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Dracyor / Gyöngyvér – CD-Review

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Für ihr Debütalbum haben sich die Musiker der deutschen Metalband Dracyor gleich einen Platz in der Königsklasse reserviert. Ein Konzeptalbum sollte es sein, noch besser: eine Vampiroper frei nach dem Motto "Vampirtanz in Dekadenz". "Vampire Dance In Decadence" lautet einer der Titel auf ihrem Album "Gyöngyvér". In der fantasievollen Handlung geht es um ein Vampirgeschlecht, dessen Anführer Lord Levente unsterblich in die Menschenfrau Gyöngyvér verliebt ist. Er umwirbt sie und wählt sie zu seiner Mitternachtsbraut, indem er sie zu einer Vampirin macht. Er weiß jedoch nicht, dass Gyöngyvér ihre Verwandlung geplant und ihn verführt hat, um sie zu seiner Gattin zu machen.

Viel Stoff für ein musikalisches Konzept, dessen Inhalt im vollen Umfang noch komplizierter ist. Im Kern geht es darum, dass Gyöngyvér Lord Levente in ein Land entführen möchte, in dem sich Licht und Dunkelheit vermischen und neue Kreaturen hervorgebracht werden.
Die turbulente Geschichte dreht sich also nicht nur um Liebe, Leidenschaft und Macht; im Rahmen der Handlung tauchen immer mehr Figuren auf.

Doch der Hörer braucht keine Angst zu haben. Wo Konzept draufsteht, sorgt Songschreiber Marcel Schiborr alias Boromir (Gitarren, Gesang) dafür, dass zwölf Stücke der Metaloper den roten Faden und damit das Konzept liefern. Die Vorarbeit für sein ehrgeiziges Vorhaben leistete Marcel Schiborr bereits 1998. Damals schrieb der im Ruhrgebiet beheimatete Musiker und Komponist den Song "Midnight Bride" im Gothic-Gewand. Weil er aber noch in anderen Formationen mit unterschiedlicher Ausrichtung aktiv war, dauerte es bis 2018, ehe er Material für ein komplettes Gothic Metal-Album hatte.

Ausgangspunkt des lyrischen Konzepts des vorliegenden Albums ist ein Foto des Models Libertina Grimm. Ihre Darstellung auf dem Plattencover von "Gyöngyvér" inspirierte den Musiker zur textlichen Umsetzung seiner Idee. Von Marcel Schiborr stammen die Musik zu allen Stücken sowie sieben Liedtexte. Den Text zu den Tracks "Midnight Bride", Insatiable Hunger", "Vampire Dance In Decadence" und "Gyöngyvér´s Rising" schrieb Sängerin Martina Grasmück. In Artwork und Layout teilen sich Daniel Bauer und Marcel Schiborr. Produziert wurde das Werk von Peter Ostaszewski und Marcel Schiborr.

Die turbulente Geschichte der Menschenfrau Gyöngyvér schlägt sich natürlich auch im musikalischen Konzept nieder. Mehrere Genres des Metal sorgen für Abwechslung und Unterhaltung auf einem sehr guten Niveau. Gothic trifft auf Symphonic Metal und auf Dark Metal-Elemente. Der scheinbare Kontrast zwischen der klaren, einprägsamen Stimme der Sängerin Martina Grasmück alias Gyöngyvér und den finsteren Growls des Sängers Björn Luig alias Lord Levente stehen zwar für ein lupenreines Metal-Album, das es aber dank der vielen unterschiedlichen Elemente verdient hat, auch genreübergreifend beachtet zu werden. Die Auswahl von Gesang und Instrumenten, getragen von einer erzählerischen Weise in Gesangsform, beflügeln diesen grenzübergreifenden Umgang. Das sollte sich als erfolgversprechend erweisen.

"Midnight Bride" als zweites Stück ist ein klangvoller Einstieg mit einem Refrain, der kaum noch aus dem Gehörgang geht. Poppige Züge hat "Unravelling Principles", doch der Gesang von Lord Levente bringt uns schnell wieder zurück die gewünschte Realität. Eine gesangliche Meisterleistung hören wir bei "The Landscape Of Her Eyes". Das Duett der Sänger erzeugt bei mir Gänsehaut. Aber es zwingt gleichwohl zum genauen Zuhören.

Die abwechslungsreichen Stücke, die fest im Verbund miteinander stehen, aber losgelöst ebenfalls zu überzeugen wissen, sind zugleich für Überraschungen gut. So werden bei "Lord Levente" zu Beginn einsetzende Mönchsgesänge wieder von den Gesangssolisten abgelöst und die musikalische Reise nimmt ihren bewährten Lauf auf, nicht ohne den Spannungsbogen der Geschichte aus den Augen zu verlieren.

Alle Stücke betrachtet, fällt der ausgewogene Einsatz von Gesang, Keyboard und Gitarren auf. Es sind außerdem barocke Gitarren und dunkle Violinen zu hören, mitunter eingebettet in Bass und kraftvolle Drums. Damit wird es bei einer stattlichen Spiellänge von 57:35 Minuten zu keiner Zeit langweilig. Ganz im Gegenteil: Der Hörer dringt praktisch mit jedem Durchlauf im Detail tiefer in das Geschehen ein.

Wer die reizvolle Mischung aus Gothic-Atmosphäre und Metal liebt, liegt bei Dracyor genau richtig und wird an deren Debütalbum Gefallen finden. Fans solcher Bands wie Theatre Of Tragedy, The Sins Of Thy Beloved, Therion, Draconian, Tristania, Dead Can Dance, Lacuna Coil und Paradise Lost sollten zumindest ins Album reinhören.

Ein langgehegter Wunsch der Band ist es, die Story auf die Bühne zu bringen. Den Höreindruck einmal zugrunde gelegt, sollte es bei dieser Liveumsetzung als Septett an nichts fehlen. Hier dürfte es ordentlich zur Sache gehen. Hier kann man der Band nur die Daumen drücken, dass ihr Wunsch baldmöglichst in Erfüllung geht.

Das Debütalbum "Gyöngyvér" der Band Dracyor ist als Download, Stream und CD erschienen.


Line-up Dracyor:

Gyöngyvér (vocals)
Lord Levente (vocals)
Boromir (vocals, guitars)
Ildikó (violin, viola)
Davór (bass)
Count Sagúl (drums)
László (keyboards)

Tracklist "Gyöngyvér":

  1. Boromir´s Letter
  2. Midnight Bride
  3. Unravelling Principles
  4. Lord Levente
  5. Uncertain Promise
  6. The Landscape Of Her Eyes
  7. Insatiable Hunger
  8. Vampire Dance In Decadence
  9. Daylight Wanderer
  10. Shunned
  11. Awoken By Impure Blood
  12. Gyöngyvér´s Rising

Gesamtspielzeit: 57:35, Erscheinungsjahr: 2021

Über den Autor

Mario Keim

Musikstile: Heavy Rock, Rock, Deutschrock, Hard Rock
Marios Beiträge im RockTimes-Archiv

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