Etwas mehr als 25 Jahre nachdem sich die Hard Rock-Formation Alcatrazz aufgelöst hatte, entschied man beim polnischen Label Metal Mind, die vier offiziellen Alben der Truppe um den charismatischen, aber nicht über jeden Zweifel erhabenen Frontmann Graham Bonnet wieder neu aufzulegen. Unlängst schoben die umtriebigen Polen nun vier schöne Digipaks in die Regale der Plattenhändler, drei Studioalben und eine Live-Scheibe. Jeweils remastert und mit einigen Boni ausgestattet, kommen allerdings alle ohne Booklets und dementsprechend fehlen hier auch ein paar zünftige Liner Notes.
Der Band waren ja seinerzeit nur rund vier Jahre des Bestehens beschert, aber die hat man immerhin intensiv genutzt und vorliegendes Quartett Silberlinge herausgebracht. Mittlerweile hat sich Mastermind Bonnet allerdings auf die alten Zeiten besonnen und so zieht er mit drei neuen Musikern seit gut sechs Jahren wieder unter dem Namen Alcatrazz durch die Lande.
Zum ursprünglichen Line-up gehörten neben Bonnet am Mikro auch noch ein junger Yngwie Malmsteen, der seinerzeit noch mit Ron Keel musiziert hatte, Gary Shea am Bass, Jimmy Waldo an den Keyboards sowie Jan Uvena, vormaliger Trommler bei Alice Cooper. Malmsteen blieb nur für das Debütalbum sowie die Live-Scheibe und wurde schon im zweiten Jahr des Bandbestehens durch Steve Vai (von Zappa kommend) ersetzt. Das dritte Studioalbum spielte dann erneut ein anderer Gitarrist mit ein: Danny Johnson (u. a. Blackfoot, Alice Cooper, Rick Derringer) wechselte Mr. Vai ab und im Jahr nach Veröffentlichung dieser letzten Scheibe löste sich die Formation wieder auf.
Zum Debüt, "No Parole From Rock'n'Roll", hatte das Gitarristenkarussell sich allerdings noch nicht zu drehen begonnen und so finden wir den damals schon begnadeten Malmsteen als Herrn über die Sechssaiter vor. Ein Job, den er auf sehr gekonnte und auch angenehme Art erledigt. Es gibt im Verlauf der Scheibe diverse feiste Soli, die allerdings alle noch im Rahmen bleiben (aufmerksame Beobachter der Malmsteen'schen Karriere können erahnen, was der Rezensent damit ausdrücken möchte). Der Sangesmeister selber wirkt auf dem Debüt in einigen Teilen ein wenig, sagen wir mal über das Ziel hinaus. Es gibt Passagen, da klingt er dem Rest des Geschehens vollkommen entrückt und wiederum andere, wo er seine stimmlichen Grenzen doch etwas zu sehr ausreizt. Erst ab dem dritten Song fängt das Album - subjektiv empfunden - mit qualitativ höherwertigem Material an und punktet dann doch noch ganz anständig.
Ein Jahr später folgte die Veröffentlichung von Live-Mitschnitten eines Konzerts, das die Band in zu dem Zeitpunkt noch unveränderter Besetzung im Januar 1984 in Tokio gegeben hatte. Mit dem Titel "Live Sentence - No Parole From Rock'n'Roll" versehen, gibt die Scheibe zumindest in Teilen das her, was auch schon das Debüt auf dem Index stehen hatte. Ein paar Songs sind hinzugekommen, aber besonders wichtig ist zumindest für den Sammler die variierende Interpretation der bekannten Stücke vom Erstwerk. Qualitativ (technisch) gesehen erscheint der Zusammenschnitt (oder besser der Auseinanderriss) der Show eher am unteren Rande der Toleranzgrenze. Es gibt auch beim Überarbeiten von altem Material durchaus die Möglichkeit vernünftig mit dem Fade-Regler umzugehen. Hier aber muss sich der anspruchsvollere Hörer mit störenden Cuts rumärgern, die das Ganze nicht gerade zu einem orgiastischen Live-Erlebnis werden lassen.
"Disturbing The Peace" fand dann im Jahre 1985 als zweites Studioalbum den Weg in die Plattenläden. Der bereits angesprochene Wechsel an der Gitarre hatte mittlerweile stattgefunden und nun stand Steve Vai in der Pflicht, den Saitenhexer zu machen. Eine Pflicht, die ihm deutlich Spaß zu machen schien, denn die Frickeleien gucken an so mancher Stelle mehr als eindeutig hinter dem Vorhang vor. Außerdem ging sein Beitrag noch weit darüber hinaus: Er wird als Mitautor nahezu aller Studiostücke aufgeführt und hat somit wahrscheinlich den größten Verdienst an dieser Platte zu vermelden. Im direkten Vergleich zum Studiovorgänger kann das Zweitwerk das Rennen mit sehr gutem Vorsprung für sich entscheiden. Gitarre und Keyboads/Synthesizer sind die klaren Leistungsträger und obwohl Bonnets Stimme um Längen besser klingt als noch ein Jahr zuvor, vermag ich einen gewissen Zweifel an ihrer Qualität nicht verhehlen.
Mit "Dangerous Games" (nomen est omen?) begann 1986 der endgültige Abgesang der Band. Vai hatte bereits die Flucht nach vorne angetreten und spielte bei David Lee Roth, selber gerade von Van Halen 'zurückgezogen', wo er in Sammy Hagar für rund zehn Jahre einen gleichfalls publikumswirksamen Ersatz gefunden hatte. So war Platz für Danny Johnson an der Gitarre gefunden.
Das Album wirkt in Teilen mehr dem Pop denn dem vormals dominanten AOR zugetan und die einhellige Meinung auf Seiten der Hörer, auch schon damals, ließ keinen Zweifel daran, dass das Ende vorprogrammiert war. Dennoch gehörte "Dangerous Games" neben der Live-Scheibe lange Jahre zu einer der gesuchteren LPs der Band und war quasi unmöglich zu bekommen.
Allein vor diesem Hintergrund hat Metal Mind gut daran getan, die Platten wieder aufzulegen, und dann macht man natürlich direkt alle zusammen frisch. Die Bonus Tracks einer jeder CD beinhalten je drei Live-Mitschnitte von Konzerten in Roseda (Kalifornien) und Tokio. Für Sammler insgesamt eine gute Chance, die Lücken zu schließen, denn besonders die frühen Malmsteen und Vai lassen schon deutlich erahnen, wozu sie in späteren Jahren noch einmal fähig werden würden. Bei aller Kritik steht unter dem Strich dennoch das Fazit, dass sich bei überschaubaren Kosten eine Anschaffung durchaus lohnt.
Tracklist |
No Parole From Rock'n'Roll:
01:Island In The Sun
02:General Hospital
03:Jet To Jet
04:Hiroshima Mon Amour
05:Kree Nakoorie
06:Incubus
07:Too Young To Die, Too Drunk To Live
08:Big Foot
09:Starcarr Lane
10:Suffer Me
11:Since You've Been Gone (Bonus - Live at The Country Club, Reseda)
12:Desert Song (Bonus - Live in Tokyo)
13:Guitar Crash (Bonus - Live in Tokyo)
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Live Sentence:
01:Too Young To Die, Too Drunk To Live
02:Hiroshima Mon Amour
03:Night Games
04:Island In The Sun
05:Kree Nakoorie
06:Coming Bach
07:Since You've Bee Gone
08:Evil Eye
09:All Night Long
10:Jet To Jet (Bonus - Live at The Country Club, Reseda)
11:Big Foot (Bonus - Live in Tokyo)
12:Suffer Me (Bonus - Live in Tokyo)
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Disturbing The Peace:
01:God Blessed Video
02:Mercy
03:Will You Be Home Tonight
04:Wire And Wood
05:Desert Diamond
06:Stripper
07:Painted Lover
08:Lighter Shade Of Green
09:Sons And Lovers
10:Skyfyre
11:Breaking The Heart Of The City
12:General Hospital (Bonus - Live at The Country Club, Reseda)
13:Kree Nakoorie (Bonus - Live at The Country Club, Reseda)
14:Koujou No Tsuki (Bonus - Live in Tokyo)
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Dangerous Games:
01:It's My Life
02:Undercover
03:That Ain't Nothin
04:No Imagination
05:Ohayo Tokyo
06:Dangerous Games
07:Blue Boar
08:Only One Woman
09:Witchwood
10:Double Man
11:Night Of The Shooting Star
12:Hiroshima Mon Amour (Bonus - Live at The Country Club, Reseda)
13:Suffer Me (Bonus - Live at The Country Club, Reseda)
14:Somethin' Else (Bonus - Live in Tokyo)
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Externe Links:
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