Haben wir, zumindest was Marc Reece angeht, etwas verpasst?
Sein Album Let It Burn kam 2009 auf den Markt.
Da könnte man meinen, dass bis "Dreamer", der Veröffentlichung aus dem Jahr 2021, doch noch weitere Alben zu haben sind.
Aber nein.
»[…] Dass es so lange gedauert hat, die neue Platte fertig zu stellen, ist schlicht der Tatsache geschuldet, dass Marc Reece vor allem auf der Bühne zuhause ist und extensiv in Asien und Europa Konzerte gegeben hat. Dazwischen war er noch mit anderen Künstlern fast überall auf der Welt auf Tournee, um sich schließlich 2019 an die Aufnahmen für sein viertes Studioalbum zu machen. […]«
Aufgenommen wurde die vorliegende Platte im Gotttesweg Studio A, Köln.
Alle Songs komponierte der Protagonist.
Im Großen und Ganzen im Trio eingespielt, hat sich der Künstler für wenige Songs zwei Tastenmänner ins Studio geholt. Einerseits ist es Marcus Schinkel (Marcus Schinkel Trio, Voyager IV), andererseits handelt es sich um Adrian Wachowiak (auch Pablo Paredes).
Widmen wir uns doch zunächst der Nummer mit den beiden letztgenannten Musikern.
Im Rausschmeißer "Rock’n’Roll Hero" ist es Adrian Wachowiak, der auf Piano sowie Orgel herrlich strukturierte Tastenläufe beisteuert. Beim Schreiben des Band-Line-up fiel schon auf, dass der Protagonist auch die Pedal Steel-Gitarre einsetzt. Dadurch bekommt die Nummer einen feinen Country-Touch. Das Lied, das auch in ruhigeren Fahrwassern dahingleitet, ist ganz am Ende der Scheibe so etwas wie die Überraschung. In seinem Solo richtet Marc Reece die Aufmerksamkeit des Hörers auf die rockige Variante des Zwölftakters. Hinhörer!
Dann gibt es noch zwei Songs, in denen beide Tastenmänner mitwirken. Einerseits ist es der Titelsong "Dreamer" in dem Bass, Gitarre und Orgel ordentlich den Funk aufmischen. Gesanglich immer auf der Höhe der Dinge, auf seinem Arbeitsgerät in Hochform, mausert sich dieses Marc Reece-Lied zu einem Highlight.
Knapp unter neun Minuten dauert "Harder Than It Seems". Klasse, dieses von Guido Ludwig kreierte Bassspiel und Denis Sarps akzentuiertes Drumming. Das Stück ist eine prächtige Power-Ballade mit wunderschön perlenden Orgeltönen. Die wellenförmige Energie mündet mittendrin in ein zupackendes E-Gitarren-Solo, das ohne Pause von einem Alleingang auf dem akustischen Sechssaiter abgelöst wird. Fantastisch! Diese Nummer hat ihre Länge in vollem Umfang verdient.
Aus dem wie ein Outro inszenierten Intro ist "One For Hannes" eine erste, sehr gelungene Kostprobe einer Marc Reece-Instrumental-Ansage. Mein lieber Schwan! Jetzt überzeugen Marc Reece & Co. durch eine locker gepaarte Kombination aus Jazz und Rock, also Fusion. Bitte mehr von Liedern wie "One For Hannes", allerdings nicht erst in zehn oder mehr Jahren. Wer ist Hannes?
"At The Market" ist ein weiteres Lied ohne Worte. Marc Reece ist wohl von der Muse, nein, Inspiration geküsst worden. Auch diese Nummer ist ein Himmelsstürmer. Da kommt man doch glatt ins Staunen, wenn das Trio für eine Phase sozusagen alle Tempolimits missachtet und höllisch loslegt. Im psychedelischen Teil kommen alle Fans von Stereoeffekten auf ihre Kosten. Highlight!
Marc Reece, Guido Ludwig und Denis Sarp zeigen allen Anhängern des Blues Rock, dass man ihnen aus der ewig langen Wartezeit keine Vorwürfe machen kann.
"Dreamer" ist reich an Facetten, hat Tiefgang und ist rundum gesehen eine Liebeserklärung an den Blues / Blues Rock.
Wenn man im Zusammenhang mit dem Zwölftakter von modern oder zeitgenössisch spricht, dann ist es "Dreamer".
Eine Scheibe, die richtig Spaß macht.
Bleibt gesund und nehmt euch zur Ablenkung Zeit für gute Musik.
Line-up Marc Reece:
Marc Reece (guitars, vocals, pedal steel – #10)
Guido Ludwig (bass)
Denis Sarp (drums)
With:
Marcus Schinkel (piano, organ – #2,5,10)
Adrian Wachowiak (keyboard – #2,5)
Tracklist "Dreamer":
- Bernie (3:40)
- Dreamer (3:57)
- One For Hannes (5:28)
- No Chance Child (4:02)
- Harder Than It Seems (8:48)
- Scorpion Man (5:16)
- I’m Ready (4:17)
- Shake It (5:15)
- At The Market (6:27)
- Rock’n’Roll Hero (5:31)
Gesamttspielzeit: 53:00, Erscheinungsjahr: 2021
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