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Saxon / Inspirations – CD-Review

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Mit ihrem Album "Thunderbolt" (2018) haben Saxon vor nicht allzu langer Zeit bewiesen, dass mit ihnen noch immer zu rechnen ist. Die 1979 gegründete Band vereint auf dieser CD ihren eigenen Stil mit einer erfrischenden Spielweise, die angestammte wie auch jüngere Fans gleichzeitig anspricht.

Auf der folgenden Tour haben die Briten gezeigt, dass ihnen live niemand etwas vormacht – im Gegenteil. Ein Jahr später erschien das Album "The Eagle Has Landed 40" – eine Zusammenstellung von Konzertaufnahmen aus 40 Jahren Bandgeschichte.

Im Herbst des gleichen Jahres erreichte die Fans die traurige Nachricht vom Krankenhausaufenthalt des Sängers. Biff Byford musste sich einer dreifachen Bypass-Operation unterziehen, die erfreulicherweise erfolgreich verlief.
Anfang 2020 meldete sich das Saxon-Urgestein mit seinem ersten Solo-Album zurück. Die Briten sind also wieder da, obwohl sie eigentlich gar nicht richtig von der Bildfläche verschwunden waren. Tourneen mussten anschließend aus den bekannten Gründen abgesagt werden, was die Musiker nicht daran hindern konnte, ein neues Album einzuspielen.
Mit dem treffenden Titel "Inspirations" ist das neue reguläre Studioalbum überschrieben. Mit einem Coveralbum betreten sie Neuland. Ein solches Projekt ist aber auch im Metal-Bereich selten anzutreffen. In der Tat war bei mir vor dem Erscheinen die Neugier groß, wie eine gestandene als auch hoch geschätzte Band der New Wave of British Heavy Metal-Ära ihre Helden wohl würdigen würde.

Bereits beim Opener "Paint It Black" (The Rolling Stones) nimmt die musikalische Reise Fahrt auf und es bedarf keines einzigen Wimpernschlags, um zu erkennen, dass diese Interpretation eine Punktlandung geworden ist. Beim Stones-Klassiker, der allein schon unzählige Male zuvor von anderen Musikern gecovert wurde, praktizieren Saxon das, was die folgenden zehn Lieder in gleicher Weise auszeichnet: Sie bewegen sich musikalisch sehr nahe am Original, drücken diesen Kompositionen aber stilistisch ihren Stempel auf. Sie atmen die Stimmung ihrer jeweiligen Kollegen auf, um deren Stücke neu zu bearbeiten.
Dabei haben die vorliegenden Interpretationen nicht ausschließlich nur im Bereich Hard Rock und Metal ihren Ursprung. Bestes Bespiel ist "Hold The Line" von Toto. Die US-amerikanische Rockband gehört eher in eine melodische Ecke. Sie hat aber Songs für die Ewigkeit geschaffen, wie eben "Hold The Line". Es ist für mich einer der weiteren Höhepunkte des Albums und steht für das besondere Erlebnis, das Saxon damit geschaffen haben.

Herausragend klingt auch "Paperback Writer". Beim Beatles-Klassiker brechen alle Dämme. Der sprichwörtliche Groove steckt bereits in dem Original aus dem Jahr 1966, dessen besonders Merkmal der Background-Chor ist. Nicht unerwähnt sollte hier bleiben, dass es einst zu "Paperback Writer" zwei Filme gab, womit die Beatles zu den Miterfindern des späteren Musikvideos gehörten. Saxon ändern an der Komposition praktisch nichts. Sie übernehmen den ursprünglichen Background-Gesang, holen ihre Gitarren heraus und lassen es mit gehörigem Druck richtig krachen. Es entstand ein einmaliges Kunstwerk.
Im folgenden Titel glaubt man, die Stimme von Ozzy Osbourne zu hören. Das melodische "Evil Woman" von Black Sabbath ist eine weitere Interpretation, bei der dank des soliden Handwerks kein Auge trocken bleibt. Black Sabbath veröffentlichten das Stück auf ihrem Debütalbum 1970, das den Namen "Black Sabbath" trägt. Hierbei handelt es sich ebenfalls um ein Cover. Das Original stammt von Crow, einer Bluesrock-Band aus Minneapolis. Damit landeten sie 1969 ihre erfolgreichste Single. Nicht nur Black Sabbath, sondern auch Ike & Tina Turner nahmen sich dieser Komposition an, benannten es allerdings in "Evil Man" um.

Die elf Stücke sind stilistisch abwechslungsreich gehalten. Sie richten sich gleichwohl an Fans der Original-Interpreten, während die Anhängerschaft von Saxon ihre Helden mit einem großartig aufgelegten Sänger Biff Byford von einer völlig neuen, vermutlich unerwarteten Seite erlebt.
Somit ist jedes Stück ein kleines Juwel. "Bomber" von Motörhead ist nicht bloß ein Coversong. Damit erweisen Saxon einer Band, mit der sie viele Jahre eng befreundet waren, eine besondere Ehre. Musikalisch ist dieser Track, der das markante Pfeifen aus dem Original enthält, ein Beleg dafür, welche erstaunliche Vitalität von Saxon ausgeht, was auf diesem Album in gleicher Weise für "Problem Child" von AC/DC zutrifft.
Ihre Spielweise charakterisiert Saxon als eine Band, die bodenständig und ehrlich ist. Das zeichnet sie bis heute aus.
"See My Friends" von The Kinks steht für einen akustischen und ruhigen Abschluss des Albums.

"Inspirations" verkörpert nicht nur stilistische Vielfalt, sondern ebenso verschiedene Stimmungen. Jeder Titel verdient ein dickes Ausrufezeichen. Beim Anhören vergisst man zuweilen, dass es sich um ein Coverprojekt handelt, dessen Prädikat nur besonders wertvoll lauten kann.


Line-up Saxon:

Biff Byford (vocals)
Paul Quinn (guitar)
Doug Scarratt (guitar)
Nibbs Carter (bass)
Nigel Glockler (drums)

Tracklist "Inspirations"

  1. Paint It Black (The Rolling Stones)
  2. Immigrant Song (Led Zeppelin)
  3. Paperback Writer (The Beatles)
  4. Evil Woman (Black Sabbath)
  5. Stone Free (Jimi Hendrix)
  6. Bomber (Motörhead)
  7. Speed King (Deep Purple)
  8. The Rocker (Thin Lizzy)
  9. Hold The Line (Toto)
  10. Problem Child (AC/DC)
  11. See My Friends (The Kinks)

Gesamtspielzeit: 36:22, Erscheinungsjahr: 2021

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

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