Abraxas Pool / Abraxas Pool
Abraxas Pool
Wenn man sich vornimmt ein CD-Review für die Rubrik 'Vergessene Perlen' zu schreiben, so muss man sich zu aller Erst einmal fragen, was eigentlich hier hinein gehört.
Dabei bieten sich natürlich Bands an, die in grauer Vorzeit, sprich vor Jahrzehnten, irgendwann mal ein Album aufgenommen haben, das damals richtig angesagt war, aber dann keinen passenden Nachfolger produzieren konnten, so dass die Musiker sich schließlich trennten, um in anderen Zusammensetzungen erneut ihr Glück zu versuchen. Wie wir alle wissen, klappte das auch in unzähligen Fällen. Die bis dato unbekannten Instrumentalisten stiegen in die erste Liga des Rock auf, wurden weltweit bekannt und verdienten horrende Summen durch ihre Plattenumsätze. Die Vorgängerbands blieben aber nur noch den absoluten Hardcore Fans im Gedächtnis. Also der klassische Fall für die 'Vergessenen Perlen'.
Bei dieser CD, die ich mir heute zum Besprechen ausgesucht habe, ist der Fall etwas anders. Zum Ersten liegt das Erscheinungsdatum erst acht Jahre zurück, und zweitens sind die Beteiligten weiß Gott keine Frischlinge in Sachen Musik, sondern gehören seit Jahrzehnten zur Elite im Rockbusiness. Trotzdem ist der Silberling irgendwie eine 'vergessene Perle', denn unter der Bezeichnung "Abraxas Pool" ist nur diese eine Scheibe erschienen und hat damit, speziell in der alten Welt, wohl nicht allzu viele Leute erreicht.
Natürlich ist das Album den zahlreichen Santana / Journey-Fans ein Begriff, ist hier, neben Neal Schon (guitar), mit Gregg Rolie (keyboards, vocals), Michael Shrieve (drums), Michael Carabello (congas), Jose Chepito Areas (timbales) und Alphonso Johnson (bass) die komplette Band am Start, die Onkel Carlos auf dem 'Woodstock Festival' von 1969 bei dem sensationellen Santana-Auftritt begleiteten und für sehr viel Furore sorgten.
Nachdem der Bandleader und Namensgeber in den folgenden Jahren dann aber immer weiter in popigere Gefilde abdriftete, blieben seine ehemaligen Mitstreiter den rockigeren Tönen treu. Rolie und Schon musizierten unter anderem mit Journey und Paul Rodgers, der Rest machte sich einen Namen als gefragte Studiomusiker.
Mit "Abraxas Pool" (natürlich benannt nach dem wohl besten und erfolgreichsten Santana Album jener Zeit, oder doch nur Zufall?) lassen Gregg Rolie & Co. den alten Latin Rock der siebziger Jahre wieder richtig aufleben. Das in den 'Gush Studios' zu Oakland aufgenommene und von Scott Boorey und Michael Rosen produzierte Album besteht ausschließlich aus Eigenkompositionen. Lediglich der Klassiker "Jingo" wurde aus alten seligen Rockzeiten übernommen.
Wie ein roter Faden zieht sich das Zusammenspiel einer der besten Rhythmus-Gruppen der Welt durch alle Titel. Bei entsprechender Lautstärke oder über Kopfhörer werden einem die Gehörgänge von einem unglaublichen Drum- und Percussionteppich freigeklopft.
Nach dem Reißer "Boom Ba Ya Ya" (der Name ist gleichzeitig auch der Refrain) und der etwas ruhigeren Nummer "A Million Miles Away" wird es dann richtig südamerikanisch. "Baila Mi Cha Cha" sprüht nur so vor Rhythmus. Dabei ist eine gewisse Ähnlichkeit zu Santanas "Oye Como Va" nicht zu überhören. Es folgt mit "Waiting For You" mein persönlicher Favorit mit wunderschöner Gitarre und sehr eindringlichem Gesang. Orgel und Gitarre bestimmen im Wechsel die Führung bei "Going Home" und sorgen für einen richtig kraftvollen Song.
Dann ein Break. "Szabo" beginnt mit ruhigen, sphärischen Gitarrenklängen, steigert sich dann aber doch zu einem schnelleren Tempo, um zum Schluss wieder ganz langsam zu enden. In diesem knapp acht Minuten langen Instrumental zeigt Neal Schon die ganze Bandbreite seines Könnens auf.
Und noch ein Song sei hier besonders erwähnt. "Don't Give Up" wird angetrieben von einem schwer pulsierenden Bass, darüber legt sich ein schönes Piano. Auch in diesem über sieben Minuten langen Werk brodelt es vom Anfang bis zum Ende.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist das vorletzte Stück. Hier steht die Percussionabteilung allein im Studio. Nur von Gesang begleitet klingt mir das Ganze etwas zu sehr nach südamerikanischer Folklore.
Den Abschluss bildet dann schließlich "Jingo". Auch dieses Stück ist in einer sehr kraftvollen, intensiven Version gespielt. Natürlich klingt die Gitarre etwas fremdartiger, denn schließlich ist Neal Schon nicht Carlos Santana. Trotzdem ist auch diese Fassung eine ganz brandheiße Sache.
Insgesamt muss klar festgestellt werden, dass diese CD die ganze Klasse und Dynamik der früheren Santana-Alben ohne Einschränkung fortgesetzt hat. Ein absolutes Muss für jeden Fan, der auf druckvollen Latin Rock steht und dem Onkel Carlos einfach zu poppig geworden ist.


Spielzeit: 56,21 Minuten, Medium: CD, Intercord Record Service, 1997
1:Boom Ba Ya Ya (6,44)2:A Million Miles Away (3,49) 3:Baila Mi Cha Cha (5,07) 4:Waiting For You (5,08) 5:Going Home (3,25) 6:Szabo (7,54) 7:Guajirona (3,05) 8:Cruzin' (3,52) 9:Don't Give Up (7,12) 10:Ya Llego (2,48)11:Jingo (7,09)
Jürgen Bauerochse, 15.10.2005