Die musikalische (nicht sooo sehr) und vor allem persönliche Vergangenheit der Allman Brothers Band als 'holprig' zu bezeichnen, wäre eine himmelschreiende Untertreibung. Seit deren
Gründung gab es mittlerweile fünf Todesfälle von Bandmitgliedern (kann mir jemand
irgendeine andere Formation nennen, die vier ((VIER!!!)) Bassisten durch verfrühtes Ableben verloren hat?
Klingt fast ein bisschen nach der Spinal Tap Story mit deren Drummern. Hoffentlich hat sich der junge
Oteil Burbridge das auch ganz genau überlegt, bevor er eingestiegen ist).
Es gab einen seit ca. 1973 stetig gefochtenen Kampf zwischen Gregg Allman und Dickey Betts um die Führung der Band und dann auch noch unzählige Drogen- und Alkohol-Entziehungskuren, die erahnen lassen, dass man es auch als
Rockstar manchmal nicht so einfach hat.
Dies berücksichtigt, ist es fast erstaunlich, dass die Truppe bis einschließlich 1973 (oder 1974, wenn man die Soloalben nicht außen vorlassen will) superstarke bis unangreifbare Alben abgeliefert
hat.
Die Veröffentlichungen danach ("Win, Loose Or Draw" von 1975, "Enlightened Rogues" von 1979 (super), "Reach For The Sky" von 1980 und "Brothers Of The Road" von 1981) kann man jedoch getrost als Achterbahnfahrt mit vielen Höhen, aber auch vielen Tiefen ansehen. Über die Zeit danach mehr in einem noch folgenden Artikel.
Mitte bis Ende der 90er Jahre gingen es dann alle (bis auf einen) ernsthaft an, trocken und clean zu werden. Dann, auf Tour sowieso der ständigen Versuchung ausgesetzt, auch noch einen Gitarristen zu haben, der munter weiterfeiert und sich nicht an Abmachungen hält, war alles andere als optimal. Und diese schwierige Situation gab dann letztendlich den Ausschlag, dass Gründungsmitglied Dickey Betts im Jahr 2000 gefeuert wurde. Der Verfasser dieser Zeilen war geschockt und befürchtete das Schlimmste, wurde aber äußerst positiv vom letzten Studioalbum "Hittin' The Note" überrascht, auf dem die Band fast gelöst, wie von einer Last befreit, klingt.
Es sah also tatsächlich so aus, als würde es ein für die Allman Brothers Band ein Leben nach Dickey Betts geben.
Und am 24.Juli diesen Jahres hatte ich dann zum ersten Mal die Möglichkeit, eine meiner
Lieblingsbands live zu sehen. Das 'SPAC' in Saratoga Springs wurde als Amphitheater angelegt, welches Platz für ca. 15.000 Besucher bietet. Ein herrlicher Sommerabend, relaxte Stimmung unter den ca. 12.000 Fans und selbst wenn man nur noch weit hinten einen Platz gefunden hatte, sorgten der glasklare Sound und große Bildschirme dafür, dass man nichts verpasste.
Gegen 21.00 Uhr ging es furios mit "Jessica", gefolgt vom "Statesboro Blues"
los. Dickey Betts-Nachfolger Derek Trucks hat sich mittlerweile hervorragend integriert.
Klar hat er als 'Frühzwanziger' einen anderen Sound und Stil als sein Vorgänger, dennoch
harmoniert er glänzend mit Warren Haynes und dem Rest der Band. In Sachen 'Stage
presence' und Charisma kann er Dickey Betts zwar noch nicht das Wasser reichen, aber das kann ja noch kommen.
Das Programm besteht aus Songs vom Debüt-Album bis einschließlich "Win, Loose Or
Draw" und dem bereits erwähnten "Hittin' The Note", plus einem Coversong.
Aber dazu später mehr. Ein Highlight jagt das Nächste, wobei die Meute "Midnight Rider",
"Dreams", "Melissa" und "Whippin' Post" am meisten, bzw. lautesten abfeiert.
Nach letztgenanntem Song ging es dann erst mal für eine Verschnaufpause hinter die Buehne.
Ich hoffte, als Zugaben "Old Before My Time" oder "Soulshine" hören zu dürfen,
wurde dann aber von "Layla" überrascht, bei dem sich Warren Haynes auf Gesang und Rhythmus-Gitarre beschränkte und Derek Trucks ansonsten das Feld überließ.
Und der erfüllte seinen Job mit einer solchen Hingabe und einem Feeling, dass ich zum erstenmal in meinem Leben bei der Live-Version den gleichen Spirit spüren konnte, der auf der original Studioeinspielung vorhanden ist.
Genau, Mister Trucks, SO muss das klingen, und nicht anders.
Die gesamte Band war in bester Spiellaune, wenn man auch manchmal das Gefühl hatte, dass Gregg Allman ein bisschen 'schwach auf der Brust' war. Butch Trucks, Jaimoe und Percussionist Marc Quinones waren punktgenau und improvisierfreudig wie immer. Ich hätte mir zwar statt eines 20-minuetigen Drumsolos lieber ein oder zwei Songs mehr gewünscht, aber es waren auch sehr viele andere Fans da, die nicht dieser Meinung waren. Warren Haynes war und ist unbestritten ein Magier an
der Gitarre und ein Meister im Gesang und der junge Bassist Oteil Burbridge ließ mit viel Feeling, Groove und treibenden Läufen am Langholz auch nichts anbrennen.
Mit Ausnahme von "Jessica" wurde kein einziger Song, nicht mal die Hits, aus der
Feder von Dickey Betts gespielt, was mich vermuten lässt, dass die Gräben hier immer noch sehr tief sind.
Am Ende konnte man kaum glauben, dass zweieinhalb Stunden so schnell vergehen können. Eine absolut gelungene Vorstellung, nach der ich jedem nur empfehlen kann, ja sogar ans Herz legen will, sich die Chance auf ein Konzert dieser grandiosen Band nicht entgehen zu lassen. Ich jedenfalls will mehr davon, VIEL MEHR!!!!
SETLIST (soweit die Erinnerung reicht):
Jessica
Statesboro Blues
Maydell
You Don't Love Me
High Cost Of Low Livin'
Instrumental Illness
Can't Loose What You Never Dad
Don't Keep Me Wonderin'
Drum-Solo
Bass-Solo
Midnight Rider
Woman Across The River
Melissa
Dreams
Whippin' Post
Layla
Allman Brothers Band - 24.07.2005 - Saratoga Springs, NY, - Spac
Konzertdauer ca. 155 Min.
Markus Kerren, 27.07.2005
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