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Big Daddy Wilson – Konzertbericht, 22.10.2016, Kniestedter Kirche, Salzgitter-Bad

Big Daddy Wilson live in der Kniki

Big Daddy Wilson live in der Kniki

Geboren wurde Wilson Blount vor »mehr als fünfzig Jahren« in dem kleinen Städtchen Edenton, North Carolina. Wie damals auf dem Lande üblich, war der sonntägliche Kirchgang Pflicht für die Bewohner des kleinen Ortes. Dort sang der kleine Wilson im Kirchenchor und kam so mit dem Gospel und Spirituals in Berührung, ohne dass er jemals daran dachte, mit seinem Gesang öffentlich aufzutreten. Im Alter von sechzehn Jahren verließ er die Schule, um dann kurze Zeit später zur US Army zu gehen. Während seiner Stationierung in Bremen entdeckte er den Blues für sich. Auch nicht so ganz normal für einen Mann aus den Südstaaten der USA. Außerdem lernte er während dieser Zeit ein deutsches Mädchen kennen und lieben, das er ein paar Jahre später heiratete und sich in Deutschland niederließ. Seitdem gehört Big Daddy Wilson, wie er sich jetzt nannte, fest zur deutschen Bluesszene, hat inzwischen acht Studio- und drei Livealben veröffentlicht und tourt nun unermüdlich in den verschiedensten Besetzungen durch ganz Europa.

Cesare Nolli

Cesare Nolli

Im Gegensatz zu seiner Europa-Tournee im Jahr 2014, als Big Daddy Wilson zum letzten Mal zum 'Blues in der Kirche' in der Kniki auf der Bühne stand, gab es diesmal ein elektrisch verstärktes Konzert in Trio-Besetzung auf die Ohren. Damals war neben Bassist Paolo Legramandi noch der Morblus-Frontmann Roberto Morbioli mit von der Partie. Nachzuhören sind die Aufnahmen auf dem Livealbum "Live in Europe", das in Bremen und Paris mitgeschnitten wurde. Außerdem war mein geschätzter Kollege Joe bei dem Konzert im niederländischen Groesbeek dabei. An diesem Samstagabend stand neben Big Daddy und Legramandi noch der italienische Gitarrist Cesare Nolli mit auf der Bühne der restlos ausverkauften Kniestedter Kirche, der auch schon unter eigenem Namen etliche Langeisen auf den Markt gebracht hat.

Live in concert

Live in concert

Im Handgepäck dieser Tour hatte Big Daddy Wilson sein im Jahr 2015 erschienenes Studio-Album Time, auf dem so bekannte Leute wie Kai Strauss und Eric Bibb mitwirkten, wobei letzterer auch maßgeblich am Songwriting beteiligt war. Doch während auf dieser Scheibe zwischen akustischen und elektrisch verstärkten Songs hin und her gependelt wurde und gleich eine ganze Schar von Musikern für die Backing vocals zuständig waren,  musste das Trio die Titel im Alleingang auf die Bühne bringen, was ihnen auch hervorragend gelang. Nolli und Legramandi ergänzten sich mit Big Daddys wunderbar intensiver Stimme einfach perfekt. Sowohl bei den Harmonievocals als auch in den musikalischen Zwiegespächen bei den Gospels kamen sie perfekt rüber und übernahmen beide bei einigen Stücken auch den Leadgesang. Da passte einfach alles zusammen!

Paolo Legramandi

Paolo Legramandi

Da die gesamte zweieinhalbstündige und zweiteilige Show ausschließlich stromverstärkt über die Bühne ging, hatte Big Daddy Wilson auch seine umfangreiche Percussionbatterie etwas umgebaut, sodass er bei Bedarf auf Drumming umstellen konnte, was dem gesamten Set einen wesentlich größeren Druck verlieh. Es groovte und brodelte wie Hölle. Und das ganz ohne die feinen differenzierten Töne zu vernachlässigen. So ein Sound ist mir bisher nur bei der Besprechung der Live-CD Shake Your Money Maker von Homesick James untergekommen. Dabei war es schon sehenswert, wie viel Percussioninstrumente Big Daddy zum Einsatz brachte, die allesamt perfekt zu den Songs passten und ihnen immer den gewissen letzten Kick gaben. Einfach nur großartig!

Live von hinten

Live von hinten

Auch das Gitarrenspiel von Cesare Nolli war vom Allerfeinsten. Seine Fingerpicking-Technik zog die Zuhörer in ihren Bann, und wenn er das Slideröhrchen überstreifte, herrschte andächtige Stille, wobei man überhaupt sagen muss, dass sich das Publikum trotz des vollen Hauses vorbildlich verhielt und den Gig nicht durch ständiges Dazwischengelabere störte. Diese Musik war wohl doch zu anspruchsvoll für solche Störungen, oder es waren einfach auch nur die 'richtigen' Leute im Saal. Und die sahen mit Paolo Legramandi am Bass die ideale Ergänzung zu Big Daddy. Da merkte man deutlich, dass die beiden schon sehr lange zusammenspielen. Der Mann beherrscht die dicken Saiten wirklich perfekt und legte ein sehr variables Spiel an den Tag.

The man himself

The man himself

Der Blues nahm, wie nicht anders zu erwarten, einen großen Teil des Gigs ein. Dabei waren Songs wie "Bullfrog" und "Mississippi John", Big Daddys Erinnerung an den im Jahr 1966 verstorbenen Mississippi John Hurt die beeindruckendsten Titel. Auch der "Texas Boogie", in Wirklichkeit ein herrlicher Slow Blues, der schon lange zum Repertoire gehört, setzte sich sofort in den Ohren fest. Doch es ging auch ganz anders. So bekam der frisch ernannte Nobel-Preisträger Bob Dylan mit "Don’t Think Twice It’s Allright" seine Würdigung, und auch die frühen Sechziger Jahre bekamen ihren Tribut, als in einem Medley Songs von Sam Cooke, Otis Redding, den Temptations und Ben E. Kings "Stand By Me" angestimmt wurden, die vom Publikum begeistert mitgesungen wurden. Für meine Begriffe hatte lediglich der Lovesong "She Loves Me", den Big Daddy Wilson für seine Frau Helga geschrieben und auf dem letzten Album veröffentlicht hat, ein paar unnötige Längen. Aber das ist Meckern auf sehr hohem Niveau. Insgesamt war das Konzert von Big Daddy Wilson ein richtig geiler Gig!

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Antje Fischer von der Stadt Salzgitter für die problemlose Akkreditierung.


Line-up Big Daddy Wilson:

Big Daddy Wilson (vocals, drums, percussion)
Cesare Nolli (guitar, backing vocals)
Paolo Legramandi (bass, backing vocals)

 

Über den Autor

Jürgen Bauerochse

Hauptsächlich zu besprechende Musikstile: Blues, Blues Rock, Southern Rock, Classic Rock
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