Wilhelm Ruprecht Frieling
Der Bücherprinz: Wie ich Verleger wurde
Der Bücherprinz Gesamt-Seitenzahl: 368
60 Abbildungen, broschiert
Medium: Buch
Erschienen im Internet-Buchverlag, 2009
1. Auflage
ISBN: 978-3-941286-50-4, 19,80 €

Review vom 03.04.2010


Tom Machoy
358 Seiten …und ich bin ein verdammt laaangsamer Leser. Beim Bücherprinzen auch, da ich doch einige Stellen mehrfach gelesen habe. Nicht etwa, weil ich nicht verstanden habe, was da geschrieben steht, eher deswegen, weil das oft zitierte Wort so in Einklang mit der geschilderten Situation stand und ich viele Stellen so beruhigend-aufregend fand. Ich kam nicht umhin, wieder und wieder zu lesen - wie bei einem Gedicht, das dabei ist, sich ins Gedächtnis einzubrennen. Sei es, weil es einfach nur schön ist, sei es, weil man meint, sich in ähnlicher Situation zu befinden oder eben hinein zu rutschen oder gerade aus dieser Situation gekommen zu sein.
Bereits vor der Veröffentlichung dieses Buches säumen nicht nur literarische Erfolge den Weg des Wilhelm Ruprecht Frieling. Das Schreiben eigener Bücher mit eigenen Geschichten schien letztendlich die Konsequenz der vergangenen Zeit zu sein, wobei es dann um Titel geht, wie "Angriff der Killerkekse", "Marsmenschen auf Malle", "Onkel Wumba aus Kalumba" oder "Manische Wiegenlieder". Und beim Letzteren kann ich stolz gestehen, bin ich zum Wiederholungstäter geworden. Für mich eine logische Konsequenz aus dem Bücherprinzen (das mit "Echoes" aus den Wiegenliedern eingeleitet wird)!
W.R. Frieling wird nicht zu Unrecht als 'postmoderner Kerouac' bezeichnet. Nach dem Gelesenen, wie er es selbst nennt, 'eine Lebensabschnittsgeschichte', komme ich zu dem Schluss, dass er mit dem Gesehenen, Erlebten, Erarbeiteten und Erreichten auch auf einer noch ganz anderen Stufe hätte stehen können. Doch all das von ihm Berichtete zeigt eine Entwicklung auf, die er allein (sicher auch mit reichlich Glück, das gehört wohl dazu, getreu dem einen ökonomischen Prinzip hervorragend umgesetzt hat. An seine eigene Kraft glaubend, hat er es geschafft, seinem Traum zu folgen und ihn umzusetzen. Dabei blieb er niemals stehen, agierte stetig in Richtung Horizont (was sich wohl dahinter verbirgt), um dann festzustellen, dass es immer weiter geht. Seine Lebensabschnitte lesen sich nicht bloß spannend, der interessierte Leser ist geneigt, auf sein bisher Erreichtes zu schauen. Zu schauen, um eventuell festzustellen, dass er selbst stolz sein kann, auf all die Dinge, die er erreicht hat. Oder um festzustellen, dass die weiteste Reise ihn nur einen Schritt vor das Ortsausgangsschild seines Heimatortes führte. Aber um neue Wege zu beschreiten, braucht jeder ein wenig Mut, Courage, Frechheit (ein gerüttelt´ Maß) - besser spät als nie!
Neben den nachdenklichen gibt es aber auch jede Menge witzige Episoden, wo ich denke, mein lieber W.R. Frieling, ein Till Eulenspiegel, wie er im Buche steht. Er hat nicht nur einmal die Zeichen der Zeit erkannt, nicht nur einmal auf das richtige Pferd gesetzt, war nicht nur einmal zur richtigen Zeit am richtigen Ort - dieses Gespür macht den Menschen Wilhelm Ruprecht Frieling so einzigartig. Auch das ist ein Grund, weshalb er so erfolgreich IST. Sein Beobachten der Dinge und Strukturen um ihn herum ließ ihn die unerforschten Nischen und verkrusteten Strukturen erkennen und dieses war sein Erfolgsrezept.
So, ihr lest, ich bin vom Lesen dieses Buches begeistert - nun aber lobhudel ich nicht weiter rum, ein paar Details wären nun angebracht.
In drei Abschnitte ist das Buch unterteilt, die jeweils mit Zitaten begonnen werden, wobei sich hier bereits zeigt, wem W.R.F. zugetan ist, Aitmatow, Reiser, Döblin, je nach Lebensabschnitt, sag ich mal, Kindheit + Jugend, Beruf + Lehre und »…der kenntnisreiche Verleger«.
"Alles Schlampen außer Mutti" beginnt mit einer kuriosen Geschichte über einen furzenden Kupferschmied, der das 'urwestfälische Nest' Oelde bekannt machte und berichtet ziemlich offen und schonungslos über die Zeit seiner Kindheit, der 'Adenauer-Ära' - »Nur Söhne waren wertvoll!«, »Der Rohrstock tanzte täglich Tango.«, »…Körperlichkeit galt als peinlich,…«, aber auch schon seine Lust auf Bücher und das Wissen, das sie verbargen - »Das Aroma der Zeit«, »…verliebte ich mich in Nachschlagewerke und Lexika…«.
In seiner Schulzeit erlebte er noch die 'Dressur' der Schüler, die dann 1973 gesetzlich verboten wurde (die seit 1949 'im sozialistischen Osten' bereits verboten war). Er sei ein guter Schüler, tatsächlich aber 'stinkend faul!', träumte viel, »…reiste ins Regenbogenland der Phantasie…« und berichtet von seinen Vorlieben für Wilhelm Busch, Erich Kästner, Astrid Lindgren. Er sagt kurz dazu: »Ich war süchtig nach Lesestoff.« Mit sehr schöner Sprache erzählt uns W.R.F. von all den schönen und unsäglichen Dingen seiner Kindheit. Mit kindlicher Logik fand er heraus, dass all das Kirchengefrömmel reine Zeitverschwendung war und wie er dieser mit Erfolg entgehen konnte. Er lernt die Schriften Feuerbachs kennen, »Der Mensch sei dem Menschen Gott!« und Karl Marx' Schriften »Die Religion… sie ist das Opium des Volkes.« Damit war für ihn alles klar!
Mit der Pubertät änderte sich vieles - »Ein Pubertäts-Tsunami schlug über mir zusammen.« Neue Gefühle, neue Hobbys, keine Ahnung von dem, was in einem vorgeht, noch, wie man damit umgehen soll. »Sexuelle Aufklärung war ein absolutes Tabu.«
Er gründete am Gymnysium die Schülerzeitung "Utopia" (nach Thomas Morus), die sich mit Themen der Jugend in den sechziger Jahren befasste, »aktuelle Mode, britische Schallplatten, lange Haare.« Es ging um die Beatles, die Rolling Stones und um die Bands, die in Deutschland nun wie Pilze aus der Erde hervor geschossen kamen, Lords, Rattles, Souls, Red Kings. Eine neue Zeit brach an, der erste Beat-Club im Fernsehen (25. September 1965). Viele Erwachsene kamen mit dieser 'neuen' Zeit überhaupt nicht klar, nicht mit der Musik, dem Aussehen, dem Benehmen der Jugendlichen. Bei W.R.F. war es sein Vater, der ihm nachts heimlich und vorsichtig die langen Haare abschnitt. Dafür legte er ihm seinen Anzug in Streifen.
Die Unfähigkeit, auf eine neue Situation zu reagieren und den Schein der heilen Welt zu wahren, beschreibt er, als ihn seine Mutter monatelang in die Jugendpsychiatrie einweisen lässt, mit gerichtlicher Verfügung - der Hammer schlechthin und heutzutage kaum noch vorstellbar. In allen Kapiteln finden sich literarische oder filmische Querverweise, hier ist es der Film "Einer flog über das Kuckucksnest".
W.R.F. lässt sich nicht unterkriegen, flieht von zu Hause, später reist er, unter anderem nach Paris, um Gruppen im "Marquee Club" zu sehen, Ten Years After, Rory Gallagher, Yardbirds,
John Mayall oder nach Großbritannien, um dort 'die britische Toleranz' zu genießen. Bei der Uraufführung von "Yellow Submarine" hat er sich in den London Pavillon gemogelt, um ganz nah bei den Beatles zu sein.
Einen Abschnitt widmet der Autor den Drogen, beschreibt den Ablauf eines psychedelischen Experiments, wobei auch Namen wie Timothy Leary, Pink Floyd, The Doors und Aldous Huxley fallen und schreibt über das Thema Legalisierung - kurz: auf keinen Fall synthetische und harte Drogen. Als Volksdroge Nummer Eins gilt immer noch der Alkohol, der den nachweisbar höchsten Schaden bei den Abhängigen anrichtet. Allein wegen dieser Ausführungen sollte jeder dieses Buch lesen, vielen Dank dafür!
Weitere Reisen führen ihn durch Südosteuropa bis in die Türkei und weiter nach Kurdistan, sozusagen auf Mays Spuren, wo er sehr viel Gastfreundschaft, Sitten und Gebräuche und Delikatessen wie Hammelaugen kennenlernt. In diesen Ländern, die damals noch ziemlich weit weg von industriellem Fortschritt waren, erkennt W.R.F. die wahren Werte, die Bestand haben und die ihn in seinem Leben auch zunehmend prägten und die es immerfort gegen Neid und Habgier zu schützen gilt - »Hilfsbereitschaft und Freundschaft«.
Geschichtsnah und detailgetreu beschreibt es die Zeit Ende des sechsten Jahrzehnts dieses letzten Jahrhunderts. 'Make love, not War' - Wahlspruch der Hippies! Eine der Bewegungen, die sich aus den Protesten dieser Flower-Power-Zeit entwickelten, sind unter anderem die heutigen Grünen. Er beschreibt den Kampf gegen die Altnazis in Staatsdiensten und daraus geht sein Engagement im AUSS, einer außerparlamentarischen Opposition hervor. Viel Geschichtsträchtiges erfahre ich, wovon ich bisher noch nicht viel/nichts wusste - 'Gießener Kreis', mit all den Namen, die sich dort tummeln, von denen ich wenigstens einige kannte - u.a. Wolfgang Abendroth, Max von der Grün, Peter Rühmkorf, Günter Wallraff.
Ihm wurde nahe gelegt, die Schule zu verlassen, er tat es.
Ein ehrlicher, politischer, mit offenen Augen durchs Leben gehender Mann, der sich dann auch der Bundeswehr verweigerte und mit dem Interzonenzug durch die DDR in West-Berlin, das damals noch eine 'Insel' war, vor der Wehrpflicht 'untertauchte'.
"Unser tägliches Brot gibt uns heute" führt den Leser durch ein Auf-und-Ab in Berlin. W.R.F. beschreibt Zeiten, in denen er um sein tägliches Überleben kämpfen musste, in denen er nicht sicher war, was es zu Essen gab und Zeiten in WGs, in denen es sehr 'bunt' zugegangen sein muss, bis hin zu orgiastischen Exzessen, Hasch macht lustig aber auch hungrig, Personenkult-Irrtum um Mao und Stalin und Frieling zeigt auf, dass der Verfassungsschutz bereits damals ein durchorganisierter Geheimdienst war, der sich nur wenig von der Stasi unterschied (S.131ff.).
Und so komme ich langsam zum beruflichen Werdegang. Er schrieb als freier Journalist, machte Fotos dazu und konnte immer häufiger Artikel und Fotos verkaufen. Er erlernte den Beruf des Fotografen, konnte seine Bilder ausstellen, lernte immer mehr dazu, zog als Reporter in Berlin umher, um über meist kulturelle Veranstaltungen, über Bücher und Ausstellungen zu berichten. Er lernte Fassbinder kennen, dessen Arbeitswut auf ihn abfärbte.
Durch Frieling gibt es in Berlin gebündelte Tipps und Termine für Kultur, die 1973 unter dem Titel "Roter Kulturfaden" erschienen. Seit dieser Zeit hat er Geschäftsideen entwickelt, 'simpel' und 'perfekt'. Eine nach der anderen, manche auch parallel zueinander. Und diese Geschäftsideen haben ihm den Namen eingebracht, den ihm zehntausend Autoren, die unter dem Slogan 'Verlag sucht Autoren' bisher veröffentlicht wurden, gaben - 'Der Bücherprinz'.
Er stand in diplomatischem Dienst, hat mit den "Russen" gesoffen, für "Die Wahrheit" geschrieben (bis 1978), woher er den Spitznamen "rasender Reporter" erhielt, rund um die Welt fliegen konnte, um z.B. Fidel Castro zu treffen, gründete einen Kunstverlag, "Frieling & Haller", holte sein Abitur nach, entwickelte die "Berliner Senioren-Post", war damit der jüngste (mit 26 Jahren) Chefredakteur in deutschen Mediengefilden.
Man lies ihn in die DDR reisen, schrieb über Goethe (Weimar), Luther (Jena), Bach (geboren in Eisenach), über Karl May, verfasste »…den ersten Hotel- und Gaststättenführer DDR, der im Westen erschien…«.
Das nächste Kapitel beschreibt er selbst "Hofnarr der Kulturszene", W.R.F. gründete den Brancheninformationsdienst "Film intern", der Öffentlichkeitsarbeit für den jungen deutschen Film betrieb. Diese Promotion-Arbeit ließ ihn jede Menge Schauspieler und Filmemacher kennenlernen, wie Horst Frank, Ulrich Schamoni, Eddie Constantine.
Er wurde vom Kultursenator Berlins zum Pressesprecher der Ausstellung "Zeitgeist" berufen, wo er Joseph Beuys bei seinem Werk "Hirschdenkmal" half. Da er ständig auf 'dünnem Eis' operierte, begann Frieling wieder nach neuen Wegen zu suchen, was ihm mit zahlreichen Veröffentlichungen gelang. Seine Arbeit, meist für andere, machte ihn erfolgreich, bekannt, wohlhabend, aber…
…er wollte nicht ewig abhängig bleiben. Und diesen Weg erzählt er in "Verkleidet euch als Blumen…"
Mit der Möglichkeit zur Gründung einer eigenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der "Frieling & Partner GmbH", kaufmännischem Geschick und der nötigen Vorsicht in Geldangelegenheiten seine Geschäfte betreffend, eilte Wilhelm Ruprecht Frieling von Erfolg zu Erfolg. Und seien sie auch kleiner Natur, sie brachten ihn Stück für Stück auf dem Erfolgspfad voran. Frieling begann mit Stadtführern, die illustriert waren, z.B. "Rock-City Berlin" (ein Jahrbuch ab 1983), "Stadtführer für Behinderte", Stadtführer für ausländische Mitbürger". 1985 erschien der erste esoterische Stadtführer, "Berlin okkult", dessen Erfolg sich keiner erträumt hatte. Weiter ging es über Kunstkataloge, wie "Jan Bouman - Ebenen der Wirklichkeit". Und weil das alles irgendwann Überhand nahm, schrieb er seinen ersten Bücherprospekt, der neben seinen eigenen Produkten namhafte Autoren enthielt. Was sich zunächst als Pleite abzeichnete, wurde wegen einer glücklichen Wendung, einer daraus resultierenden Veröffentlichung eines Lyrikbandes von Dr. Erich Kayser, zum Beginn eines nächsten Erfolges. Dieser einen Veröffentlichung folgten unzählige nach, es entstand der "Verlag sucht Autoren". Das Glück ist ihm hold geblieben.
Parallel dazu: Nachdem er im Weiterlernprozess herausgefunden hatte, dass es von Nutzen ist, viel über Verlagsstrukturen zu wissen (wer verlegt was?), begann W.R.F. seine geschriebenen Romane und Gedichte zu veröffentlichen. Er stellte fest, dass es in Deutschland keinen gab, der Autoren eine Plattform bot bzw. sich um sie kümmerte - Geschäftsidee!!!
Dazu passend schrieb es das Buch "Autor sucht Verleger - Der direkte Weg zum eigenen Buch". Es wurde zum Leitfaden für viele unbekannte Autoren.
Frieling schreibt über die Erfolge seines Verlages aber auch über die 'Schattenseiten', Schicksale des Ruhmes bis zur Weitervermittlung an größere Verlage, Schicksale des Scheiterns; nicht jeder ging als Sieger hervor.
Mit dem 9. November 1989 tat sich ein neues Kapitel auf, denn 'Westbücher' waren, wie fast alles von 'Drüben', äußerst begehrt. Mit diesen gefallenen Grenzen kam der Verlag selbst bald an seine Grenze, denn die ganze Welt wollte nun beim "Autor sucht Verleger" bekannt werden.
Zwanzig Jahre lang (bis 2003) wirkte W.R.F. im Verlag, für den Verlag und zog sich 2003 aus dem aktiven Dienst zurück, natürlich um »… neue Pläne zu entwickeln…«
Mein Fazit: "Der Bücherprinz" ist ein spannendes, interessantes, witziges, nachdenkliches, beeindruckendes und ein besonders optimistisches Buch. Ich habe so manchen Roman gelesen, der nicht an dieses Format heran reicht.
Vielen Dank, Herr Frieling für ihre Zeilen & »Danken wir dem Tag, der uns die Freude am Lesen schenkte.« (Wilhelm Ruprecht Frieling)
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