Lava fließt. Langsam und zähflüssig. Nichts und Niemand kann sie aufhalten, sie kennt keine Gefangenen. Geboren aus dem Herzen unseres Planeten, erdiger geht es wirklich nicht. So gesehen ist die Bezeichnung Lava-Rock ganz sicher ein Versprechen. Wir sind ihm bereits begegnet, hier bei RockTimes, seinerzeit mit dem aktuellen Album Supernova. Die Rede ist von Green Orbit, jener Band, die sich aus dem Dunstkreis der Rockfreaks Siegen entwickelt hat – es wird Zeit, sich ihrem Debüt zu widmen. Und sie selbst haben den Begriff Lava-Rock für ihre Musik kreiert.
Ich hab ja schon Alben besprochen, deren Songtitel sich allesamt mit Sandwichs oder den unterschiedlichen Gar-Graden von Fleisch befassten. Gefällt mir, wenn Rockmusiker sich genau wie ich dem Fressen verpflichtet fühlen. Ein bisschen scheint das auch für Green Orbit zu gelten, BBQ, Spare Ribs und Snickers sind leckere Sachen und dem allgemeinen Image nach echte Männersache. Man möge die Tracklist sichten.
Wenn das Intro zu "Twins" mit dem herrlich murmelden Didgeridoo(m) von Caro erklingt und ich dem Song ein wenig folge, kommen mir zwei Bands in den Sinn, die hier als vermeintliche Zwillinge, Twins eben, Pate gestanden haben könnten. Wir bewegen uns oszillierend zwischen My Sleeping Karma und Colour Haze. Wer die Verbindung von Green Orbit zu den Rock Freaks kennt und gleichzeitig wiederum weiß, wie nahe man dort den genannten Bezug-Bands steht, würde ich fast von familiärer Verpflichtung sprechen. Alles andere wäre eher verwunderlich gewesen. Wie geil, wenn sich Leute aufmachen, ihren Lieblingsmusikern ein Forum zu bieten (Rock Freaks Siegen) und am Ende selbst in ihre Fußstapfen treten (Green Orbit). Die Schnittmenge bildet dabei Bass-Mann Luko. Ich hab mir sagen lassen, dass ja auch bei RockTimes jemand, der einst hier schrieb, inzwischen die Seiten gewechselt und Platz an den Tasten genommen hat. That’s Rock ’n' Roll.
"Moon Patrol" startet Wah-Wah-unterstützt und mit einem herrlich grummelnden Bass von Luko in ein fast neun minütiges Abenteuer, das zumindest anfangs den Sound einer Band zitiert, die ich über alles geliebt habe und deren Sänger und Gitarrist einst ein ganz besonderer Freund gewesen ist: Ivy Garden Of The Desert und niemand anderes als Diego Bizarro. Er war es, der mich 2013 wie kein zweiter in einer familiären Dauerkrise gestützt und unterstützt hat; kaum ein Tag ohne Mail von Diego aus der Gegend von Treviso. Dass diese großartige Band letztlich wegen mangelnder Kontakte im Business aufgab ist für mich bis heute eines der traurigsten Kapitel in meiner persönlichen Musikgeschichte und ich habe danach nie wieder von Diego gehört. Danke an die Jungs von Green Orbit, die mit ihrem Song ein wenig Erinnerungen an "Docile" haben wach werden lassen. Der Song entwickelt sich übrigens in der Folge in ganz andere Richtungen und zeigt hier und da Verwandtschaft mit UFOs Spacerock, wäre da nicht der gänzlich andere rhythmische Unterbau. Der hat bei Green Orbit deutlich mehr vorwärts strebende Ambitionen und wird im Laufe der Zeit immer mehr Riff-orientiert. Repetitive Elemente klopfen uns weich, hier brodelt der Lava-Strom ungewöhnlich grell. Hab ich im Original tatsächlich mal am Ätna gesehen, sehr beeindruckend. Und sehr heiß.
Wer ist beim "Lemon BBQ" zu Gast? Es müssen Leute aus dem Münchener Umfeld gewesen sein, der Song hat klare Bezüge auf Colour Haze mit krachenden Riffs und Breaks, die sich mit mäandernden Gitarrenlinien abwechseln. "Ohio", der große Fluss in den USA, der sich in der Stadt Pittsburgh aus seinen Zuflüssen gründet und sogar dem Bundesstaat seinen Namen schenkt, erfreut uns in einem ähnlichen Duktus wie der Vorgänger – aber nur auf der CD-Version. Vinyl hat halt seine Grenzen.
Nach zwei temporeichen Riffmonstern begeben wir uns auf der analogen B-Seite in einen tiefen und dunklen Keller, das "Snickers Iniverse" ist eine Doom-Nummer par excelence und ein schöner Beleg dafür, warum die Truppe Caros Instrument vom fünften Kontinent am Ende immer mit einem in Klammern versehenen M darstellt. Der eigentümlich gurgelnde Sound des Didgeridoos passt perfekt in die Stimmung solcher Songs und unterstreicht durch seine monotone und irgendwie beruhigende Atmosphäre ganz massiv die Metapher vom Lava-Rock, besonders schön im Intro wahrzunehmen, wenn die sphärisch ethnischen Töne mit der langsam hinein strömenden Gitarre korrespondieren. Der verschleppte Rhythmus, der dann einsetzt, unterstreicht den aufkommenden hypnotischen Sog. Ganz langsam steigert sich die Intensität und wir driften auf der zähflüssig glühenden Masse allmählich davon.
Lava-Rock, der Name ist gut gewählt.
Fast zehn Minuten lässt man sich Zeit, die Stimmung genüsslich auszuleben. Der Jam-Anteil ist auf dem Album allgemein schon hoch, hier im Universum der nussigen Schokoriegel kommt das besonders intensiv zum Ausdruck. Zwischendrin darf Tobias effektvoll experimentieren, doch der Lavastrom fließt erhaben träge bis ans Ende der Nummer.
An dieser Stelle endet die LP und der Titelsong "First Wave" bleibt den Konsumenten digitaler Tonträger vorbehalten. Ein solcher ist aber beim Erwerb des Vinyls automatisch mit enthalten, so dass der Green Orbit-Fan so oder so auf seine Kosten kommt.
Handgemachte Musik zwischen Stoner, Psychedelik und Doom, die auch im Studio ganz klar auf Live-Musik setzt – die sich bekennt zu ihren Idolen und doch bei sich selbst bleibt. Solche Musik brauche ich, gerade in Zeiten, wo viele Bühnen gesperrt sind.
Line-up Green Orbit:
Tobias (guitar)
Luko (bass)
Michael (drums)
Caro (didgeridoom)
Tracklist "First Wave":
- Twins
- Moon Patrol
- Lemon BBQ
- Ohio
- Reaktor
- Spare Ribs
- Snickers Universe
- First Wave
Gesamtspielzeit: 49:42, Erscheinungsjahr: 2016
2 Kommentare
Michael Breuer
19. Oktober 2020 um 19:03 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Yep, sorry, wir ändern das.
TT
18. Oktober 2020 um 18:54 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Heißt Thomas nicht Tobias?