Es gibt Musiker, die haben ihr Publikum von der ersten Minute an im Griff, da springt der Funke quasi mit dem ersten Saitenschlag über. Genau solch ein Musiker ist Julian Sas. Gerade erst ausgezeichnet mit dem 'European Blues Award' in der Kategorie bester Live-Musiker und mit frischen Eindrücken seiner kurzen Deutschlandtour betrat ein äußerst entspannter und gut gelaunter Julian mit seiner neuen Combo die Bühne der Harmonie. Dort, wo er schon vierzehn mal zuvor gespielt hatte, wo sie ihn mehr lieben als irgendwo sonst. 'Uitverkocht' war die Veranstaltung, ausverkauft; so wie immer, wenn der sympathische Holländer in Bonn vorbei schaut. Und Julian ist kein Mann der großen Vorrede, er eröffnet seine Konzerte gerne und sehr oft mit einem Boogie – von null auf hundert in zwei Sekunden. So auch heute Abend. Das kann schweißtreibend werden, schießt es mir durch den Kopf, aber wir haben vorsorglich einen strategisch guten Platz gewählt: Nahe bei der Theke.
Hey, nun habe ich den bluesigen Saitenhexer aus dem Nachbarland schon so oft live erleben dürfen, aber noch nie zuvor mit einer Tastenbegleitung. In den letzten Jahren war Julian tatsächlich nur mit einem Powertrio unterwegs, seit etwa einem Jahr ist nun Roland Bakker dabei, Julian sollte ihn später als »den Bruder, den ich nie hatte« vorstellen. Aber bis dahin hatte Roland uns längst mit seiner wirklich wunderbar schweinischen Hammond Orgel und seinem groovenden E-Piano mächtig eingeheizt. Ja, diese Besetzung macht absolut Sinn, ein virtuoser Gegenspieler für Julians herrliche Saiten-Eskapaden. Das passt! Insgesamt ist das Spiel der Band durch den getasteten Akzent flexibler geworden und der Sound kommt noch fetter rüber. In manchen Passagen hätte man fast meinen können, einen Deep Purple Song vorgespielt zu bekommen, da wurden tatsächlich Erinnerungen an den großen Jon Lord wach. Ganz nebenbei sollte angemerkt werden, dass auch die Position am Bass seit einiger Zeit durch Fotis Anagnostou neu und bestens besetzt ist. Rob Heijne hingegen trommelt sich immer noch die Seele aus dem Leib, allein ihm bei der 'Arbeit' zuzuschauen ist ein Erlebnis. Julian stellte ihn später als »The Animal« vor.
Aber die Bandbreite eines Julian Sas umfasst viele Aspekte Blues orientierter Rockmusik. Hier und da phrasiert er ein bisschen wie Walter Trout, aber im Gegensatz zu seinem mitunter ziemlich weit ausholenden, berühmten amerikanischen Kollegen bleibt Julian immer erdig, klar und zielstrebig. Wenn Herr Sas improvisiert, dann frickelt er nicht, nein, er bleibt stets im Thema, im Kontext des Songs, er verliert nie den roten Faden. Und an diesem Abend fliegen die Licks besonders gut, knallen uns die Läufe der Les Paul und auch der Blues erprobten und so meisterhaft geslideten Firebird mit Wucht um die Ohren. Voller Inspiration, Leidenschaft und Virtuosität. 'Best European Blues Artist Live', eine sehr gute und zutreffende Wahl!
Den alten Allman Brothers Band-Fan, der ich nun mal bin, ergriffen irgendwann wohlige Schauer, als Julian ganz lässig 'eine kleine Jam' ankündigte. Seine leicht jazzigen Soli waren dann nichts anderes als eine Liebeserklärung an die Musik von Dickey Betts und Co., unglaublich mitreißend, unglaublich gut. Und dass sie uns an diesem draußen so trüben Tag mit dem legendären "Statesboro Blues" einheizten, weckte eine Menge Erinnerungen an vergangene Tage, Flashbacks für eine lange Nacht.
Mitten hinein in die aufgeladene Atmosphäre bringt Julian sehr gerne auch immer wieder mal einen langsamen Blues, dort, wo er sein emotionales Gitarrenspiel so wunderbar ausarbeiten kann. Beim Titelstück seines neuen Albums "Coming Home" folgen die vorher so enthusiastisch mitgehenden Fans fast ehrfürchtig dem getragenen Solo, man hätte wohl die berühmte Stecknadel fallen hören können. Ich hatte schon auf der Platte den Eindruck, dass Julian diesen Song ganz besonders zelebriert, das Statement des Familienvaters beim letzten Konzert vor der Heimreise, ehrlich, tief und bewegend.
Aber es gibt noch einen anderen Helden, dem Julian stets seine Ehrerbietung erweist, einer der vielen Großen, die nicht mehr bei uns sind. Die Rede ist von keinem Geringeren als Rory Gallagher. Ich weiß nicht, ob es schon einmal ein Julian Sas-Konzert gegeben hat, bei dem kein Rory-Stück gespielt wurde und auch heute Abend würden wir ein solches Sakrileg nicht beklagen müssen. Schon die Version des Ur-Klassikers "Bullfrog Blues" war eine hinreißende Hommage an Rory, der den Song zwar nicht selbst geschrieben, aber auch immer derart energetisch vorgetragen hat. Und auch eine Nummer aus der Feder des irischen Meisters warf schon ihre Schatten aus der Warteschleife – "Shadow Play", von Julian bereits auf seinem Album "Bound To Roll" gecovert. Die ekstatische Stimmung im Saal nahm langsam beängstigende Ausmaße an, die Harmonie köchelte allmählich gen Siedepunkt. Und auf der Bühne schien man nicht weniger 'in the mood' zu sein. Ach ja, und ganz nebenbei groovte der "Bullfrog Blues" mich schon mal auf das letzte Live-Erlebnis für dieses Jahr ein, denn dann hoffe ich die ultimative deutsche Version des Songs zu hören, wenn Hannes Bauer am 30.12. die Hamburger Fabrik in ein Tollhaus verwandeln wird – da bin ich mir ziemlich sicher.
Einer meiner liebsten Titel durfte an diesem schönen Abend ganz sicher nicht fehlen, "Blues For The Lost And Found", eine wunderschöne ältere Nummer mit einem bedächtig besinnlichen Grundthema und einem ekstatisch eskalierenden Solopart. Ein Spannungsbogen, der die Zuhörer in eine höhere Sphäre beamt. Darauf schnell ein neues Bier.
Aber immer, wenn das unglaublich fetzige Intro für "Devil Got My Number" ertönt, dem ultimativen Abräumer unter Julians Dampfmachern, dann weiß man, dass das Ende naht. Ein Boogie noch drauf gelegt, dann finden unsere gestressten Nackenmuskel und Knie kurze Zeit zum Verschnaufen, aber wir gröhlen, klatschen, pfeifen unsere Helden noch zweimal zurück auf die Bühne. Nach dem Gig postete Julian auf seiner Webseite irgendwann ein Foto seiner mit seltsamen Spuren behafteten Gibson: »Blood on my guitar, but it was worth it, cheers Julian«. Zwei Stunden und fünfundvierzig Minuten hat er sich für uns die Finger blutig gespielt, der pure Wahnsinn. Dank u, Mijnheer Sas, voor een geweldig concert en een leuke avond!
Und an einem solchen Abend gewinnt dann auch die Borussia gegen die Bayern – man hat es sehr gern gesehen im weiten Auditorium.
Line-up Julian Sas:
Julian Sas (guitar, vocals)
Rob Heijne (drums)
Roland Bakker (keyboards)
Fotis Anagnostou (bass)
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