In Zeiten wie diesen, wo Musiker ihr täglich Brot nicht mehr mit CD- und Plattenverkäufen, sondern über Auftritte, Auftritte, Auftritte verdienen, haben es Nachwuchskünstler zunehmend schwer, von ihrer Musik zu leben, geschweige denn ganz groß rauszukommen. Ist das so? Anscheinend. Denn wenn Künstler wie die Band Ampersphere ihr erstes Werk in einer DIN A4-Hochglanzbewerbungsmappe an Rezensenten verschicken, um darin mit einem großem Bandfoto und einem pompösen 5-seitigen Infopaket auf sich aufmerksam zu machen, das neben der Bandbiographie und einer Auflistung der bisherigen Auftritte seit 2007 (!) auch eine gelinde ausgedrückt nichtssagende Beschreibung der Musik enthält, dann riecht es gewaltig nach Verzweiflung. Wird hier gar versucht, fehlende Qualität durch Quantität auszugleichen? Dieser Verdacht liegt bei einer derartigen Bewerbung nahe, doch daraus sollten wir keine voreiligen Schlüsse ziehen: Lasst uns hören, was ihr zu verlautbaren habt!
Gleich bei den ersten Stücken des Albums "Blue Amperience" der Alternative Rocker von Ampersphere ist zu erkennen, welch wohltalentierte Kapelle hier am Werke ist. Diese präsentiert auf ihrem bereits Anfang 2011 veröffentlichten Debütalbum ein organisches Rockgebräu aus berauschend knarzenden Gitarrenklängen, die sich in einem wuchtigen Schlagzeug-Bass-Sud suhlen, während melodiöser, mehrheitlich schwermütiger Gesang austarierend wirkt. Hin und wieder blubbern Grunge-Bläschen auf, und knorrige Progressive Rock-Prisen sorgen für das nötige Salz in der Suppe. Dadurch haben die Herren aus Zweibrücken schnell mein ungeteiltes Gehör gewonnen. Ausgefeilte Rockkompositionen mit intensiver Schwere führen unweigerlich zu Vergleichen mit Bands wie Staind, Incubus, den Foo Fighters oder Soundgarden - mehr aber auch nicht. Denn Ampersphere kreieren eigenständige Musik und sind vor allem eins: selbstbewusst. Ihr Sound mag zwar überwiegend düster sein, doch dank ausreichend schwungvoller Passagen riskiert man als Hörer keinen allzu tiefen Fall ins schwarze Loch der Traurigkeit.
Im bebenden Eröffnungstrack "Underground Mine Fire" paaren sich dunkle Gitarrenriffs mit schrill-klirrenden Soli, hier und da wirft Sänger und Gitarrist Sascha Dopf gutturale Brocken aus, während der klar klingende Zwischenpart schon fast als träumerisch und das dynamische Outro als hoffnungsstiftend bezeichnet werden kann. Apropos Gesang: Dopfs tolle Stimme wirkt trotz überwiegend melancholischer Note in allen 14 Stücken weder kitschig noch großspurig, dafür überraschend reif, stabil und authentisch. Was ihm allerdings noch fehlt ist der nötige Rotz, quasi der kratzende Dreck, der seinem Timbre ein einzigartiges Profil geben könnte. Und ein Schuss mehr Variation.
"Drowning In Bitterness" stemmt sich durch konsequent schroffes Instrumentengeholze erfolgreich gegen das Ertrinken im eigenen Wehmutssaft. "Divided Heart" steht dank seines fröhlich hüpfenden Schlagzeugfundaments mit einem Bein auf der Wohlfühlwiese namens Pop und mit dem anderen im Miesmacherregen. Dieses Gefühl der Ambivalenz befällt mich auch bei "Like A Slave". "Restrospect" beginnt eher langweilig, wartet aber mit einer swingend-dissonanten Bridge auf, die sich nicht nur fantastisch in die Songstruktur einfügt, sondern auch die musikalischen Fähigkeiten dieses Quartetts offenbart. Bravo!
"The Price I Have To Pay Now" ist nach dem herzzerreißenden "Bury My Hope" das zweite gelungene Akustikstück der Platte, das nach all der vorangegangenen Brachialgewalt mit einem kurzen, atmosphärischen Klavierzwischenteil zur sanften Landung auf Mutter Erde ansetzt.
Neben dem Handwerk scheint das Quartett aus Rheinland-Pfalz gleichermaßen die Kunst einer ausbalancierten Produktion zu beherrschen - auch dies ist keine Selbstverständlichkeit. Ein wesentliches Manko hat "Blue Amperience" dann allerdings doch: es ist zu lang. 14 Songs auf einer CD klingt zunächst nicht übermäßig viel, doch mit einer Gesamtspiellänge von über 72 Minuten schießt diese Scheibe übers Ziel hinaus. Das birgt das Risiko, die wirklich reichhaltigen Klangmomente wie "At The Edge Of The Abyss" und "If God Had Given Us Wings" durch weniger substanzielle Stücke wie "All These Lies", "Black Veil" und "Last Night" zu verwässern. 'Verdichten durch verzichten' heißt die Devise.
Mir bleibt nur zu sagen: Jungs, ihr habt solch bulldozerartigen Infomappen doch überhaupt nicht nötig. Eure Musik überzeugt nicht nur, sie ist nachhaltig. Aber nur dann, wenn es euch gelingt, die Quintessenz aus eurer Kunst zu ziehen.
Line-up:
Sascha Dopf (guitar, vocals)
Ronny Stenger (drums)
Thorsten Winkler (guitar)
Stefan Hoffmann (bass)
Tracklist |
01:Underground Mine Fire
02:At The Edge Of The Abyss
03:When You Are Gone
04:All These Lies
05:Last Night
06:Drowning The Bitterness
07:Bury My Hope
08:Black Veil
09:Days Of Waiting
10:If God Had Given Us Wings
11:Divided Heart
12:Like A Slave
13:Retrospect
14:The Price I Have To Pay Now
|
|
Externe Links:
|