Man muss schon mal anerkennend staunen: 75 Jahre und kein bisschen wei … äh, leise. Und warum auch? Die Hamburgerin Inga Rumpf liebt es nach wie vor zu singen, zu komponieren und auf der Bühne zu stehen. Und obwohl Letzteres in den letzten gut anderthalb Jahren aus bekannten Gründen deutlich zu kurz kam, präsentiert sie zu ihrem runden Geburtstag gleich einen Doppeldecker, der sich gewaschen hat. Zum einen handelt es sich um das brandneue Album "Universe Of Dreams", zum anderen um "Hidden Tracks", eine Scheibe mit elf bisher aus unterschiedlichen Gründen unveröffentlichten Songs. Aber schauen wir erst mal auf das 'Universum der Träume':
Wie in einem anderen Review schon mal erwähnt, finden sich die an einem Album beteiligten Musiker ja leider gar nicht mehr unbedingt im ein und selben Studio ein, um vielleicht (Gott bewahre!) mal einen Track live einzuspielen. Natürlich kann das bei diesem Album aber auch an der die Welt zum Zeitpunkt der Aufnahmen im Griff habenden Pandemie gelegen haben. Und so wurden die einzelnen Instrumente auch für diese Scheibe in verschiedenen Bundesstaaten der USA, verschiedenen Städten in Deutschland und sogar Brasilien aufgenommen. Umso erfreulicher ist dafür das Ergebnis, das sich sehr erdig, harmonisch und viel Bauchgefühl eingespielt anhört. Sämtliche Tracks (außer Otis Reddings "I’ve Been Loving You") wurden von Miss Rumpf selbst komponiert und die Grande Dame der deutschen Sängerinnen hat hier ein wunderschönes Werk kreiert, dem man sich jederzeit und gerne hingibt. Fetzige, nach vorne gehende Rocker sind hier zwar nicht (mehr) am Start, aber die vom ersten Song an gesetzte Atmosphäre aus bluesigen im langsamen bis mittelschnellen Bereich mäandernden Stücke und die soulige Stimme der Protagonistin vermitteln unmittelbar das Gefühl, bei diesem Werk gut und richtig aufgehoben zu sein.
Für vier der Titel konnte sogar der Spitzen-Session-Mann Larry Campbell (der in der Vergangenheit neben vielen anderen auch bereits mit Levon Helm, The Black Crowes oder Bob Dylan gearbeitet hat) gewonnen werden, was alleine schon eine Zierde für jedes Album ist. Aber auch die weiteren Hauptbeteiligten Friso Lücht, Kevin Bents sowie Martin Ditcham liefern allerfeinste Arbeit ab. Zwei oder drei Nummern herauszunehmen und genauer zu beschreiben, wäre dem restlichen Material gegenüber ungerecht, da hier durchweg großartige Arbeit abgeliefert wurde. Aber da war doch noch was … verdammt, "I’ve Been Loving You" ist auf meinem Doppel-Vinyl gar nicht enthalten!?! Sehr wohl jedoch auf der CD-Version und digital, wie sich nach wenigen Recherchen herausstellt. Und bei diesem Stück zieht Inga Rumpf ihren Hörern mit ihrem Gesang dann endgültig die Schuhe aus. Gänsehaut pur, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Tja, und dann ist da "Hidden Tracks": Ende der achtziger Jahre nahm die gute Inga unter anderem in London ein Album mit Rob Fraboni als Produzent auf, die Studiomusiker waren niemand geringere als Johnny Lee Schell (guitars), James 'Hutch' Hutchinson (bass) sowie Ricky Fataar. Keith Richards war über die Jahre auf Inga aufmerksam geworden und hatte Fraboni immer schon nahe gelegt ihn zu informieren, falls er und die Hamburgerin mal zum gleichen Zeitpunkt in derselben Stadt sein sollten. So geschah es, dass Frau Rumpf erstmal zu einer kleinen Party in Keith Hotelzimmer eingeladen wurde und am nächsten Abend Keith mit Ron Wood im Studio erschienen. Mr. Richards ist mit seinen direkt erkennbaren Riffs bzw. Akkorden auf "Dance It Up" zu hören, Kumpel und Bandkollege Woody auf "Two Is One" und um die Riege der Rolling Stones-Gitarristen abzuschließen, ist hier auch Mick Taylor auf "I Am I" mit einem Slide-Solo vertreten. Muss ich die dazu gehörenden grandiosen Inga-Vocals noch speziell erwähnen?
Aber es liegt natürlich nicht (nur) an den Stones-Gitarristen, dass auch "Hidden Tracks" auf ganzer Länge punktet. Das eröffnende "Can’t Stop Myself" ist so eine Art zweischneidiges Schwert, das einerseits ganz furchtbar unter den Ende der Achtziger so angesagten Sounds leidet, andererseits aber eine sehr starke Gesangsmelodie mit der Frontlady in absoluter Hochform präsentiert. Letzten Endes ebenfalls ein Gewinner. Nach den ersten vier Tracks wechselt das Personal (außer Inga) allerdings und die restlichen Songs zeigen ihre Zusammenarbeit mit dem Gitarrist Helmut Krumminga. Hier geht es zumeist bluesig zur Sache, die Instrumente halten sich – obwohl sehr präsent – mehr im Hintergrund und lassen viel Platz für den bluesigsten und souligsten Gesang, den eine deutsche Sängerin bisher aufs 'Band' gezaubert hat. Ebenfalls ein Knüller: Das jazzige "A Woman In Love", das unter anderem durch eine todtraurige Posaune (wie beispielsweise auf den frühen Tom Waits-Alben zu hören) nochmal eine zusätzliche Klangfarbe ins Spiel bringt. Auch für die zweite Vinyl-Scheibe gilt: Kein Ausfall, kein Füller, kein Stück macht auch nur ansatzweise den Versuch, ein minimales Quentchen Qualität aufgrund Unaufmerksamkeit oder Selbstzufriedenheit nachzulassen. Alle Daumen nach oben!
Bei sowohl "Universe Of Dreams" als auch "Hidden Tracks" sind im Vergleich zum (hervorragend klingenden) Doppel-Vinyl auf CD und digital jeweils zwei Bonus Tracks vertreten, die bei der gebotenen Qualität eine sehr willkommene Ergänzung darstellen. Übrigens wird in Kürze auch Inga Rumpfs Autobiografie "Darf ich was vorsingen" in den Handel kommen, auf die man sich bereits gespannt freuen darf.
Mit diesem Doppelalbum hat sich Madame Rumpf auf jeden Fall ein weiteres eigenes Denkmal gesetzt, das den Test der Zeit mit Sicherheit ohne Probleme überstehen wird. Ganz dicker Tipp!
Line-up Inga Rumpf "Universe Of Dreams":
Inga Rumpf (acoustic & slide guitar, Dobro, tambourine, piano, keyboard, vocals)
Friso Lücht (piano, Wurlitzer, Hammond C3, synthesizer, bass, electric & slide guitars, harpsichord)
Larry Campbell (acoustic-, electric- & pedal steel guitars, Dobro, violin)
Kevin Bents (acoustic- & electric guitars, bass, piano, organ, Wurlitzer, accordeon)
Jack Daley (bass)
Martin Ditcham (drums & percussion)
Line-up Inga Rumpf "Hidden Tracks":
Johnny Lee Schell (guitars)
Keith Richard (guitar)
Ron Wood (guitar)
Mick Taylor (slide guitar)
Stepan Birkmeyer (guitar)
Helmut Krumminga (guitar)
Richard Tee (piano)
Nicky Hopkins (organ)
Amanda Vincent (keyboard)
Nils Gessinger (keyboard)
Michael Danner (trombone)
James 'Hutch' Hutchinson (bass)
Niels Lorenz (bass)
Achim Rafain (bass)
Ricky Fataar (drums)
Tim Lorenz (drums)
Heinrich Koebberling (drums)
Ray Cooper (percussion)
Tracklist "Universe Of Dreams" & "Hidden Tracks":
- Universe Of Dreams
- I Wrote A Letter
- Hold On, Slow Down
- Singing Songs
- Back To The Roots
Side 2:
- Never Too Late
- About You
- All In Good Time
- One Man Band
- Slow Motion
- My Diary
- Can’t Stop Myself
- Dance It Up
- I Am I
- Two Is One
- Falling In Love
Side 4:
- The Best Thing I Know
- Please, Stand By Me
- A Woman In Love
- Friends
- No Cross – No Crown
- What A Wonderful World
Gesamtspielzeit: 22:08 (Side 1), 20:45 (Side 2), 22:06 (Side 3), 23:23 (Side 4), Erscheinungsjahr: 2021
1 Kommentar
Manni
15. August 2021 um 20:37 (UTC 1) Link zu diesem Kommentar
Abteilung Erbsenzählung 🙂
präsentiert sie zu ihrem runden Geburtstag gleich einen Doppeldecker
Unter einem runden Geburtstag versteht man einen Geburtstag, der ohne Rest durch 10 teilbar ist. Also muss die gute Inga noch 5 Jahre auf den nächsten warten. scnr… 😉
Inga Rumpf hat eine außergwöhnliche Stimme, da hast du recht! Ich hab ihr unzählige Stunden meines Lebens zugehört und werd das auch weiterhin tun, so Gott will…