A Triggering Myth
The Remedy Of Abstraction
The Remedy Of Abstraction
Puh, das ist mal wieder eine Herausforderung! Wann soll man "The Remedy Of Abstraction" hören?
Wann nimmt man sich die Zeit, die es braucht, um ein derartiges Album in Gänze zu hören?
Vielleicht nachts auf der Landstraße, wenn man wegen einer Autopanne auf den Abschleppdienst warten muss. Ja, das wäre eine Gelegenheit und man kann dabei auch den Mond beobachten, ohne dass das Haus abgebrannt ist.
"Now That My House Has Burned Down, I Have a Beautiful View of the Moon". Immer das Gute sehen, wie dick es auch kommt. Und es kommt dick, in Form von Keyboardgeplänkel, Trommelwirbeln. Erster Ärger wegen der Autopanne vermutlich. Ein jazziger Groove mischt sich dazu, der Bass pumpt, aber die Keyboards geben die Führung nie aus der Hand.
Kansas-like eröffnen die Keys Track Nummer zwei. Immer noch leicht (positiv) 'wirr' die Arrangements aus Tasten, Saiten und Fellen, aber so langsam erkennt man Strukturen, ja es gibt mitunter Passagen, die signalisieren, dass man einer Melodie nicht abgeneigt ist.
Jetzt ist der Moment, halbwegs entspannt die Motorhaube zu öffnen und zu schauen, ob man die gedachte Panne vielleicht selbst beheben kann.
Passend zur mondhellen Nacht, die süßliche und eine wunderbare Melodie verbreitende Violine von Akihisa Tsuboy gegen Ende der Nummer.
Verträumt, irgendwie hoffnungslos traurig klingend, die ersten vier Minuten von "Her Softening Sorrow". Zeit, die Beine aus dem geöffneten Fenster zu strecken, auf die Uhr zu schauen und zu denken, dass der Abschleppwagen doch nun bald kommen müsste. Kurzes freudiges 'Aufbegehren' der Instrumente und der Song, in welchem die Keyboards nun nach Klavier klingen, jamt sich mit leichtem, angenehmem Jazz-Touch gen Ende.
"Not Even Wrong" lässt dem Drummer zu Beginn kurz Zeit zum Toben bevor die 'Kansas-Keys' übernehmen. Wie auf vielen Instrumental-Alben, legen die Musiker Wert darauf, Stimmungen beim Hörer zu erzeugen, was durch den alleinigen Einsatz der Instrumente viel besser klappt als bei den meisten Bands, die auch vokalistisch unterwegs sind. Dramaturgie und Choreografie des Songwritings sind perfekt und passen zum langsam aufsteigenden Frühnebel über der Wiese neben dem Straßenrand. Meinetwegen kann sich der Pannendienst jetzt noch etwas Zeit lassen, da ich, in einer Tabakwolke sitzend, die Feldhasen bei der morgendlichen Futtersuche im Schutze der Nebelfetzen weiter beobachten möchte.
Am Horizont kann man bereits die aufgehende Sonne erahnen und "Rudyard's Raging Natural" scheint sie mit verspieltem, optimistischen Rhythmus begrüßen zu wollen. Fast schon 'hektisch' startet "Shakespeare's Strippers", baut mit Bass und Tasten Spannung auf und lässt die Hasen verschreckt aufschauen. Die vier tiefen Saiten lassen die quirligen Keyboardläufe an ihrem harten Stahl erst mal abperlen. Ab und an scheint es, als ob die Elfenbeintasten übernehmen, aber eine irre Jazz-Gitarre springt dem Bass zur Seite. Unentschieden gegen Schluss, würd' ich meinen.
Zu Hause streicht jetzt Nachbars Kater ums Haus, weil so langsam auch die Vögel munter werden. Ein rötlich gefärbter Horizont und langsam einsetzende Helligkeit lassen "The Eisenhour Slumber" so richtig wirken. Die Gitarre durchschneidet die letzten Nebelschwaden. Pianomäßig kriege ich Lust auf einen dampfenden, heißen Kaffee. Den hätte ich aber beim einsetzenden "When Emily Dickinson Learned To Lunge" sicher verschüttet, denn die entspannte Atmosphäre wird jäh unterbrochen. War es mir lange egal, wann der Servicemensch mit seinem großen Auto kommt, sehne ich ihn nun herbei. Doch halt, nach den Anfangsattacken dieser Nummer baut der Bass einen feinen stampfenden Groove auf und man kann wieder von Melodie reden. Einer Melodie, die zunehmend an Aggressivität gewinnt, sich hochschaukelt bis...
Ja, bis eine akustische Gitarre die letzten Nachtwolken im Nichts verschwinden lässt und sich wärmenden Sonnenstrahlen gleich, in meine Ohren legt.
Na endlich, der Mann im Blaumann mit seinem gelben Auto kommt. Gerade rechtzeitig, um den letzten Song des Albums nicht zu verpassen. Ich sehe es ihm aber an: Das ist nichts für ihn. Zu durcheinander wird er "The Last Resort" wahrscheinlich einstufen. Und das, obwohl die Tasten wieder etwas an Kansas erinnern. Aber er wird den roten Faden nicht finden. Irgendwas mit der Elektronik hätte gesponnen, meint er, nachdem er kurz unter der Motorhaube verschwunden war; dass ich wahrscheinlich die 'falsche Musik' gehört hätte und das Fahrzeug deshalb bockte.
Nun ja, von Autos mag er etwas verstehen, aber von Musik?
Zur Sicherheit schalte ich aber das Radio ein und komme ohne weiteren Zwangs-Stopp bis nach Hause.
Line up:
Tim Drumheller, (Keyboards)
Rick Eddy, (Keyboards, Acoustic Guitar, Poetry)
Gastmusiker:
Scott McGill, (Electric and Nylon String Guitars)
Vic Stevens, (Drums, Percussion)
Michael Manring, (Bass)
Akihisa Tsuboy, (Violin)


Spielzeit: 53:00, Medium: CD, The Laser's Edge, 2006, Progressive
1:Now That My House Has Burned Down, I Have a Beautiful View of the Moon (5:11) 2:The Remedy of Abstraction (7:53) 3:Her Softening Sorrow (8:12) 4:Not Even Wrong (7:59) 5:Rudyard's Raging Natural (2:32) 6:Shakespeare's Strippers (4:55) 7:The Eisenhour Slumber (4:33) 8:When Emily Dickinson Learned To Lunge (8:09) 9:The Last Resort (2:34)
Ulli Heiser, 19.06.2006