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Omega / Working – CD-Review

Omega / Working

»Die Stones haben ja ungefähr zur gleichen Zeit angefangen wie wir. Warum sollten wir da Angst vor ihnen haben«, sagte einst Omega-Sänger Janos Kóbor 2010 in einem Interview bei der Schweriner Volkszeitung anlässlich des Umstands, dass Omega oft als Rolling Stones des Ostens bezeichnet wurden. Und tatsächlich, beide Bands gründeten sich im Jahre 1962. Wen mag es da wundern, dass eine Cover-Version von "Paint It Black" 1966 als erste musikalische Versuchung Omegas in Vinyl geritzt wurde. Die erste LP folgte zwei Jahre später spontan im Rahmen eines erfolgreichen Besuchs in England und wurde bei Decca unter dem Bandnamen Omega Red Star produziert. Ungarn oder besser seine Machthaber waren empört über dieses Auswärtsspiel. So wurde in kürzester Zeit reagiert und daheim eine LP mit dem feschen Titel "Trombitás Frédi És A Rettenetes Emberek" nachgelegt, was 'Trompeter Fredi und die schrecklichen Menschen' bedeutet. Sehr viel Stones-Verwandtes hört man da nicht und der ungarische Zug sollte auch in Zukunft gänzlich andere Gleise befahren als die berühmten Engländer. Wir schrieben das Jahr 1968.

Omega darf getrost als die vermutlich erfolgreichste Ostband im Westen angesehen werden. Gerade in den Siebzigern waren sie, besonders in Deutschland, sehr populär – und zwar diesseits und jenseits der unsäglichen Zonengrenze. Interessanterweise produzierte die Band damals in der DDR ein Album mit dem Titel "Omega" auf dem Label Amiga und unterschrieb kurze Zeit später einen mehrjährigen Plattenvertrag beim westdeutschen Label Bacillus aus dem Hause Bellaphon. Bacillus-Chef Peter Hauke hatte das Potential der Band gleich erkannt. Auch hier hieß das erste Album "Omega" und bestand wie sein östlicher Bruder aus einem Zusammenschnitt von Songs der frühen ungarischen Omega-Alben, hier aber in englischer Sprache. Zu diesem Zeitpunkt entwickelte sich die Band weg vom Beat, den Einflüssen ungarischer Volksmusik sowie der Verwendung von Blas- und Streichinstrumenten hin zu einer sehr kompakten, progressiven Hard Rock-Band. Vergleiche mit Uriah Heep, Deep Purple oder ELP drängten sich in vielen Passagen damaliger Songs auf, während "Time Robber" später auf floydschen Spuren wandelte.

In diesen Jahren tanzte Omega quasi auf zwei Hochzeiten, denn die in Ungarn produzierten Platten waren mit den englischsprachigen Versionen bei Bellaphon nicht identisch. Erst als das deutsche Label 1976 den Vertrag mit den Ungarn um weitere Jahre verlängerte, änderte sich dies. "Time Robber" war sozusagen die europäische Version von "Omega 7" und gab mit seinen dominanten Keyboards und psychedelischen Sounds schon einen Vorgeschmack auf die spacigeren Alben "Skyrover" und "Gammapolis".

Dies ist die Vorgeschichte für das Album "Working" aus dem Jahr 1981, welches hier nun zum ersten mal als Silberling vorgelegt, liebevoll und musikhistorisch ausgegraben von Sireena Records, die immer schon ein feines Händchen hatten für rare Wiederveröffentlichungen. Wieder initiierte und produzierte damals Peter Hauke das Album, nicht aber mehr für Bellaphon, sondern die WEA. Frank Farian hatte diesen Kontrakt vermittelt.

Ein sphärisch erhabenes Opening namens "Nasca" schwebt sanft zwischen einem klaren Keyboard und einer transparenten Gitarre und verströmt psychedelische Nebel. Es wirkt fast ein wenig esoterisch. So gleiten wir hinein in das Album, das sich den eigenen Trends in gewisser Weise entgegen stellt. Rock’n’Roll wie in den früheren Tagen prägt überwiegend das Bild, unterbrochen von den so effektvollen Balladen, die Omega schon immer ausgezeichnet haben. Die Kompositionen sind wuchtig und kompakt und nicht mehr so spacig wie die Vorgänger.

"Inside Outside" setzt einen ersten Höhepunkt mit György Molnárs kurzem, knappen Solo auf der Gitarre. Der irgendwie kontrapunktierende Titel "Laughing On The Inside" setzt auch musikalisch einen starken Kontrast, denn hier stecken wir mitten drin in einer der klassisch melodischen Slow-Songs, die Omega so trefflich zu spielen verstanden. Es lohnt sich, ein paar prägnante Aspekte ihrer Musik an dieser Stelle hervorzuheben. Die sanfte, stets ausgleichende und vermittelnde Stimme von János Kóbor über den ausgeprägten Harmonien des begnadeten Keyboarders Laszlo Benkö, der wundervolle wuchtige Soundwände ebenso zu erschaffen verstand wie auch wildes Solo-Georgel, wenn er in Jon Lord-Manier improvisierte. Dazu eben György Molnár, dessen Gitarre mal sanft und transparent im Hintergrund kreiselte – mitunter fast ein wenig an Wishbone Ash erinnernd – dann aber wieder mit krachenden Riffs hervorstechen konnte. Da, wo er mit Tamás Miháli am Bass geradezu symbiotisch verschmolz. Doch wenn es passte, erhob sich sein Spiel aus der weitgehend progressiv befruchteten Basis empor zu wilden psychedelischen Ausbrüchen genialer rockiger Licks, die unmissverständlich klar machten, dass Omega bei aller Melodik alles andere als eine Schmuseband war. Der progressive Ansatz bot sehr viel Spielraum für ausgeprägte Harmonien, aber Omega waren immer und jederzeit eine Rockband, die auch harte und kompromisslose Lösungen anbieten konnte, ganz besonders live. Gerade dieser Gegensatz machte sie so aufregend.

Die Melodik jedoch, die war wirklich immer schon einzigartig und es gibt so viele klassische Omega-Hooklines, die immer wieder den Stil der Band widerspiegeln und einen hohen Wiedererkennungswert schaffen. Diese Melodik entdeckt man bereits in den späten Sechzigern und man findet sie wieder auf dem letzten Album "Testamentum".
"Thinking Of You" ist so ein Stück Musik. Faszinierend für mich, da ich die Platte bis in die heutigen Tage bislang nicht kannte, dass György Molnár hier im Hintergrund in sanften, repetitiven Schleifen phrasiert, fast im Stil des New Wave – abwechselnd mit Sprenkeln klassischer Licks. Ein zeitgenössisches Zeugnis, ohne seinen eigenen Stil zu verraten, denn die abschließenden Hooks kommen fast wie auf dem vorausgegangenen letzten Studio-Album "Gammapolis" daher. Sehr fein.
Dass das Album nach hinten raus ein wenig durchhängt, möchte ich nur kurz anmerken, es tut eigentlich nicht viel zur Sache, da es mit dieser Veröffentlichung viel mehr um die Vervollständigung eines genialen Gesamt-Kunstwerkes geht und auch "Working" für sich selbst sehe ich eher als Teamplayer, wo das Album in seiner Gesamtheit mehr wirkt denn durch einzelne hervorzuhebende Songs.

Letztlich war "Working" das vorerst letzte englischsprachige und damit auch in Deutschland produzierte Album aus dem Hause Omega, man sah sich wohl ein Stück weit falsch verstanden, da man hierzulande den Quellen des Internets gemäß die Band gerne noch mehr in eine Synthesizer-orientierte Richtung lenken wollte. Das war mit einer Band, die den Rock’n’Roll im Blut hat, nicht zu machen.
Dass die Bandgeschichte bis in die heutige Zeit weitergegangen ist, kann man nachlesen und 2020 war in vielerlei Hinsicht ein dramatisches Jahr. Zum einen gelang die Fertigstellung des wirklich atemraubenden und thematisch erschütternd visionären Albums "Testamentum" – doch andererseits sollte die Vergänglichkeit des Menschen bis zum Ende des Jahres für Omega bittere Wahrheit werden und das Schicksal zwei Mitglieder der Familie aus dem Leben reißen. Bassist Tamás Miháli, der etwa 2015 aus der Band ausgestiegen war, und die Keyboard-Legende László Benkö sind wenige Tage vor Erscheinen des neuen Albums gegangen.

Omega hat die Zeiten des Ostblocks miterlebt, politische Aspekte in ihrer Musik aber nie thematisiert. Dass sie dennoch Opfer der heimatlichen Zensur wurden, lag letztlich nicht an einem politischen Statement, sondern schlicht daran, dass sich ein Mitarbeiter des Plattenverlags vom Titel "Szex Apó" provoziert fühlte. Das 'Sexonkelchen' soll aber ein ganz anderer gewesen sein, das hat die Band immer betont. So oder so war der Bann gegen die Platte ein Verbrechen gegen die Menschheit, denn "200 Évvel Az Utolsó Habórú Után" ist ein grandioses Vermächtnis des frühen progressiven Hard Rocks und seit 1998 endlich auf dem Markt.

Omega sind ein Stück Rockgeschichte, sie haben mich besonders in den Siebzigern mit ihrer großartigen Musik begleitet. Dass sie gerade bei uns in Deutschland so erfolgreich waren, muss nicht verwundern. Diese Sounds, speziell zur Bellaphon-Zeit, waren sehr krautig und passten in die hiesige Musikszene. Gerade jetzt, wo ich mich im Vorfeld für diese Besprechung mal wieder durch die alten Sachen durchgehört habe, sind mir viele Parallelen zu Jane, Eloy und allen voran Birth Control aufgefallen. Gute Gesellschaft allemal und die freundschaftliche Beziehung zwischen Omega und den Scorpions ist seit vielen Jahren bekannt. Zunächst spielten die Scorpions Support für Omega, später war es umgekehrt.

Omega, eine deutsch-ungarische Freundschafts- und Musikgeschichte und ein weltweit erfolgreiches Rockmärchen. Danke Sireena, dass Ihr mit "Working" diese Lücke auf dem CD-Markt und im Portfolio einer der bedeutendsten Rockbands unseres Kontinents gefüllt habt!


Line-up Omega:

Ferenc Debreceni (drums)
György Molnár (guitar)
János Kóbor (vocals)
László Benkö (keyboards, backing vocals)
Tamás Mihály (bass, backing vocals)

Tracklist "Working":

  1. Nasca
  2. Love Games
  3. Inside Outside
  4. Laughing On The Outside
  5. Working
  6. Intermezzo
  7. Rocket
  8. Hostage I
  9. Something’s Goin' On
  10. Thinkin' Of You
  11. Machines
  12. So Long
  13. Hostage II

Gesamtspielzeit: 42:03, Erscheinungsjahr: 2021 (LP ursprünglich 1981)

Über den Autor

Paul Pasternak

Hauptgenres: Psychedelic Rock, Stoner Rock, Blues Rock, Jam Rock, Progressive Rock, Classic Rock, Fusion

Über mich

1 Kommentar

  1. Torsten

    Vielen Dank für den wunderbaren Text !

    OMEGA im HERZEN http://www.omegafreunde.de
    TORSTEN

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