Allman Brothers Band / Original Album Classics
Original Album Classics Spielzeit: 48:20 (CD 1), 52:35 (CD 2), 74:10 (CD 3), 55:59 (CD 4), 71:56 (CD 5)
Medium: 5-CD-Boxset
Label: Sony Music/Epic Records 2009
1990 (CD 1), 1991 (CD 2), 1992 (CD 3), 1994 (CD 4), 1995 (CD 5)
Stil: Southern-/Jam Rock


Review vom 07.06.2012


Jürgen Hauß
Auf der Liste meiner Lieblingsmusiker steht zur Zeit Warren Haynes ganz oben mit allem, was er so über die Jahre hinweg geschaffen hat. Da kommt man über kurz oder lang natürlich nicht an der
Allman Brothers Band vorbei, in der er seit 1989 (mit Ausnahme der Jahre 1997 - 2001) bis heute ständiges Mitglied ist. In die Anfangsjahre dieser Kollaboration führt die für das vorliegenden Review ausgewählte 5-CD-Box aus der Reihe "Original Album Classics". [Mike Kempf hat also Recht (s. dort, 8. Absatz)! Als Gastschreiber für RockTimes kann man sich aussuchen, über wen oder was man schreiben möchte.] Besagte Box enthält für den Preis einer einzelnen CD drei Studio- sowie zwei Live-Alben aus den Jahren 1990 bis 1995.
Von den Gründungsmitgliedern der im Jahr 1969 gegründeten Band sind in diesem Zeitraum noch Greg Allman, Dickey Betts, Butch Trucks (bekanntermaßen der Onkel des heute ebenfalls bei ABB spielenden Derek Trucks) sowie Jay 'Jaimoe' Johanson mit von der Partie. Duane Allman und Berry Oakley waren ja bereits Anfang der 70er Jahre ihrer Motorradleidenschaft zum Opfer gefallen. Verstärkt wurde die ABB im Jahr 1989 durch Allen Woody und eben Warren Haynes. Diese beiden gründeten im Jahr 1994 das Nebenprojekt Gov't Mule, zu dessen Gunsten sie ABB 1997 wieder verließen; Warren Haynes kehrte allerdings 2001 zur ABB zurück, was Allen Woody leider nicht mehr vergönnt war. Mark Quinones wird seit 1991 ebenfalls als Mitglied geführt.
Fünf CDs mit insgesamt 44 Tracks - da könnte man viel zu sagen (neben dem Hinweis, dass dies die einzigen ABB-CDs sind, auf denen Allen Woody mitgespielt hat). Ich möchte mich aber neben ein paar generellen Ausführungen auf jeweils einen Song pro Scheibe beschränken, um den Review nicht zu sehr ausufern zu lassen.
Seven Turns"Seven Turns" war die erste CD der Band nach neun Jahren Pause. Sie klingt insgesamt noch sehr nach der alten ABB, unter anderem wohl auch deshalb, weil mit Johnny Neel nochmals ein weiterer Pianist bzw. Keyboarder dabei war. Die weiteren neuen Bandmitglieder haben noch keinen prägenden Einfluss auf den Stil der Band, auch wenn Warren Haynes bei vier Tracks wenigstens als Co-Autor aufgeführt ist, sich ansonsten aber auf eine der beiden Lead-Gitarren sowie, bis auf das tolle "Loaded Dice", den Background-Gesang beschränkt. Das von den beiden vorgenannten Musikern gemeinsam komponierte "Gambler's Roll" zeigt aber schon auf, in welche Richtung es zukünftig gehen könnte. Greg Allman's 'Schweineorgel' verleiht dem Song einen wunderbar bluesigen Touch, aber auch die beiden Gitarren stehen dem in nichts nach.
Shades Of Two Worlds"Shades Of Two Worlds" enthält bis auf den Robert Johnson-Klassiker "Come On In My Kitchen" ausschließlich Eigenkompositionen der Bandmitglieder, vorrangig von Warren Haynes und Dickey Betts, was die Gitarrenlastigkeit der Songs erklärt. Besondere Erwähnung verdient auf dieser Scheibe das geradezu swingende "Kind Of Bird", ein äußerst jazzlastig interpretiertes Instrumental - durchaus nicht ohne Überraschungsmomente. Wahrscheinlich überinterpretiere ich den Titel der CD, doch ein wenig meint man aus der ganzen Scheibe herauszuhören, dass musikalisch innerhalb der Band zwei Welten aufeinander geprallt sind, die nach wie vor ihre eigenen Schatten produzieren. Die Zahl der auf dem Cover abgebildeten Personen sollte allerdings nicht verwirren: Die ABB bestand auch zu diesem Zeitpunkt nur aus sechs Mitgliedern!
An Evening With The Allman Brothers Band, First SetEin Jahr nach Veröffentlichung von "Shades Of Two Worlds" erschien mit "An Evening With The Allman Brothers Band - First Set" das erste Live-Album der neuen Besetzung und machte direkt Appetit auf die im Titel quasi bereits angekündigte Fortsetzung (dazu noch später). Aufgrund der zeitlichen Nähe überrascht es eigentlich, dass nur drei Titel des aktuellen Studioalbums gespielt wurden bzw. für die CD-Veröffentlichung Verwendung fanden, aber auch - vielleicht auch gerade - die alten Stücke wie beispielsweise "Melissa" vom Publikum dankbar aufgenommen wurden. Man merkt die wiedergewonnene Spielfreude der Band. Herausragend - insbesondere aufgrund seiner Länge - ist auf dieser Scheibe "Nobody Knows", das aber auch schon in der Studio-Version (auf dem vorherigen Album) über zehn Minuten in Anspruch nimmt. Ein wirklicher Rock-Song, ganz nach dem alten Stil der Band. Phasenweise im Drei-Viertel-Takt gespielt, gibt der Live-Auftritt den einzelnen Musikern genügend Spielraum für ausgiebige Soli, wobei die Tempi oftmals wechseln.
Bemerkenswert an dieser Scheibe ist zudem noch, dass Allen Woody auf der Bühne, neben mehreren anderen 'normalen' Bässen, einen 18-String-Bass spielt; ein Instrument, von dem ich bis dato noch nie etwas gehört hatte (mich aber mittlerweile etwas schlauer gemacht habe). Wer weiß, wie schwer bereits eine zwölfsaitige Gitarre zu spielen ist, kann vielleicht ermessen, welches Können ein '18-string bass', bei dem die 'normalen' Saiten eines - bereits alles andere als üblichen - 6-String-Bass jeweils doppelt und oktaviert gestimmt unterlegt sind, einem Spieler abverlangt. Chapeau!
Where It All BeginsAuf "Where It All Begins" kommt dann endlich der Song, wegen dem ich mich gerade jetzt für die alten ABB-Scheiben interessiert habe: "Soulshine" - für mich dank ständiger Wiederholung auf zahlreichen CDs eigentlich ein Gov't Mule-Titel, doch er wurde von Warren Haynes tatsächlich bereits zu ABB-Zeiten komponiert und daher auch von der Band hier erstmals aufgenommen. Von der Instrumentierung her klingt das ABB-Original den späteren Interpretationen sehr ähnlich; deutlich unterscheiden sich allerdings die Gesangspartien von Gregg Allman seinerzeit zu später den Warren Haynes'schen. Welcher Gesang einem besser gefällt, ist sicherlich Geschmackssache.
Den Schlusspunkt der Box bildet die zweite Live-CD "An Evening With The Allman Brothers Band - Second Set". Die beiden Live-CDs verbindet mit der Titelgebung vermeintlich eine Klammer, die tatsächlich nicht existiert: Die CD-Titel lassen zunächst vermuten, dass es sich um die Wiedergabe von zwei Teilen eines einzigen Konzertes handelt. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass die beiden CD-Cover praktisch identisch sind (sieht man einmal von der Farbgebung des Hintergrundes ab; das Foto der Band ist identisch). Doch erste berechtigte Zweifel ergeben sich bei genauerem Betrachten bereits dadurch, dass beim "Second Set" der Name des abgebildeten Veranstaltungsortes - das Orpheum Theatre in Boston - unkenntlich gemacht worden ist. Und tatsächlich: Stammen bereits die Aufnahmen des "First Set" nicht sämtlich aus dem Orpheum Theatre, sondern aus insgesamt drei Spielstätten (aufgenommen zwischen Dezember 1991 und März 1992), hat die ABB für das "Second Set" das Orpheum Theatre überhaupt nicht betreten. Die Aufnahmen stammen aus drei anderen Spielstätten aus den Jahren 1992 und 1994! Vor diesem Hintergrund kann man allein dankbar dafür sein, dass es hinsichtlich der Songauswahl keinerlei Dopplungen gibt.
An Evening With The Allman Brothers Band, Second SetVor dem zeitlichen Hintergrund des Veröffentlichungsdatums geradezu zwangsläufig findet sich auf dieser Pressung auch eine bemerkenswerte Live-Version von "Soulshine" sowie drei weitere Tracks des Vorgängeralbums, doch ich möchte mich lieber näher mit dem ultimativ letzten Song der gesamten Box befassen: "Jessica" - wer kennt nicht dieses Instrumental der gleichnamigen Tochter des ABB-Gitarristen und Komponisten Dickey Betts gewidmet? Bereits im Original von 1973 rund siebeneinhalb Minuten lang, wird hier im wahrsten Sinne des Wortes auf's Feinste und äußerst ausgiebig gejammt. Auch wenn mir hier das im Original vorhandene, markante Piano-Intro sowie ein entsprechendes längeres Zwischenstück des seinerzeitigen ABB-Pianisten Chuck Leavell fehlt, ist die vorliegende Interpretation mit ihren mehreren, parallel eingesetzten Gitarrenklängen ebenfalls aufs Vortrefflichste gelungen. Übrigens hat die ABB im Jahre 1996 ihren einzigen Grammy - bis zum 'Lifetime Achievement Award' in diesem Jahr - für "Jessica" als die beste Rock-Live-Aufnahme des Jahres 1995 erhalten. Ich gehe davon aus, dass diese Auszeichnung für die vorliegende Aufnahme erfolgte. Zu Recht!
"Original Album Classics" aus dem Hause Sony Music bedeutet auch vorliegend, dass die einzelnen CDs in klassische LP-Pappschuber gehüllt sind, obwohl sämtliche Scheiben eindeutig zu Hoch-Zeiten der CD erschienen sind, also im Original gar nicht als LP veröffentlicht worden sein dürften. Vor diesem Hintergrund ist allerdings nicht nachzuvollziehen, wieso die Album-Informationen auf der Rückseite von "Seven Turns" in so kleiner Schrift geschrieben sind, dass man denkt, es handelt sich um die Verkleinerung einer 30 cm LP-Hülle. Geradezu lieblos sind zudem die fünf CDs selbst bedruckt: eindeutig nicht die Original-Pressung, sondern jeweils die Zugehörigkeit zur vorliegenden CD-Box deutlich hervorhebend. Aber man darf halt für den günstigen Preis nicht zuviel verlangen.
Dafür aber bekommt man einen guten Überblick über die Anfangsjahre der - ich möchte sagen - dritten Evolutionsstufe der Allman Brothers Band. Und die ist es fürwahr wert, in Erinnerung zu bleiben, denn sie ist ein wesentlicher Bestandteil des musikalischen Lebenswerkes der Southern Rocker, für das sie Anfang des Jahres - ebenfalls völlig zu Recht - den Grammy erhalten haben.
Line-up:
Gregg Allman (organ, lead vocals)
Dickey Betts (lead guitar, lead vocals)
Warren Haynes (lead guitar, lead vocals)
Allen Woody (bass)
Jai Johanny 'Jaimoe' Johanson (drums, percussion)
Butch Trucks (drums, percussion)
Marc Quinones (congas, percussion - CD 3,5)
Johnny Neel (piano, keyboards - CD 1)
Tracklist
CD 1 - Seven Turns:
01:Good Clean Fun (5:09)
02:Let Me Ride (4:36)
03:Low Down Dirty Mean (5:30)
04:Shine It On (4:51)
05:Loaded Dice (3:29)
06:Seven Turns (5:05)
07:Gambler's Roll (6:44)
08:True Gravity (7:58)
09:It Ain't Over Yet (4:54)
CD 2 - Shades Of Two Worlds:
01:End Of The Line (4:38)
02:Bad Rain (5:33)
03:Nobody Knows (10:58)
04:Desert Blues (5:02)
05:Get On With Your Life (6:58)
06:Midnight Man (4:39)
07:Kind Of Bird (8:26)
08:Come On In My Kitchen (6:18)
CD 3 - An Evening With The Allman Brothers Band, First Set:
01:End Of The Line (5:43)
02:Blue Sky (8:39)
03:Get On With Your Life (7:58)
04:Southbound (7:52)
05:Midnight Blues (5:14)
06:Melissa (5:28)
07:Nobody Knows (15:37)
08:Dreams (11:36)
09:Revival (5:56)
CD 4 - Where It All Begins:
01:All Night Train (4:04)
02:Sailin' 'cross The Devil's Sea (4:57)
03:Back Where It All Begins (9:12)
04:Soulshine (6:44)
05:No One To Run With (5:59)
06:Change My Way Of Living (6:15)
07:Mean Woman Blues (5:01)
08:Everybody's Got A Mountain To Climb (4:01)
09:What's Done Is Done (4:09)
10:Temptation Is A Gun (5:37)
CD 5 - An Evening With The Allman Brothers Band, Second Set:
01:Sailin' 'cross The Devil's Sea (4:49)
02:You Don't Love Me (6:36)
03:Soulshine (6:42)
04:Back Where It All Begins (12:32)
05:In Memory Of Elizabeth Reed (10:15)
06:The Same Thing (8:22)
07:No One To Run With (6:29)
08:Jessica (16:09)
 
Externe Links: