Was man auch immer vor dem Abspielen vorliegenden Albums gehört hat: man muss seine Synapsen neu kalibrieren, damit einen die aus dem Stand losgallopierende Speed-Psychedelic der vier Italiener aus Mantova nicht stante pede zu unkontrollierten Bewegungen veranlasst.
Dabei war eigentlich ein Review über die Italiener nicht mal vorgesehen. Als Dave Schmidt aka Sula Bassana in seiner Funktion als Labelchef von Sulatron Records sich wegen einem Review meldete und auch gleich einen Link zum sich-ein-Bild-machen mitlieferte, war mir eigentlich klar, dass das nichts für mich sei. Da allerdings das Portfolio des Labels bis dato immer den Geschmack traf, wollte ich dem kompletten Album doch eine Chance geben.
Mag sein, dass das etwas überheblich klingt, aber es wird so viel angeboten, dass man alleine schon aus zeitlicher Kapazität nicht alles annehmen kann. Und was soll ich sagen? Errare humanum est.
Sulatron katalogisiert den Stil der Band als Psychedelic und Post Punk. Das trifft es ziemlich genau, da man trotz der punkigen Attitüde eine gewisse Psychedelic nicht verneinen kann. Zentrales Thema, so die Band, ist »Der Rhythmus als hypnotische und treibende Kraft«.
Vom »swinging London der 60er Jahre beeinflusst«, heißt es außerdem. Auf jeden Fall starten die Italiener aus dem Stand mit Dampf und man muss sich an die leicht verfremdet wirkenden Vocals gewöhnen, die außerdem tempomäßig einen Dieter Thomas Heck alt aussehen lassen würden. Auch Drummer und Basser scheinen auf der Flucht und bollern ihre Salven in die schön altmodisch klingenden Keyboard-Flirrungen.
Keine Gnade, "Make It Better" schließt fast nahtlos an, hat aber irgendetwas Bekanntes, ich komme aber nicht drauf. Irgendwo wird die Tonfolge, wenn auch langsamer gespielt, von den Synapsen erkannt. "Inept" startet mit akzentuiert gespieltem Bass und loggt sich dann in das gewohnte BPM-Tempo ein. Nun mischen sich allerdings auch harmonische Tastenwogen in die Karussellfahrt und die Gitarre redet ein Wörtchen mit. Und spätestens jetzt hat man sich mit Tempo, Stil und Rezeptur akklimatisiert und kann Dave verstehen, dieser Band eine Label-Heimat gegeben zu haben.
Die Musik hypnotisiert und ja, das ist schon psychedelisch. Mit rotzigem Punk-Tempo und man sollte seine Lavalampen schon an 380 Volt-Stromkreise anschließen, um nicht zu stolpern. "Slave Antenna Array" begeistert mit gekonntem Songwriting, powervollem Bassgalopp und leicht orientalisch angehauchtem Keyboardspiel. Überhaupt wird dieses Stück durch allerlei Wendungen spannend gehalten, ohne das Grundtempo der Band zu verlassen.
Obwohl sich der Speed von vorn bis hinten durchzieht, erkennt man viele Details und sobald man die ersten Minuten der Scheibe durchgehalten hat, ist man dem Tempo und der treibenden Musik verfallen und hofft, dass jetzt keiner auf die Bremse tritt. Das ist ähnlich einer stundenlangen Autobahnfahrt, deren Ende in einer 70er-Landstraßenzone endet, in der man dann denkt, man könne aussteigen und nebenher laufen.
Bei "I’m Kevin Ayers" simulieren A/Lpaca eine Art Temporeduzierung. Allerdings nur was den Gesang angeht. Der ist etwas gemächlicher, während der Rest der Truppe weiterhin mit den Füßen auf den rechten Pedalen steht. Mit diesem Stück zollen sie einer musikalischen Referenz, Soft Machine, Tribut. Auch der siebenminütige Rausschmeißer "Lokomotiv" hält das gewohnte Tempo, variiert aber dessen Entstehung mit ausgeklügeltem Drumming und auch das Keyboard erzeugt wieder diesen Hauch Orient. Stakkatohaft pumpt der Bass Energie in die Minuten dieses wilden Ausrittes. "Lokomotiv" ist für mich unbestritten die Königsnummer. Was für ein Ritt, bzw. was für eine Zugfahrt.
Ja, was soll ich sagen? Sage ich, hört vor dem Kauf mal rein, kann es so gehen, wie es mir gegangen ist: »Nix für mich«. Rate ich zum Kauf, kriege ich vielleicht bitterböse Post, weil irgend wessen Herzschrittmacher aus dem Takt kam. Daher gebe ich einen Tipp: Die Platte ist beim Label Sulatron gelistet …
Line-up A/Lpaca:
Christian Bindelli (vocals, guitar)
Andrea Verrastro (bass)
Andrea Fantuzzi (keyboads, vocals – #5)
Andrea Sordi (drums)
Tracklist "Make It Better":
- Beat Club (2:47)
- Make It Better (6:07)
- Inept (4:09)
- Hypnosis (4:41)
- Slave Antenna Array (4:47)
- Chameleon (4:23)
- I Am Kevin Ayers (4:32)
- Citadel (3:17)
- Lokomotiv (7:04)
Gesamtspielzeit: 41:51, Erscheinungsjahr: 2021
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