre, bevor, nun unter dem aktuellen Bandnamen, das erste Album, "Vivid", eingespielt wurde.

Und was soll ich sagen, das neue Album, "Corduroy Shorts", ist das direkte Nachfolgealbum des Debüts, fast zwei Dekaden später. Dabei zeichnet die Musik der weltweit verbreitet lebenden Jungs ein ausdrückliches Alleinstellungsmerkmal aus, denn ich habe bislang noch nie eine derart stimmige Melange aus Jazz, Funk, Jazz Rock und ein bisschen Prog vernommen. Besonders der funkige Unterbau und manch ein herrlich schräges Saxofon-Solo schenkt der Musik eine enorme Leichtigkeit, die mich beim ersten Hördurchgang immer wieder an meinen Lieblingsregisseur denken ließ, der sich gerne aus dem Pool solcher Sounds für seine Filme bedient. Quentin Tarantino hat ein gutes Gespür für perfekte Untermalung und solch lässige Sounds wären ganz sicher nach seinem Geschmack. Interessanterweise erwähnt das Begleitmaterial der Band tatsächlich ein Zitat einer amerikanischen Webseite, die den Opener "Black Truck" gleich mal mit Guy Ritchie in Verbindung bringt – da hat anscheinend jemand ähnlich empfunden wie ich. Und die Band selbst benennt ja neben einigen prominenten Einflüssen, die aber allesamt eher aus anderen Stilrichtungen als der eigenen stammen, ganz bewusst auch die Stimmung der klassischen Spaghetti Western oder des French Film Noir als Impuls. Da muss ich mir dringend mal wieder ein paar Alain Delon-Filme anschauen.

Fakt ist, dass der musikalische Ausdruck mit den typischen Prog-Platten, wie ich sie meist höre, recht wenig gemeinsam hat. Es dominiert eine Art Acid Jazz, der mit einem entspannt souveränen Klangteppich und perlend quirligem Groove die markantesten Maßstäbe setzt. Sowohl in "Black Truck" als auch später in "Warning" vermag man ein wenig vom Geist des guten alten Canterbury-Sound zu vernehmen, den einst Caravan so trefflich zu inszenieren verstanden – und die hatten ja auch eine gewisse Nähe zu jazzigen Attitüden. In solchen Passagen klingt gelegentlich auch die klassische Schweineorgel durch und sorgt für einen erdigen Charakter.

"3131" ist eine coole groovende Nummer und beginnt wie der Soundtrack für eine Cocktail-Bar, die hier ebenfalls retro-hafte Orgel und die verspielt jazzigen Sax-Soli würden trinkfreudige Thekenbesucher jedoch überfordern. Die Musik besticht zwar durch Leichtigkeit, bewegt sich aber auf anspruchsvollem Terrain. Nichts desto Trotz ist eine eindeutige Eingängigkeit nicht zu verhehlen, nicht umsonst empfiehlt die Band selbst fast das gesamte Ensemble an Songs für den Radiobetrieb.

Das rockige "Just A Man" lässt der Gitarre und auch modernen Keyboardklängen einigen Raum, der leicht schräge, psychedelische Gesang passt dazu wie Arsch auf Eimer. Zu "Funkraum" muss man nicht viel sagen, hier geht tatsächlich der Funk ab. Es klingt ein wenig wie aus den Siebzigern, die Orgel mäandert lustvoll und das Saxofon setzt abermals die Akzente. Das hätte auch bei Shaft gepasst. Eine abgefahrene Nummer, schwitzig, dampfig und irgendwie lasziv und erotisch. Da wundert es nicht, dass man mit der schönen Klangmalerei in "The Ghost Of Castlesea" ein relaxtes Break setzt. Der Song driftet ohne Percussion dahin wie eine Mischung aus frühen Genesis und Weltmusik, wie sie Al Di Meola gerade in seiner Südamerikaphase so sensationell gespielt hat.

Passend zu "Kyodo Shuffle" habe ich mich ein wenig näher mit dem Bandnamen befasst, der ja unverkennbar anspielt auf eine legendäre Richtung aus der bildenden Kunst, den Kubismus. Ich habe davon sehr wenig Ahnung, Picasso und Braque hingegen kenne sogar ich. Aber eine besonders kluge Internetseite weiß zu berichten, dass der Kubismus in gewisser Weise auch in der Musik vertreten war, auch wenn die zitierten Herrschaften schon längst das Zeitliche gesegnet haben. Die kubistische Ausprägung wird dabei so beschrieben: »…das Aufbrechen herkömmlicher Kompositionsmethoden und das Zusammenfügen eines Kunstwerks durch die Aneinanderreihung von sperrigen, weitestgehend unveränderten, nicht selten heterogenen Einzelelementen.« Sagt Wiki. Nun denn, wenn man den zitierten Song unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, ergibt das durchaus Sinn. Schön, wenn man einen intellektuellen Ansatz tatsächlich in einer Komposition wiederfinden kann, aber vielleicht bilde ich mir das ja auch nur ein.

"Blues" setzt einen weiteren Akzent, wenn auch nicht zwingend dem Titel entsprechend. Die coolen Akkorde zu Beginn klingen fast ein wenig wie einst bei Free. Auch dieser Song wird sehr schön getragen vom anpassungsfähig ausdrucksstarken Gesang von Filippo, eine kurze, aber sehr prägnante Nummer. Mit dem schönen Wortspiel im Titel "Roggen Roll" bietet das Album zum Abschluss einen lässig jazzigen Shuffle, wo sich die Instrumente noch einmal von ihrer besten solistischen Seite zeigen dürfen. Gesang braucht es in diesem Stück nicht mehr.

"Corduroy Shorts", die kurzen Cordhosen, sind eine schöne Metapher, stammen diese Kleidungsstücke doch auch eher aus den siebziger Jahren, die sich in der Musik von Q-Bizm durchaus als Wurzel wiederfinden. Das Arrangement hingegen ist hoch aktuell, präzise und ausgewogen, die Band gewinnt durch ihre lässige Eleganz und den außergewöhnlichen Stilmix einen ganz erheblichen Wiedererkennungswert. Der funkige Background sorgt für einen spielerisch leichten Musikgenuss, der dennoch mit anspruchsvollen Eskapaden und spannenden Richtungswechseln weiteres Vergnügen bereitet. Wer sich drauf einlässt, wird es nicht bereuen.


Line-up Q-Bizm:

Filippo Gaetani (bass, guitar, vocals)
Stephano ETN Hunyady (guitar)
Francesco Corrias (drums)
Alessandro Riccucci (saxophone, flute)
Stefano Lunardi (violin)
Francesco Longhi (keyboards)
Thomas Murley (vocals, percussion)

Tracklist "Corduroy Shorts":

  1. Black Truck
  2. 3131
  3. Just A Man
  4. Funkraum
  5. The Ghost of Castlesea
  6. Warning
  7. Kyodo Shufffle
  8. Punkache
  9. Blues
  10. Roggen Roll

Gesamtspielzeit: 35:18, Erscheinungsjahr: 2020

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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1 Kommentar

  1. Filippo

    Lieber Michael,
    Vielen vielen dank fūr deine artikel !
    schön geschrieben, kompetent und lang! We really appreciate
    You took time to listen through the album.

    All the best
    MFG
    Filippo / Q-bizm

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