Sind die Allman Brothers Götter, die mit der Absicht auf unseren kleinen Planeten herabstiegen, uns Erdenbewohnern die vollkommene musikalische Glückseligkeit zu bringen? Über eine mögliche Replik zu dieser äußerst komplexen Fragestellung, zumindest aus der Betrachtungsweise eines Theologen, möchte ich nur ungerne spekulieren. Die Antwort jedes vernünftigen Musikliebhabers darf nur so heißen: Ja!
Eine große Einschränkung muss man machen: Sie waren bis zum 19. Oktober 1971 Götter, bis zum Tag, an dem Duane Allman starb, während der Aufnahmen zum neuen Werk, dessen Titel von einem humorvollen Ausspruch Duanes (»Everytime I'm in Georgia, I eat a peach for peace«) inspiriert wurde. Trotz dieses Schicksalschlages arbeitete die Band weiter und stellte das Album fertig, welches nun in einer tollen Deluxe Edition vorliegt. Der Sound erscheint im Vergleich zur wahrlich nicht schlechten CD-Ausgabe aus der Capricorn Remasters-Serie vom Ende der 90er sowohl druckvoller als auch transparanter und die Aufmachung macht auch was her.
Das 1972 erschienene "Eat A Peach" festigte - nach dem Durchbruch mit dem Meilenstein "At Fillmore East"- den Status der Band, denn trotz des Todes von Duane A. wurde die Band kommerziell immer erflogreicher. Ob nun die Studio-Tracks auf "Idlewild South" stärker waren als auf der vorliegenden CD, mag jeder für sich selbst entscheiden. Eine gewisse Entwicklung weg vom eher traditionellen Blues (-Rock) und die Hinwendung zu groovig-leichten bzw. countryfizierten Stücken ist bereits hier festzustellen, die aber erst auf "Brothers And Sisters" (1973) voll zur Geltung kam. Am besten verdeutlichen diesen Wandlungsprozess Songs wie "Melissa", "Blue Sky" (der erste Einsatz von Dickey Betts als Leadsänger), auf eine gewisse Art Vorläufer zum großen Hit "Ramblin' Man", aber wahrlich nicht schlechter, und "Little Martha". Auf den beiden letztgenannten Songs ist Duane A. noch an der akustischen und elektrischen Gitarre zu erleben.
Das 9-minütige, progressive Instrumental "Les Brers In A Minor" ist eines der Meisterwerke von Gitarrist/Sänger Dickey Betts, der sich in dieser für die Band schwierigen Zeit immer mehr als Co-Leader neben Gregg Allman etablierte. Dieses Stück ist trotz der 35 Jahre ein klangliches Erlebnis, an das man sich auschließlich mit dem Kopfhörer an den Ohren wagen sollte. Prädikat: Nein, nicht wertvoll, sondern genial! Zum Doppelalbum haben es "Eat A Peach" anno '72 die drei Live-Stücke - "Mountain Jam", "One Way Out" und "Trouble No More" - aus dem New Yorker Fillmore East gemacht.
Damit wären wir auch schon bei der zweiten CD dieser Deluxe Edition angekommen, die das allerletzte Konzert vom 27. Juni 1971 im Fillmore East enthält, das bis auf "Midnight Rider" (zuerst erschienen auf "Duane Allman Anthology, Vol. 2" 1974) und "One Way Out" (eben 1972 auf "Eat A Peach" erschienen und damit doppelt vertreten) offiziell unveröffentlicht war. Hier zeigen es die Allmans wieder einmal, warum sie zumindest Halbgötter waren. Ein hervorragender Live-Mitschnitt, der noch einmal vor Augen und Ohren führt, wie vielseitig die Band war und ist. Während manche Formationen einen eindimensionalen Bluesrock darboten, waren die Allmans stets bemüht, jazzige und psychedelische Elemente in ihr Songwriting und Spiel einzubringen. Die Übersongs "In Memory Of Elizabeth Reed", "Whipping Post" und "Hot 'Lanta" sind das perfekte Beispiel dafür. Diese CD ist mehr als nur eine Ergänzung zum Klassiker "At Fillmore East", die 2003 auch in einer Deluxe Edition aufgelegt wurde.
Alles in allem eine gelungene Veröffentlichung, die sowohl den Hardcore-Fan zufriedenstellt als auch durchaus als Einstieg für den Neuling geeignet ist. Wer mag keine göttliche Musik?
Spielzeit: 69:56 (CD 1), 76:27 (CD 2), Medium: Do-CD, Mercury, 2006, Rock
CD 1 (Eat A Peach, 1972): 1:Ain't Wastin Time No More (3:40) 2:Les Brers in A Minor (9:03) 3:Melissa (4:03) 4:Mountain Jam (33:38) 5:One Way Out (4:58) 6:Trouble No More (3:43) 7:Stand Back (3:24) 8:Blue Sky (5:09) 9:Little Martha (2:07)
CD 2 (The Final Fillmore East Concert, June 21, 1971): 1:Statesboro Blues (4:29) 2:Don't Keep Me Wonderin' (3:46) 3:Done Somebody Wrong (3:38) 4:One Way Out (12:51) 5:In Memory Of Elizabeth Reed (12:51) 6:Midnight Rider (3:11) 7:Hot 'Lanta (5:51) 8:Whipping Post (20:07) 9:You Don't Love Me (17:24)
Janos Wolfart, 20.07.2006
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