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Stefano Panunzi / Beyond The Illusion – CD-Review

Stefano Panunzi / Beyond The Illusion – CD-Review

Mystisch und absolut spanend startet der italienische Keyboarder und Komponist Stefano Panunzi mit "When Even Love Cannot" sein neues Album "Beyond The Illusion". Düster und dystopisch, gleichzeitig aber auch genau das Gegenteil vermittelnd lässt uns Stefano an seinen Illusionen teilhaben, ja lädt geradezu ein, den eigenen nachzuhängen.

Sanft, aber stets mit dem gewissen stoischen Vorwärtsdrang rollt "The Awakening" heran. Eines der vier Stücke mit Gesang auf der ansonsten instrumentalen Platte. Wie auch die instrumentalen Passagen, fügen sich auch die mit Gesang harmonisch in das Konzept der Kompositionen ein, indem an keiner Stelle Eruptionen oder anderweitige solistische Eskapaden den proggigen Kosmos durchdringen.

Das heißt aber nicht, dass man auf einem trägen Fluss schippert. Im Gegenteil, die Spannungsmomente sind platziert durch die Gesamtchoreografie, die die Einsätze gekonnt setzt. Sei es nun das pumpende Bassspiel, die Wechsel zu jazzigen Strukturen, die Rhythmusarbeit oder durch die Wahl eines Instrumentes. So bringt die Geige nach dem jazzigen "The Bitter Taste Of Your Smile" in "Acid Love" genau die Portion Besonderheit die es braucht, um neben den sphärischen Keyboardlines für Wohlbehagen zu sorgen.

Sicher hätte der Protagonist das Groß des beteiligten Instruments auch selbst per Tasten hinzufügen können, aber er setzte da lieber auf eine Schar Gastspieler, was dem Ganzen eine andere Dimension aufsetzt. Zumal der eine oder andere Gast durchaus bekannt sein dürfte. Wie etwa Tim Bowness, der zusammen mit Steven Wilson No-Man am Laufen hat. "I Go Deeper" erfährt durch seine Vocals einen Touch Leben und mach die Nummer zu einem relaxten Sahnehäubchen des Albums.

Hier die Geige, da die Stimme und bei "Mystical Tree" sowie "The Bench" eine Trompete. In erstgenannter Nummer spielt die Luca Calabrese und wenn es etwas gibt, das man mexikanisch angehauchten Prog nennen  kann, dann haben wir genau das jetzt in den Ohren. In eine andere Richtung führt "The Bench". Hier bläst Mike Applebaum und bringt mit seinem Spiel eine gute Portion Jazz ins Spiel. Leicht erinnert dieser Track auch an die Arbeit zum Beispiel eines Jeff Beals. Generell kann man sagen, dass "Beyond The Illusion" eine tolle Blaupause für die Fimmusik-Industrie sein könnte, denn sie lässt des Hörers Gedanken jede Freiheit.

Seien es nun die eher proggigen Momente, die jazzigen Zutaten oder der entspannende Tenor des Albums an sich – irgendwie wirkt das alles wie  aus einem Guss. So, als könnte es gar nicht anders sein. Da hat der Beipackzettel ohne Zweifel recht, wenn es da heißt, dass Jazz-Freunde Jazz hören und Prog-Freunde Prog. Auch "Her" soll da ein weiteres Beispiel sein. Stimmlich von Grice, am Saxofon von Davide Alivernini perfektioniert, mäandert das Stück begeisternd durch jazzige Prog-Tunes. Steven Wilson wurde ja bereits erwähnt und da ist der Weg zu Gavin Harrison schnell gelegt, denn die gemeinsame Verbindung heißt Porcupine Tree. Gavin (auch King Crimson und Pineapple Thief hat er bei seinen Referenzen) bereitet den fulminanten Teppich zu Fabio Fraschinis beherztem Bassspiel sowie Mike Applebaums nicht minder beherztem Trompeteneinsatz.

Während "We Are Not Just What We Are" sowie "The Portrait" für stimmige Entspannung sorgen, ist "The Doubt" die wohl härteste und auch vertrackteste Nummer. Yuri Crescenko am Fell und Nicola Lori an den dicken Saiten lassen es proggig krachen während die Keys genremäßig agieren. Nicola spielt hier (ist ja nicht live) auch den Sechssaiter und lässt selbigen toll fetzen. Auch Stefano lässt gegen Ende des Stücks die Sau aus dem Keller und orgelt sich mit fettem Klang in Rage. In "I’am" gibt es noch einmal Luca Calabrese mit seinem gefühlvollen Trompetenspiel zu hören und dann ist ein Album zu Ende, welches all diejenigen zu begeistern weiß, die für Prog kein Studium und für Jazz keine Flasche Gin brauchen. Es ist gekonnt austariert, nicht kompliziert, aber auch nicht zu einfach. Besonders durch die Trompete bekommt die Musik diese besondere Tiefe und den fließenden Übergang von Jazz zu Prog und vice versa.
Für mich ist das mein 2021er Sommerabendalbum, welches nach der Sause seinen Auftritt hat.


Line-up Stefano Panunzi:

Stefano Panunzi: (keyboards, programming)

With:

Monica Canfora (violin – #1,4,5)
Grice (vocals – #2,8,10)
Nicola Lori (bass – #2,7,8,10,11, guitar – #2,11)
Tim Bowness (backing vocals – #2, vocals – #5)
Cristiano Capobianco (drums – #3,5)
Lorenzo Feliciati (bass – #3)
Fabio Fraschini (bass – #5,6,9,12)
Ivan Ricchiuto (guitar – #5)
Luca Calabrese (trumpet – #6,12)
Mike Applebaum (trumpet – #7,9)
Mike Bearpark (guitars – #7)
Yuri Crescenko (drums – #7,11)
Davide Alivernini (sax – #8)
Gavin Harrison (drums – #9)
Dario Vero (guitar – #9)

Tracklist "Beyond The Illusion":

  1. When Even Love Cannot (6:58)
  2. The Awakening (5:46)
  3. The Bitter Taste Of Your Smile (3:46)
  4. Acid Love (4:28)
  5. I Go Deeper (4:44)
  6. Mystical Tree (6:20)
  7. The Bench (5:34)
  8. Her (8:10)
  9. We Are Not Just What We Are (5:08)
  10. The Portrait (6:11)
  11. The Doubt (6:16)
  12. I Am! (3:59)

Gesamtspielzeit: 67:17, Erscheinungsjahr: 2021

Über den Autor

Ulli Heiser

Hauptgenres: Mittlerweile alles, was mich anspricht
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