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Oregon / 1974 – CD-Review

Oregon / 1974

Die Band Oregon nimmt eine absolute Sonderstellung in der Musikszene ein. 1970 gegründet von Ralph Towner, Paul McCandless, Glen Moore  und Collin Walcott, stellten die Vier ein ganz besonderes Konzept vor: Jazz, Weltmusik, Improvisationsmusik in einem kammermusikalischen Rahmen, ohne viel Lärm, keine E-Gitarren, nur Akustikgitarre, Piano, Tablas, Sitar und Oboe.

Towner und Moore spielten bereits vorher zusammen, unter anderem als Begleitung für Tim Hardin oder im Paul Winter Consort. Nach einem ersten Album folgen drei weitere Studio-Platten, bis 1975 das erste Live-Album, "In Concert", erschien. Diese Aufnahmen entstanden im April 1975. Im Juli und August 1974 wurde der Vorgänger "Winter Light" im Studio eingespielt.

Mit "1974" liegt nun eine weitere Liveaufnahme aus jenen Tagen vor, das ist insofern sehr zu begrüßen, war doch die Musik auf "In Concert" ein wahrer Ohrenschmaus. Darüber hinaus deckt sich lediglich ein Song mit jenem Konzert, das ist der Klassiker "Silence Of A Candle", allerdings in einer wesentlich längeren und beeindruckenderen Version aus 1975 mit 9:53 Minuten. Hier, seinerzeit am 14.März 1974 im Sendesaal/Studio F von Radio Bremen aufgenommen, läuft der Titel lediglich über 3:21 Minuten. Dafür liegen allein sechs andere Songs über der Marke von zehn Minuten, "Raven’s Wood" ist davon mit 17:49 das längste.

Nun, die "Winter Light" war noch nicht aufgenommen worden seinerzeit und das letzte Album vor dem Bremer Konzert stammt aus 1973, das ist "Distant Hills". Und dennoch stammen lediglich drei der auf der Doppel-CD vorhandenen neun Stücke von jener Platte. Von der noch nicht erschienenen "Winter Light" konnte man bereits einen Song vorab hören – "Ghost Beads".

Ja, das verehrte Publikum in Bremen konnte sich damals glücklich schätzen, diese Band in Hochform erlebt zu haben, präsentierte man sich doch als hochkarätiges Kollektiv. Unter Einbezug aller der von ihnen verwendeten Elemente kann man nachvollziehen, wie sich diese innerhalb einer Live-Einspielung noch mehr ausbreiten konnten. Und dieses funktionierte anlässlich der doch sehr langen Stücke sogar besser als auf der damaligen "In Concert". Die Musik war live druckvoller, teils auch aggressiver und zeigt die Reichweite der Texturen wesentlich weitläufiger und ausdrucksstärker auf. Allein der brummelnde Bass von Glen Moore auf "Brujo" ist faszinierend und belegt gleichzeitig die hohe Qualität der Aufnahme von Radio Bremen.

Auch Paul McCandless ist teils außer Rand und Band und lässt die Zügel los, um solistisch unendlich abzuheben, hinein in Bereiche des freien Jazz bisweilen. Doch dann halten die Tablas von Walcott die Musik doch noch am Boden, und wenn Towner seine lyrischen Gitarrenläufe einflicht und es ganz ruhig und beschaulich wird, dann meint man, bereits im New Age-Zeitalter gelandet zu sein. Doch dort war die Band nie angesiedelt, dazu war ihr Sound zu impulsiv, vor allem dann, wenn frei improvisiert wurde, wie ansatzweise auf "Raven’s Wood". Denn rein freie Improvisationen waren ansonsten sowohl auf den Studio- als auch Live-Einspielungen stärker vertreten als auf "1974",

Auf Studioeinspielungen ist Towner auch oft zum Piano gewechselt, bei diesem Live-Konzert ist es Collin Walcott, der Sitar und Tabla schweigen lässt auf "Ogden Road", um selbst pianistisch tätig zu werden. Und das bringt eine ganz besondere Note in den Song, wirkt er doch in diesen Passagen sehr verträumt und ein wenig melancholisch, und ebenfalls am Jazz orientiert.

Mit einem der wohl schönsten Songs von Ralph Towner endet das Konzert schließlich, hier nicht so ausgearbeitet wie auf "In Concert", sondern wirklich als gesetzter romantischer Schlusspunkt unter ein wundervolles Konzert in feinster Klangqualität.
Ja, dieses Doppel-Album ist ein wahres Juwel! Ein Juwel, getragen vom vibrierenden Klang der Akustikgitarre Towners, dem schnurrenden Bass Moores, dem improvisationsfreudigen Spiel McCandless, dem exotischen Klang der Sitar und den wirbelnden Tablas von Walcott.


Line-up Oregon:

Ralph Towner (acoustic guitar, percussion – CD 2 – #3)
Paul McCandless (oboe, English horn, percussion – CD 2 – #3)
Glen Moore (bass)
Collin Walcott (sitar, tabla,percussion, piano – #CD 1 – #4)

Tracklist "1974":

CD 1:

  1. Brujo (8:28)
  2. Ghost Beads (14:19)
  3. Dark Spirit (14:21)
  4. Ogden Road (12:13)

CD 2:

  1. Distant hills (9:21)
  2. Embarking (12:57)
  3. Raven’s Wood (17:49)
  4. Canyon Song (10:41)
  5. The Silence Of A Candle (3:21)

Gesamtspielzeit: 49:24 (CD 1), 54:10 (CD 2), Erscheinungsjahr: 2021

Über den Autor

Wolfgang Giese

Hauptgenres: Jazz, Blues, Country
Über mich: Althippie, vom Zahn der Zeit geprägt, offen für ALLE Musikstile
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Mail: wolfgang(at)rocktimes.de

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