Das Beste von Rory … sagt wer? Okay, der Verfasser dieser Zeilen gibt gleich schon mal am Anfang zu Protokoll, dass er beileibe kein Freund von sogenannten 'Best of'-Veröffentlichungen ist. Speziell bei solchen Meistern wie – in diesem Fall – Rory Gallagher, bei denen solche Zusammenstellungen doch immer nur sehr individuell sein können. Der Ire hat zu Lebzeiten kein einziges schlechtes oder auch nur halbgares Album (okay, über "Fresh Evidence" kann man sich zumindest streiten) abgeliefert, lediglich die einzelnen Songs treffen möglicherweise mal mehr oder mal weniger den persönlichen Geschmack eines jeden Fans. Wobei wir wieder beim Thema der Songauswahl wären. Aber gut, bei quantitativ so hochqualitativen Material wie es der gute Rory hinterlassen hat, kann man auch kaum Fehler machen. Höchstens vielleicht mit Songs, die man weglässt.
Die größte Erleuchtung für den Rezensenten war bei dieser Veröffentlichung tatsächlich die Wiederentdeckung der frühen Phase Gallaghers, sprich die Jahre mit Taste, aber vor allem auch die Songs seiner ersten beiden Soloalben ("Rory Gallagher" von 1970 sowie "Deuce" von 1971), die ich aus nicht logisch erklärbaren Gründen seit Jahren nicht mehr aus dem Schrank gezogen habe. Stücke wie "I’m Not Awake Yet", "Just The Smile", "I Fall Apart" oder (einer meiner Allzeit-Favoriten) "Crest Of A Wave" verzaubern plötzlich aufs Neue und schreien sprichwörtlich danach, sich intensiver mit dieser Ära des Protagonisten auseinander zu setzen. Taste-Nummern wie "Blister On The Moon" oder "What’s Going On" stehen da ebenfalls nicht hinterher und machen nur erneut deutlich, wie gut der Mann bereits in sehr jungen Jahren war. Ein Kuriosum ist obendrein der lupenreine Jazz-Track "It’s Happened Before, It’ll Happen Again". Das Besondere auf dieser Compilation ist die Rolling Stones-Nummer "… Satisfaction", die der Gitarrist im Jahr 1973 für ein Jerry Lee Lewis-Album eingespielt und im Duett mit dem 'Killer' eingesungen hatte, die aber bisher noch nie veröffentlicht wurde. Ein netter Bonus, aber kein Vergleich zu dem eigenen Material Gallaghers.
Tja, und dann sind da natürlich die gesammelten Klassiker aus den siebziger Jahren, denen auch die vergangenen Jahrzehnte nichts von ihrer Unantastbarkeit nehmen konnten. "Tattoo’d Lady", "Calling Card", "Walk On Hot Coals", "A Million Miles Away", "Shadow Play" … ich muss da gar nicht weitermachen, ihr kennt sie selbst alle. Ääh … und falls nicht, dann wird es allerhöchste Zeit, diese Lücke zu schließen. Bei aller Qualität – und das fällt bei einer Zusammenstellung natürlich besonders auf – darf aber auch nicht verschwiegen werden, wie katastrophal die beiden Alben "Photo Finish" und "Top Priority" abgemischt wurden. Da rettet die Güte der Songs die beiden Platten aber gerade noch so vor dem völligen Absturz. Zu Rorys (der jeweils als Co-Produzent mit an Bord war) Gunsten nehme ich an, dass er damals einfach einen neuen Sound gesucht und … sich irgendwie geschmacklich verirrt hat. Außerdem ist mir das in jungen Jahren beim Anhören des Vinyls überhaupt nicht aufgefallen, sodass ich für die CD-Veröffentlichungen fast eine neue Abmischung vermute. Oder ich war damals zu jung und hatte noch keinen Schimmer.
Was mich persönlich angeht, stelle ich mir hinsichtlich "The Best Of Rory Gallagher" nach wie vor die Frage, wo eigentlich Stücke wie etwa "Laundromat", "Wayward Child", "Shin Kicker", "Used To Be", "Cradle Rock", "Going To My Hometown", "Brute Force And Ignorance", "Barley And Grape Rag", "Cloak And Dagger" oder "Kickback City" geblieben sind!?! Davon abgesehen bekommt hier jeder Fan oder Interessierte gute 150 Minuten lang eine volle Breitseite der Genialität Rory Gallaghers vor den Latz geknallt. Und die ist tatsächlich so dermaßen unwiderstehlich, dass selbst ein eigentlicher Compilation-Verweigerer wie der Rezensent gar nicht anders kann, als alle Daumen (und sogar die beiden 'Großen Onkel') voller Begeisterung ganz weit nach oben zu strecken!
Line-up Rory Gallagher:
Rory Gallagher (guitars, dulcimer, saxophone, vocals)
Gerry McAvoy (bass)
Richard McCracken (bass)
Lou Martin (keyboards)
Rod de’Ath (drums & percussion)
Ted McKenna (drums)
Wilgar Campbell (drums & percussion)
John Wilson (drums)
Brendan O’Neill (drums)
Mark Feltham (harmonica)
Bob Andrews (keyboards)
Ray Beavis (saxophone)
Dick Parry (saxophone)
Jerry Lee Lewis (keyboards & vocals – CD 2 – #11)
Albert Lee (guitar – CD 2 – #11)
Peter Frampton (guitar – CD 2 – #11)
Andy Brown (organ – CD 2 – #11)
Chas Hodges (bass – CD 2 – #11)
Kenny Jones (drums – CD 2 – #11)
Mike Kellie (drums – CD 2 – #11)
Tracklist "The Best Of Rory Gallagher":
- What’s Going On
- Shadow Play
- Follow Me
- Tattoo’d Lady
- All Around Man
- I Fall Apart
- Daughter Of The Everglades
- Calling Card
- I’m not Awake Yet
- Just The Smile
- Out Of My Mind
- Edged In Blue
- Philby
- It’s Happened Before, It’ll Happen Again
- Crest Of A Wave
- Bad Penny
- Walk On Hot Coals
- Blister On The Moon
- Loanshark Blues
- Bought & Sold
- A Million Miles Away
- Wheels Within Wheels
- Seven Days
- Ghost Blues
- Cruise On Out
- (I Can’t Get No) Satisfaction
- They Don’t Make Them Like You Anymore
- Moonchild
- Jinxed
- Catfish
Gesamtspielzeit: 74:08 (CD 1), 76:59 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2020 (1969 – 1990)
1 Kommentar
Carlo Luib-Finetti
13. November 2020 um 18:51 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Genau, "It’s Happened Before, It’ll Happen Again" ist eins der großartigsten Stücke von Rory – auf deinen Hinweis hin musste ich das gerade abspielen. Es zeigt das Talent Rorys in einem sonst bei ihm wenig gepflegten Genre. Sowohl die Gitarre ist vom feinsten als auch das von ihm gespielte Sax-Solo. Wahrscheinlich wissen die wenigsten, das Rory auch das Sax beherrschte. Der Song mit seinen 6 1/2 Minuten ist auch noch sehr spannungsvoll aufgebaut mit einem eigentümlichen Flair.