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Rockmusik im Film: Apocalypse Now

Dass sich Bilder und Musik gegenseitig verstärken können, wenn man sie passend kombiniert, das ist keine neue Erkenntnis und wird spätestens seit der Erfindung des Lichtbildvortrags praktiziert. Dabei liegt der Erfolg sicherlich in der Auswahl, denn gegensätzliche Medien können durchaus auch katastrophale Effekte erzielen und den Zuschauer/-hörer verstören. Klassisch wurde die Musik seinerzeit live eingespielt, mal mit Piano, mal mit einem ganzen Orchester. Wer kennt sie nicht, die 'Väter der Klamotte', die zu lebhaft fröhlicher Musik ihren Schabernack trieben. Die Bilder aus jenen Tagen werden auf ewig mit ihrer Begleitmusik verschmolzen bleiben.

Die Musik veränderte sich mit der Zeit, aber die Verwendung von Rockmusik als tragende Untermalung in ernsthaften Produktionen wagten Filmemacher erst sehr spät. Heute ist das ein gern verwendetes Stilmittel, man denke nur an Quentin Tarantino oder Robert Rodriguez, da spielt der Soundtrack und die Musikauswahl eine ganz bedeutende Rolle. Damals, im Jahre 1979 war Francis Ford Coppola sicherlich eher so etwas wie ein Pionier, als er für "Apocalypse Now" tief in die Geschichte der Rockmusik eindrang und durch seine fulminante, intelligente Auswahl von bekannten Songs ein ohnehin schon unfassbares Kunstwerk zusätzlich veredelte.

Und weil ihm dieses Thema insgesamt offenbar sehr am Herzen lag, besetzte er die Aufgabe zur Erstellung eines Soundtracks mit seinem eigenen Vater Carmine, der schon bei "Der Pate" mit ihm zusammen gearbeitet hatte. Für spezielle Effekte innerhalb des Films benötigte der Regisseur herausragende Perkussionisten und fand diese anlässlich eines besuchten Grateful Dead Konzerts in deren beiden virtuosen Schlagzeugern Mickey Hart und Bill Kreutzmann. Außerdem war Francis Ford Coppola derart fasziniert von dem damals gerade mal fünfundzwanzigjährigen Randy Hansen und seinem Hendrix geprägten Gitarrenspiels, dass er auch dessen Improvisationen in den Soundtrack einbauen ließ.

Nur ein sehr bedeutsamer und später vielfach diskutierter Szenen-Block sollte klassisch inszeniert werden, doch dazu später.

Neben der Ebene der Musik wirkt der Film natürlich durch die unbeschreibliche Kameraarbeit von Vittorio Storaro, der mit seinen verstörend ästhetischen Bildern genau die verborgenen Geister des Betrachters weckt, die Coppola herauf beschwören wollte, um den Zuschauer in die Grundmetapher mit einzubeziehen. Denn der Film will vor allem die psychisch, moralischen Aspekte des Krieges beleuchten, all die irrwitzigen Grausamkeiten erklären, die ohne die Natur des Menschen gar nicht möglich wären. Und wenn wir uns der Faszination der Bilder hingeben, dann braucht es schon ein wenig Mut, sich diese überhaupt erst einmal einzugestehen. »Aber das ist doch grausam, das ist doch Irrwitz«, werden wir uns sagen, »das darf mich doch gar nicht so seltsam berühren«. Vielleicht ist gerade dies die wichtigste Botschaft des Films, sich der dunklen Geister seines eigenen Seins bewusst zu werden, um sie nicht durch Lüge und Hinterhalt hinaus zu lassen. Nur wer Abgründe kennt und erkennt, kann ihnen begegnen.

Und selbstverständlich beinhaltet der Film den Auftrag an jeden von uns, sich den Kriegstreibern, Schwindlern und Rattenfängern zu verweigern, die uns mit falschem Spiel in irgendein 'Kriegsabenteuer' lotsen mögen. Betrachtet man die Presse der letzten Monate, dann scheint das realer als je zuvor.

Um die Sinnlosigkeit und Verlogenheit des Krieges angemessen darzustellen lässt Coppola seinen Helden durch eine Welt des Wahnsinns und der absurden Episoden ziehen, sinnbildlich den Fluss als Lebensader des Grauens entlang. Ausgestattet mit dem Auftrag, einen Kameraden zu töten, der angeblich den Verstand verloren hat.

The End (erster Teil), The Doors, 1967

Dieses zeitlose, psychedelische Meisterwerk aus der Feder von Jim Morrison war 1979 letztlich nur noch ein Oldie. Es war die Zeit, als sich die Jünger der Rockmusik immer mehr auseinander entwickelten, in polarisierend gegensätzliche Tendenzen wie Punk oder Disco. Klassischer Hardrock schien damals in eine lang anhaltende Latenzphase einzutreten. Unabhängig davon, "The End" war schon immer ein Song voller destruktiver Energie, voll von innerer Zerrissenheit und Verzweiflung, mehr noch als Deep Purples "Child In Time". Dabei hatte Jim den Song ursprünglich in Erinnerung an eine gescheiterte Beziehung geschrieben, später aber selbst dazu gesagt: »Jedes Mal, wenn ich dieses Lied höre, bedeutet es etwas anderes für mich. Es begann als ein einfaches Abschiedslied, wohl nur für ein Mädchen, aber ich sehe, wie es ein Abschied von einer Art von Kindheit sein könnte. Ich weiß es wirklich nicht. Ich denke, es ist ausreichend komplex und universell in seiner Bildsprache, dass es fast alles, was Sie wollen, sein kann«.

Diesen Song in einer tragenden Rolle in den Film zu integrieren war so oder so ein Geniestreich, symbolisiert er doch auf verschiedenen Ebenen den Abschied von Vernunft, Menschlichkeit und was sonst noch im Krieg alles verloren geht. Eine ganze Jugend, die ihre Unschuld und ihre Zukunft verliert. Erschütternder als in "Apocalypse Now" ist das niemals dargestellt worden und ohne Jims "The End" wäre der Film nicht das, was er ist.

Die Anfangssequenz

Der Song startet mit Flügelschlägen der Flugkörper und dem bekannten, dezenten Intro von Robby Krieger. Das Bild zeigt in Zeitlupe kreisende, kleine Helikopter vor einem Urwaldgürtel, während das Gesicht von Captain Benjamin L. Willard (Martin Sheen) in einer Überblendung sichtbar wird und in ein fernes Nichts zu starren scheint. Diese Szene beinhaltet quasi den ersten, ruhigen Teil des Songs, baut aber schon hier eine der Grundmetaphern des Gesamtwerks auf. Die innere Zerrissenheit des Menschen und die faktische Zerstörung, die durch die Hubschrauber schon einmal angedeutet wird. Vor allem aber die Seelenzustände des Captain Willard, der die Handlung des Films weitgehend als Erzähler trägt, werden so von Beginn an in den Vordergrund gestellt und so kreiselt die Szene allmählich in den Film hinein, wenn die Musik im Hintergrund verhallt und die Außen-Szenerie im Bild immer mehr dem Gesicht des Protagonisten weicht. In der Handlung wird sehr schnell klar, dass unser Held bereits jetzt vom Kriegsgeschehen irreparabel in seiner Seele geschädigt wurde.

Der Ritt der Walküren, Richard Wagner, 1851

Auch wenn die musikalische Herkunft dieses Werks mit Rockmusik an sich nichts zu tun hat, darf die Erwähnung dieses Themenkomplexes im Zusammenhang mit "Apocalypse Now" auf keinen Fall fehlen, es ist wohl die berühmteste Szene des gesamten Films und angelehnt an eine Wochenschau aus dem Jahre 1941, als mit dieser Musik die Luftschlacht um Kreta untermalt wurde. Die heroische Kampfansage der Walküren traf damals den braunen Zeitgeist und der Führer selbst war ja der Musik Richard Wagners sehr zugetan.

Dieser Film liefert Statements, die wehtun, weil sie so wahr sind. Eine Parabel gegen die Verlogenheit und Heuchelei in unserer Gesellschaft und eine Offenbarung des perversesten, was menschlicher Geist je geschaffen hat. Den Krieg.
Lieutenant Colonel Kilgore (Robert Duvall, Oscar prämiert) marschiert mit seinem Cowboy-Hut breitbeinig durch die Kampfszenen, vorbei an ermordeten Kindern und verblutenden Soldaten, verteilt Spielkarten auf die Toten und geht mit seinen Kameraden surfen, während die Bomben ringsum die Zivilisten in Stücke reißen. In einem Dialog mit Captain Willard kommt es zu einem legendären Zitat, wenn Kilgore über einen vergangenen Einsatz philosophiert und mit verklärtem Blick erklärt: »Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen.« Alles kein Problem, denn Lieutenant Colonel Kilgore befolgt seine Befehle, er ist ein guter Soldat.

Colonel Kurtz (Marlon Brando, ebenfalls mit einem Oscar für seine Rolle ausgezeichnet) hingegen konfrontiert den Generalstab mit dessen Lügen, der Doppelmoral im Umgang mit all den Grausamkeiten des Krieges. Und er gehorcht ihnen nicht mehr, wofür sie ihn als geisteskrank brandmarken und seinen Kopf einfordern.

Abgesehen von der brachialen Gewalt der kriegsbedingten Umstände erscheint mir diese Gesellschaftskritik auch in unserer neoliberalen, urkapitalistischen Wertegemeinschaft äußerst angebracht. Heute noch mehr als damals. So betrachte man sorgfältig heutige berufliche Umfelder – sehr viel anders geht es dort auch nicht zu. Der servile Gehorsam wird zur Tugend erklärt, kritische Geister werden zunehmend gegeißelt. So scheint sich zum Beispiel unsere hiesige Presselandschaft 'das Grauen' zum Freund gemacht zu haben, um es mit den Worten Colonel Kurtz' zu sagen.

Satisfaction, The Rolling Stones, 1965

Ausgerechnet der erste Song, den die Stones einst in den Staaten geschrieben haben und der eine Anklage der kommerziell überfrachteten Gesellschaft insbesondere in der USA sein sollte, wurde dort zum ersten Nummer Eins Hit der Stones jenseits des großen Teichs. Diesen Geist fängt Francis Ford Coppola genial auf, wenn er den jungen Laurence Fishburne als Clean zu diesem Song auf dem Patrouillen-Boot tanzen lässt, während der Surfer Lance (Sam Bottoms) auf dem Nung-Fluss (dem fiktiven Synonym wohl für den Mekong) dazu Wasserski fährt. Ein weiteres Steinchen im Mosaik der Wirrungen und Abartigkeiten, denen unsere Helden auf ihrer Reise ausgesetzt sind.

Suzie Q, Dale Hawkins, 1957

Den nächsten Baustein abstruser Ereignisse untermalt "Suzie Q", hier in einer bluesrockig erotischen Version ähnlich denen von Creedence Clearwater Revival oder Johnny Winter. Mitten im Kriegsgebiet wird eine nächtliche Show inszeniert, mit Sex ’n Drugs ’n Rock ’n' Roll. Erst wird die Truppe von den Bunny-Häschen und der anheizenden Musik in Stimmung gebracht, doch dann türmen die Veranstalter des Spektakels, wenn die ersten Animierten ihre Triebe entdecken. Nur gucken, nicht anfassen, im Anbetracht der Situation der Beteiligten eine ziemlich verlogene Nummer. Wie sagt Captain Willard so schön? Charlie (der Feind) hat vom Amerikanischen Amüsement nichts mitbekommen, er hat inzwischen seine Bunker ausgebaut.
Eine surreale Welt, die uns den Irrsinn des Krieges verdeutlichen soll.

The End (Schlussteil), The Doors, 1967

Die überwältigende Inszenierung dieser Sequenz zum Einen durch die atemraubenden Kamerabilder von Vittorio Storaro, die ungeheure Dramatik der Handlung, wenn Captain Willard letztendlich seinen Auftrag erledigt, vor allem aber die völlige Verschmelzung mit der sich immer mehr steigernden Musik, einem psychedelischen Amoklauf gleichend stellt alles bis dahin gesehene in den Schatten. Ganz davon abgesehen verleiht die wilde Abfolge von Wechseln zwischen der Hinrichtung des Colonel Kurtz und der gleichzeitigen, rituellen Schlachtung eines Wasserbüffels der Szene eine geradezu beängstigende Gewalt. Die Wucht der Macheten-Schläge werden bei dem Tier bis aufs letzte Detail demonstriert, während die Schläge von Willard mehr oder weniger nur angedeutet bleiben. Zusammen mit dem apokalyptischen Crescendo von "The End" eine Sinneserfahrung, die bis in die tiefsten Winkel menschlichen Empfindens dringt. Und wenn die letzten Töne gerade verklingen, und Marlon Brando den sterbenden Kurtz noch einmal »Das Grauen, Das Grauen« hauchen lässt, dann fröstelt es mich wie niemals zuvor in der Filmgeschichte.

Rockmusik hat als ein Stilmittel diesen Film geprägt. Die Auswahl an alten Songs ist überragend und die für den Film geschriebenen Musik-Sequenzen, gespielt von großartigen Künstlern aus der Szene, passen sich nahtlos in das Handlungs- und Stimmungsgefüge. Für mich ist "Apocalypse Now" der größte Film, den das Kino je hervor gebracht hat und es tut gut zu wissen, dass die Kultur der Rockmusik ihren Anteil daran hat.

Über den Autor

Michael Breuer

Hauptgenres: Gov´t Mule bzw. Jam Rock, Stoner und Psychedelic, manchmal Prog, gerne Blues oder Fusion

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