Zugegeben, in den letzten Monaten musste ich meine nicht allzu gute Meinung zu amerikanischen Punk Rock-Bands doch mehr oder weniger – wie beispielsweise bei den Adolescents – revidieren. Und prompt flatterte mir nur unwesentlich später die nächste Platte aus diesem Genre auf den Schreibtisch. Heute geht es um das neue Album der bereits 1981 in Fullerton, California von dem davor als Drummer bei Social Distortion agierenden Casey Royer gegründeten Band D.I., die ihr Debüt mit dem Namen "Ancient Artifacts" schließlich im Jahr 1985 veröffentlichte. Royer agierte und agiert in dieser Combo als Frontmann und ist das einzige bis heute verbliebene Original-Mitglied. Der Output der Amerikaner kann quantitativ nicht unbedingt glänzen und so erschien das letzte Album mit selbstkomponierten Songs ("On The Western Front") auch bereits vor 14 Jahren.
Viele Line-up-Wechsel und noch viel mehr Live-Shows später kam gerade erst 2020 die Cover-Scheibe "Flashback Favorites", bevor das in Los Angeles ansässige Label Cleopatra Records ein neues Album der Band in Auftrag gab. Ob die Entscheidung Neueinspielungen von bereits veröffentlichten Tracks unter dem Namen "Greatest Hits A – Z" aufgrund eines kreativen Lochs der Band oder auf Anforderung des Labels fiel, wird nirgends erwähnt. Auf der Plusseite steht allerdings, dass man diese neue Scheibe ganz wunderbar als Einstiegs-Droge in den D.I.-Kosmos betrachten darf. Dafür sprechen insgesamt 23 Tracks mit einer Laufzeit von einer knappen Stunde, wobei davon ausgegangen werden darf, dass hier die ausgiebig auf den Bühnen dieser Welt erprobten Fan-Favoriten vertreten sind. Kurz, knackig, zackig, powervoll und straight nach vorne genau auf den Punkt gespielt. Genau so, wie guter Punk Rock sein muss.
Dabei finden D.I. bzw. Casey Royer – wie beispielsweise in "Reagan Der Fuhrer", "Nuclear Funeral" oder "Hang Ten In East Berlin" – auch sehr deutliche Worte, was die textliche Seite ihrer Songs betrifft. Aber die Band beschränkt sich bei weitem nicht nur auf politische Themen, sondern greift auch jede Menge Probleme des sozialen oder persönlichen Lebens auf. Klar wird dies bei Nummern wie etwa "Johnny’s Got A Problem", "Colors And Blood", "Guns" oder "Richard Hung Himself". Wenn man berücksichtigt, dass Royer selbst im Jahr 2011 wegen Heroin-Besitz verhaftet wurde, kann man auch davon ausgehen, dass der Mann weiß, wovon er singt. Aber ein bisschen Spaß ist natürlich auch dabei, wenn man sich Stücke wie (ohne jetzt politisch unkorrekt wirken zu wollen) "Pervert Nurse" oder "Venus De Milo" zu Gemüte führt. Der schnellste Track der Scheibe ist das abschließende "Youth In Asia", bei dem das Gas-Pedal noch einmal ganz nach unten getreten wird.
So gesehen ist "Greatest Hits A – Z" auf der einen Seite eine Enttäuschung für die Fans der Band, die sich auf neues Material gefreut haben und nicht alles der Kalifornier im Schrank stehen haben müssen. Auf der anderen Seite ist das Album – wie bereits erwähnt – eine super Gelegenheit, die Band von ihrer besten Seite kennenlernen zu können und sich anschließend – je nach Gefallen – weiteres früheres Material zu ordern. Die hier versammelten 23 Titel machen auf jeden Fall mächtig Alarm, kommen sehr powervoll aus den Boxen und verfügen dennoch über so viele Melodien, dass sie richtig gut ins Ohr gehen. Zumindest für Punk Rock-Fans, die diese Band noch nicht kennen, gilt also: Prädikat Empfehlenswert!
Line-up D.I.:
Casey Royer (lead vocals)
Clinton Calton (guitars)
Ed Tatar (bass, background vocals)
Joe Tatar (drums, background vocals)
Tracklist "Greatest Hits A – Z":
- Amoeba
- Chiva
- Colors And Blood
- Dying In The USA
- Falling Out
- Guns
- Hang Ten In East Berlin
- Imminent War
- Johnny’s Got A Problem
- No Moms
- Nuclear Funeral
- O.C. Life
- Obnoxious
- Pervert Nurse
- Purgatory
- Reagan Der Fuhrer
- Richard Hung Himself
- Spiritual Law
- Stand Up
- Stick To Your Guns
- Tragedy Again
- Venus De Milo
- Youth In Asia
Gesamtspielzeit: 54:57, Erscheinungsjahr: 2021
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