Yeah, Heavy Metal und klassischer Rock aus Kölle, produziert von meinen Rock-Freunden aus Siegen, wie könnte ich da wegschauen? Galactic Superlords waren mir zuvor noch nicht begegnet, doch schon die erste Kontaktaufnahme, lange bevor das Vinyl endlich aus dem Presswerk kommen mag, hat mich über ihre Soundcloud mächtig angefasst. Hier geht es um weit mehr als nur um vorwärts treibende Rockmusik der zitierten Spielarten.
Es ist prinzipiell schön, wenn Bands so etwas wie Alleinstellungsmerkmale ausprägen können. Allein, oft reicht es nicht dazu. Die Galactic Superlords schaffen das in mehrerer Hinsicht. Eine metalorientierte Band mit weiblichem Gesang, der seine Bezeichnung auch verdient. Denn Katharina Heldt versucht nicht, mit unsinnigem Gegröle vermeintlich platte Pluspunkte zu gewinnen, die der Musik eh nicht gut zu Gesicht gestanden hätten. Nein, sie singt mit rauer Stimme wunderbar und leidenschaftlich weiblich und gibt dem Ganzen dadurch einen ganz speziellen Charme. Manchmal erinnert es fast ein wenig an Sonja Christina von Curved Air. Und dann sind da noch diese geilen Twin-Guitars, die wir ursprünglich aus dem Southern Rock kennen, die aber auch Thin Lizzy zur Perfektion betrieben. Da kommen wir der Sache schon näher. Und während Katharina den Hauptanteil an den Vocals behauptet, überrascht die Band gelegentlich auch mit maskulinem Gesang von Dennis Sennekamp. Das verleiht dem Sound ein weiteres Spannungselement.
Das Cover empfängt uns mit einer glasklaren kulturellen Anspielung. Was wir da sehen ist aus meiner Sicht nichts anderes als eine moderne Darstellung von "Metropolis", jener legendären Stadt aus Fritz Langs gleichnamigen Meisterwerk, das seit ein paar Jahren sogar annähernd in Originallänge rekonstruiert und verfügbar gemacht wurde. Und der "Fright Train" rauscht mitten durch die Szenerie. Wer es nicht glauben mag, sollte sich das Cover der Single "Piece Of Me" anschauen, es zeigt die Maschinen-Maria aus dem Film. Doch dahinter entwickeln sich erstaunliche Sounds, die auch irgendwie ein bisschen Retro sind, wenn auch nicht zurückgreifend auf 1929, der Entstehungszeit des Films. Und abgesehen von der eindeutig harten Orientierung in Richtung Hard’n Heavy weiß die Musik mit erstaunlichen Harmonien und schönen Melodien zu überzeugen – auf einem temporeichen Niveau, versteht sich von selbst.
Der Titelsong empfängt uns mit fettem Metal Boogie, "Freight Train", hier rockt der Eisenbahner. Die hypnotisch gleichförmigen Riffs haben fast was von Status Quo, nur temporeicher vorgetragen. Erstmal muss die Post abgehen im fernen Metropolis. Da passt die erste Auskoppelung, "Piece Of Me", genau ins Programm. Kurz, knapp, kompakt – immer auf die zwölf. "Wrath" nimmt da sogar noch eine Steigerung in Kauf, jetzt fetzen wir uns – erstmals mit Dennis on vocals – mitten im Heavy Metal. Bleifuß! Headbanger-Träume. Schweiß trieft, Wände wackeln, Böden beben.
In den harten Passagen streifen wir auch immer wieder mal klassische Sounds, etwa wie in härteren Rainbow-Songs oder dem Black Sabbath-Flügel Heaven & Hell mit Ronnie James Dio. Verbunden mit viel Herz für metallisch befeuerten Rock kommen wir dem Ansatz der Band da schon ziemlich nahe.
Und dann "Leviathan". Großartige, sehr zurück genommene Sounds, die über den einnehmenden Gesang und einer schwebenden Gitarre elaborieren, wie ich sie fast bei den schottischen Folk- und gute Laune Rockern Runrig ansiedeln könnte. Bis hierhin fällt mir erneut Thin Lizzy ein, die mit "The Sun Goes Down" einst eine ähnliche Atmosphäre kreierten. Doch dann entwickelt sich plötzlich ein herrlicher Drive, getrieben von zwei parallelen Gitarren, die mit ihrer sympathischen Sangesstimme um die Gunst buhlen. Und am Ende explodiert das Solo wirklich fett, geil und ekstatisch, zuletzt von der zweiten Gitarre eingefangen. Wer solche stimmige Atmosphäre aus eher sanften Momenten hinein in marschierende Power-Parts bringt, der weiß, wie man Stimmung zelebriert. Sehr cool!
Und wer auf atmosphärische Sounds steht, wird in dem wirklich Gänsehaut erzeugenden "Rain" tief befriedigt werden. Sanftes Intro und dann ein marschierender Rhythmus, geile Lines und dieser leidenschaftliche Gesang, das alles verschmilzt zu einer wunderbar kompakten Powernummer, die kaum mehr als drei Minuten benötigt. Alles drin, klassischer Rock, mächtige Gitarrenwände und eine mitreißende Stimme.
An dieser Stelle möchte ich eine Botschaft los werden, die mich schon lange bewegt. Gerade unter uns ollen Rockern (bin ja selbst bald 60) herrscht ja oft die Meinung vor, früher war alles besser. Gleichzeitig sorgen wir uns in diesen Zeiten von Corona gerade um den Fortbestand der kleineren Kultur-Szene, der Club-Konzerte und der Bands, die noch nicht im Rampenlicht stehen. Gerade jetzt sollten wir dem Nachwuchs unseren Support erweisen und kaufen, was das Zeug hält. Weil eben nicht live gespielt werden kann. Ich bin seit zwölf Jahren tief in der Stoner-Szene unterwegs und habe unfassbar viele geile junge Bands kennen gelernt. Die ewigen Vergleiche mit Legenden sind schlichtweg fehl am Platz. In der großen alten Zeit war alles neu und die Möglichkeit offen, neue Wege zu bestreiten. Und die Szene war überschaubar. Heute kommen immer mehr und überall auf der Welt fantastische junge Musiker aus ihrer Wohlfühl-Zone und überraschen uns mit ihren großartigen Bezügen zu historischer Rockmusik. Ein Konzert bei Kadavar kann genauso viel Energie frei setzen wie damals bei Led Zeppelin, und musikalisch sind die nicht weit davon entfernt. Wir sollten endlich unsere historische Überheblichkeit über Bord werfen und den Jungen unsere Aufmerksamkeit schenken. Wenn wir eine Zukunft unserer Musik wollen, dann geht es nur auf diesem Weg.
Duane Allman und Dickey Betts waren einst einzigartig, dann kam Warren Haynes und hat mir das Licht der Erleuchtung geschenkt. Er wiederum hat Marcus King nach vorn gebracht. Die jungen sind nicht schlechter, sie spielen nur unter völlig veränderten Voraussetzungen – und momentan kämpfen sie alle ums Überleben.
Wer junge Bands unterstützt, hat Anteil am Fortbestand unserer Kultur. Und es macht jede Menge Spaß. Die Galactic Superlords haben mich voll und ganz überzeugt und bestens unterhalten. Allein den Zusammenhang zu "Metropolis", einem meiner liebsten historischen Filme muss ich demnächst mal erfragen. Denn ich liebe es, wenn sich Musik auf Filme bezieht – und vor allem umgekehrt. Rockmusik us Kölle, da bin isch dabei …
Line-up Galactic Superlords:
Katharina Heldt (vocals)
Dennis Sennekamp (guitar, vocals)
Alex Miller (guitar)
Christian Lantin (bass)
Carsten Krohn (drums)
Tracklist "Freight Train":
- Freight Train
- Piece Of Me
- Wrath
- Leviathan
- Hell And Beck
- Gunslinger
- Rain
- Titans And Gods
Gesamtspielzeit: 32:51, Erscheinungsjahr: 2020
1 Kommentar
Achim M
5. November 2020 um 23:19 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Erstmal Danke Michael, für dein Statement und die Aufforderung, die jungen unbekannten Bands zu fördern.
Und "Freight Train" ist wirklich ein tolles Album, mit ihren wandelbaren Heavx Metal und Hardrock der mich an die Anfänge von des NWOBHM erinnert. Die tolle natürlich und ehrliche Stimme überzeugt auf ganzer Linie. Toll vorgestellt.