Bereits das Buchcover versprüht einen reizvollen Hauch Melancholie, ist doch hier eine Vinylschallplatte mit Mittelloch abgebildet, am äußersten Rand stehen die Zahlen 45 und 33 als Angaben des Plattenspielers für die Laufgeschwindigkeit in Umdrehungen pro Minute.
Melancholie - darum geht es auch in dem neuesten Roman "Comeback" von Alexander Osang. Der Berliner Journalist, der nach dem Fall der Mauer als Chefreporter der Berliner Zeitung arbeitete und später nach acht Jahren als Reporter für den Spiegel in New York tätig war und heute wieder in der Hauptstadt lebt, hat ein gutes Händchen für Musik. Schrieb er doch bereits 1997 die Biographie zu Tamara Danz (1952 - 1996), der früheren Silly-Sängerin, und 2007 den Roman "Lennon ist tot".
Alexander Osangs erster Roman "Die Nachrichten" wurde verfilmt und mit zahlreichen Preisen, darunter dem Grimme-Preis, ausgezeichnet. Im S. Fischer Verlag und Fischer Taschenbuch Verlag liegen darüber hinaus der Roman "Königstorkinder", die Reportagenbände "Im nächsten Leben" und "Neunundachtzig" sowie die Glossensammlung "Berlin - New York" von ihm vor.
"Aufruhr in den Augen." Welcher Titel als der des gleichnamigen Albums (1988) der Rockgruppe Pankow könnte in Gedanken besser herhalten für die Geschichte der Ostberliner Band Die Steine, die Alexander Osang in seinem neuesten Roman "Comeback" aufgeschrieben hat? Die Berliner Band Pankow ließ den Autor, Jahrgang 1962, ein paar Monate an ihrem Tourneealltag teilhaben und auch sie wurden Anfang der 1980er Jahre gegründet (1981).
Silly ließen Osang auf gleiche Weise, noch dazu in schwieriger Zeit, »in die Seele einer Rockband« schauen und hätten später bewiesen, dass ein Comeback möglich ist.
»Dieses Buch erzählt weder die Geschichte von Silly noch die von Pankow. Aber es wäre ohne diese beiden Bands nicht möglich gewesen«, lässt uns der Romanautor in einem Nachwort wissen, der damit, ob beabsichtigt oder nicht, ein weiteres Wendebuch, 25 Jahre nach dem Fall der Mauer beisteuert, angesiedelt in der Welt der Rockmusik, die die Biographien der fünf Protagonisten damit in einem besonderen und für Romane sicherlich nicht ganz alltäglichen Licht erscheinen lässt. Am Rande ist es auch eine deutsch-deutsche Geschichte, gibt es mit der Wahlhamburgerin Carola Jürgensen eine Journalistin vom bekannten Nachrichtenmagazin Stern, die Die Steine aus ihrer Berliner Zeit sehr gut kennt und die die komplette Abschiedstournee im November 2012 vom Start in Jena bis zum Finale in Berlin erlebt, um in Kenntnis der intimsten Banddetails keine Zeile mehr davon zu berichten, wohl zu sehr ist sie vom endgültigen, trostlosen Abschied der Rockrebellen und der Nähe zu den Hauptakteuren aufgewühlt. Die größtenteils fiktive Geschichte überlässt es dem Urteil des Lesers, warum Carola Jürgensen keine Zeile über das Ende der Steine verfasst - von einem kurzen Interview mit der Sängerin Nora einmal abgesehen.
Die Sterne- das sind Gitarrist Alex, Bassist Paul, Keyboarder Vonnie, Schlagzeuger Axel und die charismatische Sängerin Nora. Zusammen verkörpern sie eine ostdeutsche Rockband aus den 80ern zwischen Protest und Anpassung. Kurze Zeit später folgt die deutsch-deutsche Vereinigung. Bedeutet dies auch einen erfolgreichen Neuanfang als Band in der Zeit danach?
Unterschiedlich haben sich die Charaktere seitdem entwickelt, Nora versuchte es sogar eine kurze Zeit in New York - um nachzudenken, nicht um musikalisch neu anzufangen. Doch es bleibt ihr eine fremde Welt.
Das Buch beschreibt in einzelnen Kapiteln die gegensätzlichen Charaktere der Protagonisten - dies zu unterschiedlichen Zeiten, aus der Perspektive der späten Achtziger bis zur Comebacktournee 2012. Somit läuft praktisch ein Film ab, der die Zeit von mehr als zwei Jahrzehnten abbildet. Zeit, die auch Gesellschaftspolitik widerspiegelt, wie der Gitarrist Alex zeigt, der für die Staatssicherheit, den ostdeutschen Geheimdienst, tätig war und sich nach Bekanntwerden den Bandmitgliedern erklären muss. Es sind offene Bekenntnisse und sehr private Einblicke, die die Musiker preisgeben. Und wie wir nach der Lektüre wissen, schwingt überall ein Hauch Pankow und Silly mit, zwei Bands mit unterschiedlichen Biographien und vor allem unterschiedlichen Erfolgsgeschichten bis anno 2015.
"Comeback" beschreibt die Melancholie, aber auch eine Portion Gleichgültigkeit, mit der Rockmusiker ihren Alltag sehen und auf ihre Weise meistern. Das Buch ist unterhaltsam und spannend zugleich und dem leseinteressierten Musikfan wärmstens zu empfehlen.
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