"Der Beat Club wurde zu einem Begriff in Sachen Rockmusik!" schreibt Jürgen Bauerochse im Vorwort seines Buches "40 Jahre Beat Club Langelsheim".
Langelsheim - also geht es nicht um die 'berühmteren' Vertreter wie z.B. 'Star Club' und 'Indra Club' in Hamburg. Die 1962 einsetzende Beat-Welle wurde auch am Rande des Harzes registriert und so eröffnete Werner 'Wenne' Liebig am 17. März 1966 im ehemaligen Hotel 'Braunschweiger Hof' den Langelsheimer 'Beat Club'. Untersützt durch Bruder Dieter und Mutter Emmi, der guten Seele des Clubs, gab es anfangs einmal im Monat ein Konzert, was sich im Lauf der Zeit ändern sollte. Die Institution 'Beat Club Langelsheim' gibt es auch heute noch und somit dürfte dieser Club wohl Deutschlands älteste Diskothek (unter gleichem Besitzer) sein.
Jürgen Bauerochse, Jahrgang 1956, seines Zeichens Krautrockspezialist und RockTimes-Redakteur, hatte also das Glück in einem kleinen Städtchen mit heute ca. 13500 Einwohnern aufzuwachsen und immer mit der 'richtigen Musik' versorgt zu werden. Man muss bedenken, wie klein der Ort damals war. 1972, durch die Verwaltungs- und Gebietsreform, wurden Langelsheim nämlich einige Gemeinden zugeordnet.
1970 gab es ca. 6000 Einheimische und das erste Festival, welches der 'Beat-Club' veranstaltete, zog 10000 Besucher an. Das war übrigens gerade mal ein Jahr nach Woodstock. Akribisch schreibt Jürgen über diese Zeit, über Behördensachen, die Festivals dieser Größenordnung mit sich bringen, er bildet Zeitungsartikel ab, die von Ängsten der Bevölkerung über das massenhafte Auftreten von 'langaahrigen Rockern' berichten. Es war eine andere Zeit, was man auch an den Preisen für diesen 3-Tage Event sehen kann.
Ein Jahr später folgte dann ein Open Air mit sage und schreibe 30000 Musikfreaks.
"Hasch und Liebe in Langelsheim", steht in dicken Lettern über dem Artikel in der örtlichen Presse. Das Konzertplakat liest sich heute wie ein Rocklexikon: u.a. Ekseption, Man, Can, Frumpy, Faces, Eloy, Colosseum, Status Quo, Steamhammer, Nektar, Scorpions, Family....
Herrlich die Zeitungsberichte zu diesem Ereignis:
"Die Polizei blieb draußen und roch über die strenge Wolke von Haschisch sozusagen hinweg."
"Ärtze sorgen für die Rauschgiftgeschädigten."
"Die Einwohner von Langelsheim beschwerten sich über ruhestörenden Lärm und über Nacktbaden in der Innerste."
Ja ja! Demgegenüber schreibt der Autor, dass die Lebensmittelgeschäfte das ganze Pfingstwochenende über geöffnet hatten und so manche 'Spießbürger' freiwillig mehrmals einkaufen gingen, um einen Blick auf die nackt badenden Mädchen zu werfen.
Jetzt bin ich von 1966 ins Jahr 1971 gesprungen. Zurück also und vorne angefangen, denn Jürgen hat sein Buch akribisch und chronologisch aufgebaut. Der Leser erfährt, dass am 28. September 1968 die Rivets in neuer Besetzung auftreten, oder dass am 21.12.68 die "Die Sensation in Rillen", Wonderland den Beat Club beehren, dass aus den JP's einmal Jane werden...
Man mag es dem Autor glauben, wenn er schreibt, wie gut der Club von den Jugendlichen angenommen wurde:
Für viele Jugendliche war der Ruhetag am Dienstag der langweiligste Tag. Einen Abend in der Woche zuhause; was für eine Verschwendung! Einen Abend keine Freunde treffen, kein Bier trinken, keine Musik hören; ein Ding der Unmöglichkeit."
1969 zog der 'Beat Club' auf die andere Strassenseite in das freigewordene 'Astoria Kino'. Die alte Location beherbergt heute das städtische Altersheim. In den Siebzigern dominierte der Rock und meine Güte, was für Größen haben in Langelsheim gespielt: Free, Spooky Tooth, Humble Pie, Black Sabbath, Golden Earring, U.F.O, Atomic Rooster, Passport, East Of Eden, Alexis Korner, Livin' Blues, Thin Lizzy, Deep Purple, Mott The Hoople, Slade, Sweet, Yes, Bon Scott, Nazareth, Judas Priest, Rory Gallagher.....
Das alles in einem 6000-Seelen Ort!
Es wird auch nicht verschwiegen, dass es irgendwann einen Umbruch gab und die Jugendlichen sich verstärkt der aufkommenden Discowelle widmeten. Als Folge gab es erst mal weniger Konzertveranstaltungen und 1979 schließlich 'nur' noch Musik aus der Konserve. Am 2. Oktober 2001 hielt nach 22-jähriger Live-Pause, mit dem Dylan Projekt, die handgemachte Musik wieder Einzug in den 'Beat Club'.
Das Buch gliedert sich in fünf Teile:
Teil 1: 1966 bis 1969
Teil 2: Die rockigen Siebziger
Teil 3: Festivals
Teil 4: Ein Neuanfang?
Teil 5: Wer spielte wann im Club
Teil fünf liest sich wie das 'Who is Who' der Rockmusik. Es ist einfach beeindruckend, welche Musiker sich im 'Beat Club' Langelsheim bereits die Klinke in die Hand gegeben haben. Wollen wir hoffen, dass Teil vier einmal Anlass geben wird, eine Fortsetzung des Buches zu schreiben.
Mich hat dieser Club neugierig gemacht. So neugierig, dass ich mir vorgenommen habe, ihn in diesem Jahr zu besuchen. Vielleicht kann ich etwas vom Spirit dieser vergangenen Tage schnuppern. Und mit einem wie 'Wenne' muss ich unbedingt ein Bier trinken.
Gewidmet hat Jürgen sein Werk all den Musikern, die im 'Beat Club' Langelsheim aufgetreten sind und nicht mehr am Leben sind. Auch diese Auflistung, liest sich wie ein 'Who is Who' der Rockmusik. Leider!
Bevor ich ein paar Bilder zeige (kennt ihr die Musiker?), soll der Autor das (vor)letzte Wort haben:
Für mich persönlich ist die Erstellung dieser Dokumentation die Erfüllung eines jahrelangen Traumes. Zu stark hat mich das Jahrzehnt geprägt, in dem ich mir so viele Konzerte wie möglich reingezogen habe. Nur durch den 'Beat Club' hatte ich die Gelegenheit, mir die Bands anzusehen, deren Musik sonst nur auf meinem Plattenteller abgespielt werden konnte.
Recht hat er, der Jürgen und damit ist das Buch mitnichten nur für die, die in Langelsheim dabeigewesen sind. Es ist ein Streifzug durch die Musik der 60er und 70er, mit unzähligen historischen Artikeln, Eintrittsbelegen, Anekdoten und natürlich Fotos.
Ein Buch, welches in keinem Rockhaushalt fehlen sollte. Das ist Musikhistorie pur.
Bestellen könnt ihr das Buch direkt beim Autor, oder über den 'Beat Club' Langelsheim. (siehe Links unten)
RockTimes verlost zwei Exemplare an diejenigen unter euch, die uns ein Bild von sich aus den Sechzigern oder Siebzigern zumailen.
Jürgen Bauerochse - 40 Jahre Beat Club Langelsheim
134 Seiten, DIN A4, 20,- Euro, 2006
Ulli Heiser, 02.04.2006
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